Urteil im Fall Premier League

Am 4. Oktober 2011 hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs sein lang erwartetes Urteil im Fall „Premier League“ gegen QC Leisure und Karen Murphy veröffentlicht.

Laut EuGH verstößt das System exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union. Foto: picture-alliance
Laut EuGH verstößt das System exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union. Foto: picture-alliance

Der Rechtsstreit, der insbesondere Sportveranstaltern und Rundfunkanstalten beschäftigte, hat seit der Anhörung im Oktober 2010 in ganz Europa großes Medienecho erfahren.

Der Gerichtshof stellte fest, dass „nationale Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen und weder im Hinblick auf das Ziel, die Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, noch durch das Ziel, die Anwesenheit der Öffentlichkeit in den Fußballstadien zu fördern, gerechtfertigt werden können“.

Demnach „verstößt ein System exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union, wenn die Lizenzverträge es untersagen, ausländische Decoderkarten Fernsehzuschauern zur Verfügung zu stellen, die die Sendungen außerhalb des Mitgliedstaats sehen wollen, für den die Lizenz erteilt wurde“.

Der Hintergrund des Falles

Die Rechte zur Übertragung der Spiele der Premier League werden von der „Football Association Premier League (FAPL)“ in einem offenen Ausschreibungsverfahren vermarktet. FAPL räumt dem Lizenznehmer ein territorial beschränktes Exklusivrecht für die Live-Ausstrahlung der Spiele der Premier League ein. Fernsehzuschauer können also nur die Spiele sehen, die von der Rundfunkanstalt des Mitgliedstaats ausgestrahlt werden, in dem sie wohnen.

Um die territoriale Exklusivität zu schützen, verpflichtet sich der jeweilige Lizenznehmer, sein Satellitensignal zu verschlüsseln und nur den Abonnenten des ihm zugewiesenen Gebiets zu übermitteln. Der Lizenzvertrag untersagt dem Lizenznehmer, Decoderkarten an Personen zu veräußern, die außerhalb des Mitgliedstaats wohnen, für den die Lizenz erteilt wurde.

2004 entbrannte der Streit, nachdem in englischen Pubs, in denen Sky die exklusiven Übertragungsrechte innehat, günstigere ausländische Decoder benutzt wurden, um Spiele der Premier League zu zeigen. Die FAPL leitete rechtliche Schritte gegen Pub-Besitzerin Karen Murphy und den Vertreiber dieser (griechischen) Decoderkarten QC Leisure ein. 

In ihren Schlussanträgen vom 3. Februar 2011 vertrat Generalanwältin Kokott die Ansicht, dass Vereinbarungen über die territoriale Exklusivität von Übertragungen von Fußballspielen gegen EU-Recht verstoßen. Demnach ist es nicht mit EU-Recht vereinbar, Live-Übertragungen von Premier League Fußballspielen in Gaststätten mit Hilfe ausländischer Decoder zu verbieten.

Nun also hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Live-Übertragung von Fußballspielen nicht durch das EU-Recht geschützt werden kann. Geschützt unter der EU-Richtlinie zum Urheberrecht sind nur die Teile der Live-Übertragung, die geschützte „Werke“ darstellen wie z.B. Hymnen, Video-sequenzen von Zusammenfassungen oder Grafiken.  

Anmerkungen und Einschätzungen

Auch wenn erste Reaktionen in der Presse von einem „Bosman-Urteil im Medienrecht“ sprachen, kann nach gegenwärtigen Stand konstatiert werden, dass Sportrechtebesitzer weiterhin territorial begrenzte Lizenzen vergeben können, allerdings akzeptieren müssen, dass Lizenznehmer aus anderen Mitgliedstaaten ihre Decoderkarten auch in das jeweilige Land verkaufen können.

Die Premier League will jetzt sorgfältig prüfen, welchen Einfluss das Urteil tatsächlich auf das bisherige Geschäftsmodell hat. Man sei erfreut darüber, dass aus dem Urteil hervorgehe, dass Fußball-Übertragungen mit geschützten Werken die Zustimmung der Premier League benötige, heißt es. Derzeit sind lediglich Sky und ESPN autorisiert, die Premier League zu übertragen. 

Die Komplexität des Urteils lässt einige Fragen offen: Welche realen Auswirkungen hat das Urteil für den Verkauf der Premier League Übertragungsrechte der kommenden Saison in Großbritannien und europaweit? Beeinflusst das Urteil die Übertragungsrechte anderer Sportveranstalter? Ist das Urteil wirklich zu Gunsten der Verbraucher ausgefallen? Aktuell ist es schwierig eine klare Antwort dazu zu geben. 

Die künftigen Verhandlungen der Premier League in Großbritannien werden möglicherweise Auskunft darüber geben. Es sei darauf hingewiesen, dass das im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ergangene Urteil des EuGHs noch vom zuständigen Gericht in Großbritannien in ein konkretes Urteil umgesetzt werden muss.

(Quelle: EU Büro des deutschen Sports)


  • Laut EuGH verstößt das System exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union. Foto: picture-alliance
    Laut EuGH verstößt das System exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union. Foto: picture-alliance