Visionen sind erlaubt – die Träume der Sportjugend!

Der Beschluss ist gefasst: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird ab 2010 die Olympischen Jugendspiele durchführen. Ingo Weiss, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend (dsj), hat die Entscheidung in einem Gastbeitrag in der FAZ kommentiert.

Ingo Weiss, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend
Ingo Weiss, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend

Die Olympischen Jugendspiele können eine große Chance für den olympischen, aber auch den (noch) nicht olympischen Sport bieten.  Ein solches Festival wäre eine tolle Perspektive gerade für die jungen Sportler, - aber auch junge Kampfrichter, Schiedsrichter und Betreuer - die vielleicht schon ahnen, dass ihnen der Weg nach Olympia versperrt bleiben wird. Olympische Jugendspiele sind ein hervorragendes Fundament, um bei Jugendlichen neue Motivation zu schaffen für ehrenamtliches Engagement, das dann in die Zukunft wirken kann. Eine große Kraft könnte sich entwickeln, wenn junge Menschen aus dem Sport an dem Entstehen eines solchen Ereignisses aktiv mitwirkten. Gestaltungsmöglichkeiten könnten sich dann daraus für den internationalen Jugendsport im Sinne der olympischen Werte über die Olympischen Jugendspiele hinaus ergeben. Schön wäre es, wenn die Träume der sportlichen Jugend Deutschlands, ja der Welt wahr werden würden!

Was wurde denn nun von der IOC-Session beschlossen: Aus der ganzen Welt werden bis zu 3.200 jugendliche Sportlerinnen und Sportler ab 2010 im Sommer für maximal 12 Tage und 1000 jugendliche Sportlerinnen und Sportler ab 2012 im Winter für maximal 10 Tagen an den Olympischen Jugendspielen teilnehmen. Das Mindestalter der Jugendlichen wurde auf 14 Jahre und das Höchstalter auf 18 Jahre begrenzt. Hier wäre aus meiner Sicht wünschenswert, sich auf eine Altersstufe von 16 bis 18 Jahren zu einigen.

Bereits im Vorfeld des Beschlusses wurde dieser heftig hinterfragt. Die Kommentare und Stellungnahmen waren eher kritisch und ablehnend gegenüber diesem neuen IOC-Projekt. Doch wurde der Idee durchaus auch Respekt gezollt, da diese Jugendspiele fraglos einen gewissen Reiz haben können. So wurden vor allem Bedenken geäußert, dass der Leistungssport mit all seinen negativen Begleiterscheinungen in das Kindesalter hinein verlagert wird, dass das Konzept der traditionellen Olympischen Spiele ohne entscheidende Modifikation und Neuerungen auf die Olympischen Jugendspiele „Eins-zu-Eins“ herunter gebrochen werde.

Wie so oft, wenn schnell und zum Teil auch oberflächlich diskutiert wird, lohnt sich ein zweiter, intensiverer Blick. Die Auswahl der einzelnen Sportarten muss noch – im Einvernehmen mit den internationalen Sportfachverbänden - getroffen werden, wobei diese Olympischen Jugendspiele als eine „Universale Sport- und Kulturveranstaltung“ geplant sind. Sie sollen sich an pädagogischen Aspekten, olympischen Werten und ethischen Grundsätzen orientieren, um somit den jungen Sportlerinnen und Sportlern eine attraktive Plattform für Leistungsvergleich, Begegnung und Kultur, aber vor allem auch für viele gemeinsame und verbindende Erlebnisse zu bieten.

Eine solche  Ausgestaltung der Olympischen Jugendspiele wäre an Voraussetzungen gebunden, die bislang in den Kommentaren und Interpretationen augenscheinlich als nicht sehr wahrscheinlich angenommen worden sind. 

Es müsste ein hohes Maß an Partizipation junger Sportlerinnen und Sportler sowie  junger aktiver Mitstreiterinnen und Mitstreiter bereits in den internationalen Sportfachverbänden geben, die daran mitwirken, die für sie richtige Veranstaltungsform zu finden. Nationenwertungen, Medaillenspiegel und Live-Übertragungen wären kontraproduktiv. Eine herunter gebrochene Kopie der traditionellen Olympischen Spiele darf es nicht geben.
Den nächsten Schritt haben die internationalen Sportfachverbände zu leisten. Hier wird sich entscheiden, welche konkrete Form die sportliche Ausgestaltung der Olympischen Jugendspiele  annehmen wird.

Deshalb wäre es jetzt wichtig, die Mitarbeit in den entscheidenden Gremien sicherzustellen und dort nicht gegen, sondern für die Olympischen Jugendspiele zu streiten.  Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt den Jugendsport nicht weiter. Vielmehr ist es notwendig, den genannten Anforderungen Rechnung zu tragen, Prüf- und Kontrollmechanismen zu fordern, um in der Entwicklung den gewünschten Zielstellungen nahe zu kommen. Es wird Zeit, dass die Aktivisten das Heft in die Hand nehmen und für eine erfolgreiche Planung und Umsetzung der Jugendspiele sorgen.

Die Warnungen der Sportwissenschaftler müssen Beachtung finden und in die Ergebnisse der gesamten Programmgestaltung einfließen. Daher ist es richtig,  dass das IOC beschlossen hat, die Unterstützung des Weltrates der Sportwissenschaft um die deutsche Präsidentin Prof. Gudrun Doll-Tepper für die Programmgestaltung einzuholen.

Darüber hinaus kommt es jetzt auch für die deutschen Vertreter der Spitzenverbände in den internationalen Gremien mit ihrer ganzen Kompetenz, ihrer Wirkungskraft sowie ihrem Durchsetzungsgeschick darauf an, alles dafür zu tun, dass dort die richtigen Akzente gesetzt werden. Ihr Einfluss zum Wohle der Jugendarbeit ist nun gefragt!

Auch der Nachwuchsleistungssport wird mit den Olympischen Jugendspielen eine neue interessante und internationale Dimension erhalten. Und das ist gut so! Jugendliche suchen die internationale Herausforderung, haben die Welt in ihrer ganzen Vielfalt in ihre Lebensperspektiven weitreichender integriert, als es noch vor wenigen Jahren üblich war. Begegnung, Austausch und Erleben haben einen enorm hohen Stellenwert in der Lebenswirklichkeit der heutigen Jugend. Warum in diesem Zusammenhang nicht auch im Sport -  gerade der Sport sollte hier immer am Ball bleiben und der Jugend innovative Foren bieten, da nicht jede oder jeder an Olympischen Spielen teilnehmen kann.

Was spricht also dagegen, dass sich jugendliche Leistungssportlerinnen und – sportler in einer übergreifenden internationalen Veranstaltung ein Forum schaffen, um so die eigenen Vorstellungen vom Sport im Allgemeinen und als auch vom Leistungssport im Besonderen gemeinsam zu entwickeln und somit ihre Gestaltungskraft für eine zukünftige, weltweite Sportentwicklung („neu“) zu entdecken?

Alles, was dort erreicht wird, da können wir sicher sein, wirkt  sich sehr positiv auf die internationale Gemeinschaft aus, auch weit über den Sport hinaus.

Die Jugendlichen sollen sich aber nicht für die  Organisation der Olympischen Jugendspiele durch das IOC und den jeweiligen nationalen Ausrichter einsetzen können, sondern auch für die sportartspezifische Programmgestaltung, die in den internationalen Sportfachverbänden vorgenommen wird. Diese Voraussetzungen sind zu schaffen.

Hier muss frei gedacht und alternativ diskutiert werden,  traditionelle Denkweisen sollten über Bord geworfen werden. Warum  nicht gemeinsame Aktivitäten durchführen? Denkbar ist beispielsweise, länderübergreifende Staffeln in der Leichtathletik oder im Schwimmen durchzuführen. Gemeinsame Trainingscamps würden sicherlich den Horizont der Athleten und Trainer/Betreuer erweitern. Das Olympische Jugendfußballturnier könnte mit jungen Athleten aus allen Kontinenten in gemischten Teams gespielt werden. Warum sollen die Basketballer nicht 3 gegen 3 spielen anstatt 5 gegen 5? Attraktiv für die jungen Menschen ist hier auch die Auszeichnung  für den besten Werfer und Passgeber.

Vielleicht können auch die Tischtennisspieler im Wettstreit gegen die Badmintonspieler antreten, um im und durch den Sport gleiche Erfahrungen auszutauschen.  Sinnvoll erscheint in diesem Zusammenhang sowohl das Einbinden der sogenannten Trendsportarten, wie auch alternativer Wettkämpfe und Ergänzungswettbewerbe, die sich hervorragend aus den etablierten Sportarten entwickeln bzw. ableiten lassen.

Gerne denke ich in diesem Zusammenhang an das Deutsche Turnfest. Dies ist mit seinen vielen positiven Facetten doch beispielhaft zu nennen. Warum sollten die Olympischen Jugendspiele sich nicht diesen Alternativen öffnen und sich so zu einem „Welt-Jugend-Festival des Sports“ entwickeln?

Dies stellt jedoch hohe Anforderungen an alle handelnden Personen; an die Verantwortlichen im IOC, diejenige, die die Veranstaltungen planen, organisieren und durchführen, und diejenige, die in den internationalen Sportfachverbänden die sportliche Programmgestaltung in die Hand nehmen.

Die Deutsche Sportjugend wird in diesem Zusammenhang die beiden deutschen  „Programm-Macher“, Prof. Gudrun Doll-Tepper und Dr. Klaus Schormann, der die vom IOC eingerichtete Arbeitsgruppe Olympische Jugendspiele leitet,  gerne unterstützen. Wir werden sie mit Ideen füttern und Vorschläge machen, damit das Programm der Olympischen Jugendspiele so zu einem vollen Erfolg werden kann.

Ich bin überzeugt, dass sich die Anstrengungen lohnen werden.  Gerade angesichts der desaströsen Präsentation des Radsports bei der Tour de France, gerade weil wir auch im Hinblick auf andere sportliche Großereignisse, möglicherweise auch auf die Olympischen Spiele in Peking, mit ähnlichen Entwicklungen rechnen müssen, ist es an der Zeit, eine andere Vision für olympische Jugendspiele zu  entwerfen  - und umzusetzen.

Vielleicht besteht ja so, also durch tatkräftiges Mitwirken, die Chance, dass aus Visionen und Träumen eine sportliche, olympische Realität wird und wir ein völkerverbindendes, faires, sauberes „Welt-Jugend-Festival“ im Rahmen der Olympischen Jugendspiele verwirklichen können.

In die Zukunft der Jugend investieren durch Sport!

Ich würde mich darauf freuen!


  • Ingo Weiss, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend
    Ingo Weiss, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend