Verbot, Erlaubnis, gar kein Thema

Die Fifa nimmt Anlauf, Kopftücher im Fußball zu erlauben. In anderen Sportarten wird die Diskussion leiser geführt, aber sie ist nicht weniger knifflig.

Verhüllte Spielerinnen bei der Volleyball-WM 2006 in Japan. (Foto: FIVB)
Verhüllte Spielerinnen bei der Volleyball-WM 2006 in Japan. (Foto: FIVB)

Aufsehen erregt, Zeichen gesetzt – und alles andere bleibt abzuwarten: Der Fußball-Weltverband hat beschlossen, das Tragen von Kopftüchern in Grenzen zu erlauben. Was das greifbar verändert, muss sich zeigen. Erstens ist die Entscheidung vorläufig (siehe Meldung). Zweitens scheinen die Vorgaben der Fifa nur für den Spitzenfußball relevant. Auf deutschen Aschen- und Rasenplätzen etwa taucht der muslimische Hijab nicht flächendeckend, aber teilweise zuverlässig auf. Schon 2008 wurde der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger in der „Süddeutschen Zeitung“ so zitiert: „Kein Mädchen soll dem Fußball verloren gehen, weil es ein Kopftuch trägt.“ Allen Anzeichen nach setzen die meisten Schiedsrichter diesen Anspruch um.

Und wie ist die Lage jenseits von abseits? So vieldiskutiert das Kopftuch im Fußball ist, so schleierhaft ist den meisten, wie andere Sportarten mit dem sensiblen Thema umgehen. Die Position des DOSB ist klar: Er will und kann nicht in die Autonomie der Fachverbände eingreifen. Jene folgen – wie im Fußball – grundsätzlich den Maßgaben der  internationalen Dachorganisationen, können diese aber bedingt ergänzen oder interpretieren.

Man muss den Einzelfall betrachten. Der Sicherheitsaspekt etwa betrifft nicht alle Disziplinen – man hat bei Leichtathletik-Weltmeisterschaften schon Sprinterinnen mit Kopftuch gesehen. Aber auch im Judo, im Taekwondo, selbst im Rugby sind Kopftücher erlaubt oder nicht verboten. Eine stichprobenhafte Recherche von IdS bei weiteren Verbänden zeigt: Die Leitlinien und teilweise auch die Regeln ähneln sich – die Praxis macht den Unterschied.

Deutscher Basketball Bund (DBB):

In Artikel 4 („Mannschaften“) seines Regelwerks hält der Basketball-Weltverband Fiba, dessen Position der DBB teilt, unter dem Stichwort „Ausrüstung“ unter anderem fest: „Kein Spieler darf Gegenstände tragen, die zu Verletzungen führen können.“ Ausdrücklich verboten sind unter anderem Haarschmuck und Kopfbedeckung.

Alle ein bis zwei Jahre überprüft der DBB durch Rücksprache bei der Fiba, ob sich diese Position geändert habe. „Bei unseren Spielleitern gehen in unregelmäßigen Abständen Anfragen von Vereinen ein, hauptsächlich aus den Ballungsgebieten wie Köln, Berlin und Hamburg“, sagt Sprecherin Elisabeth Kozlowski. Die letzte Antwort des Weltverbandes von Ende 2011 bestätigte die bisherige Leitlinie.

Wie handhaben deutsche Schiedsrichter das Ganze? Praktisch gibt es „im Basketball kein spezielles Kopftuchverbot, sondern ein ganz allgemeines Kopfbedeckungsverbot“, betont man beim DBB. Juden dürfen also keine Kippa tragen, Hip-Hopper keine Basecaps und Moslems eben keinen Hijab. 

Deutscher Tanzsport-Verband (DTV):

Pressesprecher Daniel Reichling schreibt in seiner E-Mail wirklich Bemerkenswertes. Im DTV gebe es zwar Schleier an so gut wie jedem Standardkleid, „aber das ist auch schon alles, was wir zu diesem Thema beitragen können“. Muslimische Tänzerinnen seien in dem Verband nicht engagiert, aus, wie Reichling vermutet, einfachem Grund: „In der 24. Sure des Koran, der für strenggläubige Muslime verbindlichen Charakter hat, ist festgelegt, vor wem und wann es einer Frau erlaubt ist, ihre weiblichen Reize zu zeigen. Ein öffentliches Zurschaustellen ihres Körpers vor Fremden ist unrein und verboten (‚haram‘).“ 

Eine Teilnahme an einem Tanzsportturnier ist laut Reichling also „ein No-Go“ aus streng muslimischer Sicht. Schon wegen der Sache mit den weiblichen Reizen: „Lateinamerikanisch fällt somit komplett aus, doch auch Standard, zeigt Haut, wenigstens Arme und Schultern“, sagt Reichling. Zugleich seien Wertungsrichter, Mitkonkurrenten und Publikum in der Regel Fremde“ – zum Teil männliche. Jenseits dessen sei beim Thema Musik „umstritten, was wann erlaubt ist“. 

Reichling erinnert sich lediglich an eine Ausnahme: „Wir hatten vor rund 20 Jahren eine sehr erfolgreiche türkische Standardtänzerin in Nordrhein-Westfalen, die mit ihrem Partner und anderen einmal in, ‚Wetten dass‘ aufgetreten ist. Stolz berichtete sie, dass die Sendung in der Türkei zu empfangen sei und ihre Verwandten sie auch sehen konnten. Kurz danach hat die junge Frau mit dem Tanzsport aufgehört.“ 

Deutscher Turner-Bund (DTB): 

Auch der DTB folgt in Sachen Schleier übergeordneten Maßgaben – teilweise. Verbandssprecher Torsten Hartmann sagt: „Im olympischen Spitzensport hat sich der DTB an die Richtlinien des Internationalen Turnverbandes FIG angeschlossen. Die FIG möchte die religiöse Neutralität wahren und erlaubt daher das Tragen eines Kopftuchs nicht.“ 

Für den nichtolympischen Sport hat der Bereichsvorstand des DTB erst im Februar 2012 einen Beschluss zu körperbedeckender Kleidung gefasst. Pia Pauly, Abteilungsleiterin Sport, erläutert: „Bei Wettkämpfen ist das Turnen – Gerätturnen, Trampolinturnen, Gymnastik – mit langer, enger Hose erlaubt. Das Turnen mit Kopftuch stellt eine Gefahrenquelle dar und ist insofern nicht erlaubt.“ Minderjährige turnten ohne Kopfbedeckung, Erwachsenen sei das Tragen einer festanliegenden Kappe erlaubt. Bei Gruppenwettkämpfen „müssen dann jedoch alle Gruppenmitglieder eine Kappe beziehungsweise lange Hose tragen“, so Pauly. 

Deutscher Volleyball-Verband (DVV): 

Angelehnt an den Weltverband untersagt der DVV in Absatz 4.3 („Spielerkleidung“) seines Regelwerks das Tragen von „Gegenständen, die Verletzungen verursachen oder dem Spieler einen künstlichen Vorteil einbringen können“. Freilich gehört ein Kopftuch laut dem Schiedsrichter-Verantwortlichen Fred Kröger „wohl eher nicht zur Spielerkleidung, sondern wäre eher ein, Accessoire wie zum Beispiel ein Stirnband und damit nach meiner Auffassung von den Regeln her nicht grundsätzlich verboten“. Überdies hält Kröger einen Schleier „auf den ersten Blick nicht für sicherheitsrelevant“. Tatsächlich haben etwa ägyptische Spielerinnen bei der WM 2006 in Japan Kopftuch getragen. 

Im DVV, sagt Kröger, bedeute die Abwesenheit eines Verbots von Kopftüchern nicht deren automatische Erlaubnis. „Zum Beispiel kann ich mir schlecht vorstellen, dass alle Spieler Hüte aufhaben, was ja durchaus eine ähnliche Situation wäre.“ Und eine ähnlich seltene – Kröger sieht die fehlende Regelung auch darin begründet, dass „es bisher mangels konkreter Praxisfälle keine Notwendigkeit dafür gab“. 

(Quelle: DOSB / Nicolas Richter)


  • Verhüllte Spielerinnen bei der Volleyball-WM 2006 in Japan. (Foto: FIVB)
    Verhüllte Spielerinnen bei der Volleyball-WM 2006 in Japan. (Foto: FIVB)