„Wir bieten mit dem bundesweit einmaligen Netzwerk unserer 91.000 Vereine Unterstützung bei der Integration von Arbeitslosen an. Die integrative Kraft des Sports kann helfen, sich ohne Berührungsängste wieder an die Anforderungen der Arbeitswelt heranzutasten“, “ hatte Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), anlässlich der Unterzeihung eines Partnerschaftsabkommens zwischen DOSB und der Bundesagentur für Arbeit im vorigen Jahr erklärt. „Die Kooperation soll Vereine und regionale Arbeitsagenturen ermuntern, hier alle Chancen zu ergreifen, die der Sport bietet“, hatte Thomas Bach angefügt und mit Hinweis auf die bereits gängige Praxis den Sportkreis Frankfurt am Main als „Musterbeispiel“ erwähnt. Das dicke Lob hörte Roland Frischkorn, der Vorsitzendes des Verbundes der 460 Sportvereine in der Banken-Metropole, natürlich gern. Schon seit 1995 ist der Sportkreis in der Bankenmetropole mit seinen rund 153.000 Mitgliedern engagiert, um sich als große gesellschaftliche Kraft gegen Arbeitslosigkeit zu stemmen, neue Jobs zu schaffen oder Arbeit suchenden Menschen zumindest den Alltag durch Vermittlung sinnvoller Tätigkeiten erträglicher und sinnvoller zu gestalten.
33 Mal neue berufliche Hoffnungen und Perspektiven
In der ersten Etappe wurden binnen acht Jahren über so genannte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) im Zusammenwirken mit der Arbeitsagentur drei Jugendsportzentren in den Frankfurter Stadtteilen Höchst, Sachsenhausen und Rödelheim mit Leben erfüllt. „Im Laufe der Zeit haben wir dort rund 15 Stellen geschaffen“, berichtet Roland Frischkorn. Nachdem diese Häuser in Trägerschaft der Frankfurter Sportjugend „ans Netz“ gingen, geben sie seit dem Jahr 2003 die Basis ab für eine neue Qualität im Ringen gegen Arbeitslosigkeit und für berufliche Perspektiven. Seither wurden in Main-Frankfurt in Kooperation mit der Arbeitsagentur und dem Projekt „Soziale Stadt Frankfurt“ bzw. neu „Aktive Nachbarschaft“ jährlich zwischen 10 und 12 Arbeitslose in neun Monate langen Kursen zu Übungsleitern ausgebildet. Von insgesamt 84 Teilnehmern haben bis dato 33 ihre Ausbildung zum Übungsleiter erfolgreich beendet und die C-Lizenz in der Tasche, darunter waren ein Viertel junge Frauen. Insgesamt 20 Stunden Praxis und ein Tag Unterricht pro Woche stand bzw. steht für die designierten Übungsleiter auf dem Programm. Für den theoretischen Teil sorgt Dozent Tobias Dauner vom Landessportbund Hessen, ausgestellt wird das Zertifikat von der Hessischen Sportjugend. Es handelt sich dabei um eine C-Lizenz Breitensport mit dem Schwerpunkt Kinder und Jugendliche.
„Damit leisten wir als Organisation des Sports mit unseren Möglichkeiten vor Ort einen wichtigen Beitrag im Ringen gegen Arbeitslosigkeit. Das betrachten wir als einen Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung“, unterstreicht Frischkorn. Auch wenn nicht alle Lizenzinhaber anschließend sofort in feste Anstellungsverhältnisse überführt werden können, ist allein „das neue Selbstwertgefühl und die Aussicht auf eine Perspektive“ die Anstrengungen wert. Lieber Übungsleiter statt arbeitslos, lieber aktiv auf dem Sportplatz statt apathisch zuhause herumsitzen, so lautet das Motto, dem sich die der Projektleiter Joachim Czwikla und sein Mitarbeiter Burghard Härtter verpflichtet fühlen. Arbeitsämter weisen ihnen potenzielle Kandidaten für die Übungsleiterausbildung gezielt zu, falls Bewerber sportlich interessiert sind, sich eine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorstellen können und vielleicht auch mit Erfahrungen im Sportverein oder mit Verbindungen dahin aufwarten können. Der Einstieg in einen festen Job sei anschließend „eher schwer“, weiß Jochim Czwickla und führt das Beispiel einer Absolventin an, die inzwischen bei der Ballschule der Frankfurter Eintracht mitwirkt. Ein anderer Absolvent sei bei einer Integrierten Gesamtschule in der Kampfsportabteilung untergekommen, aber ein festes Gehalt sei „eher die Ausnahme“.
Ohne Kooperation mit einem Sportverein keine Übungsleiterlizenz
Nichtsdestotrotz sieht der Projektleiter viele Vorteile: Als lizenzierter Übungsleiter könne man sich Einiges an Geld dazu verdienen. Eventuell auch mit Übungsstunden, die man in mehreren Vereinen abhält – nicht umsonst sieht das Ausbildungsmodell ausdrücklich vor, dass die Übungsleiter nach dem Dreivierteljahr ihrer Ausbildung mit einem Sportverein verbandelt sein müssen, in dem sie das Erlernte praktisch weiterführen und vertiefen können. Ohne diese Kooperation keine Lizenz! Einen wichtigen psychologischen Pluspunkt führt Antun Smetanin ins Feld, der seine Breitensport-Lizenz bereits 2006 erwarb und seither im Jugendsportzentrum Lindenviertel Kinder und Jugendliche in die Geheimnisse des Kampfsports einweiht.
Auch bei den beliebten Mitternachtsfußballturnieren ist der 32-jährige Familienvater nun im Einsatz, der vor seiner Qualifikation zum Übungsleiter längere Zeit arbeitslos gewesen ist. Bis dahin hatte der frühere kroatische Meister im Kickboxen als „Industrietaucher“ gearbeitet und seine Arbeitstage als Hochdruckreiniger in Gullys, Schächten und anderen unzugänglichen Gefilden der Stadt Frankfurt am Main zugebracht. Nun spricht der Vater von Sohnemann Martin (6) und des vier Monate jungen Töchterchens Jana wieder von Perspektiven und guten Aussichten. Als Übungsleiter sei er unter jungen Leuten, werde er gebraucht, leiste etwas Nützliches, könne sich einbringen und werde anerkannt. Immerhin habe er nun eine „halbe Stelle“ und „die Chance auf mehr“, sagt der junge Mann, der 2009 zusätzlich eine Lizenz als Box- und Kraftsport-Trainer erwarb.
Ausbildung zum Sportfachmann als leuchtendes Beispiel
Noch einen Schritt weiter wurde Philipp Herbert von dem Projekt des Sportkreises und der Sportjugend geführt. Beruflich wollte er schon immer etwas mit Sport zu tun haben, gesteht der 22-Jährige. „Auf Umwegen“ habe es dank der speziellen Frankfurter Förderung nun endlich funktioniert. Der mögliche Einstieg in die kleine Installationsfirma des Vaters war für ihn den jungen Mann keine Option. Über das Arbeitsamt bekam er Kontakt zur Frankfurter Sportjugend und zu jenem Ausbildungsmodul, der seit fast sieben Jahren für arbeitslose Menschen die Brücke zu anerkannter, nützlicher Arbeit für Sportvereine und im günstigsten Fall zu einem Job darstellt. Den Übungsleiterschein hat Philipp Herbert nach neun Monaten gründlicher Qualifikation längst in der Tasche. Inzwischen lässt er sich zum Sportfachmann ausbilden.
„Damit werden meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt natürlich viel größer“, sagt der „Pionier“. Roland Frischkorn ist er „sehr dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe“. Immerhin sei es dessen Idee gewesen, den jungen Mann auf diesen Pfad zu führen. Ginge es nach Roland Frischkorn, soll das kein Einzelbeispiel bleiben. Ganz nach der Devise „sportlich gut ausgebildet statt arbeitslos“ sollen demnächst noch weitere Übungsleiter dieses neue Niveau erreichen – falls sie die Voraussetzungen mitbringen. Bei Philipp Herbert, der von kleinauf im Verein dem Fußball nachjagte und heute bei Fortuna Höchst kickt, war dies so. Als „abgebrochener Abiturient“ holte er später den Realschulabschluss nach. Noch relativ jung, durfte er im Herbst 2007 seine Ausbildung zum Sportfachmann beginnen. Das Kaufmännische büffelte er an der Wilhelm-Merton-Berufsschule in Bornheim. Den praktischen Teil absolviert er im Sportjugendzentrum Lindenviertel im Stadtteil Höchst, wo mehr als etwa 120 Jugendliche und junge Erwachsene wochentags und am Wochenende zwischen 11 Uhr und abends bzw. nachmittags zahlreiche Sport- und Freizeitangebote wahrnehmen.
„Da habe ich sogar meinen eigenen PC, mache Trainings- und Ernährungspläne und muss auch ganz praktische Aufgaben in der Buchhaltung bewältigen“, skizziert der Sportfachmann in spe sein Aufgabenspektrum. Im März beginnen für ihn die Prüfungen. Schon jetzt ist er sicher, danach gute berufliche Perspektiven zu haben. Ob in seinem Höchster Ausbildungsbetrieb, ist noch unklar. „Darauf hoffe ich.“ Er könne sich jedoch ebenso gut vorstellen, etwa als Fitnesstrainer ins Ausland zu gehen. Schließlich habe er von Eventmanagement bis Bewegungslehre sämtliche Fächer absolviert und sei für „viele unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten“ bestens berüstet.
Nutzen für Kursteilnehmer und „aktive Nachbarschaft“ gleichermaßen
Da im Rahmen der Übungsleiterausbildung der praktische Part sehr groß geschrieben wird, erweist sich das Model nicht nur für die einzelnen Kursteilnehmer als sehr nützlich, sondern zugleich für viele offene Jugendeinrichtungen im Rahmen des Projekts „Soziale Stadt“ bzw. „Aktive Nachbarschaft“. „Hier schließt sich ganz praktisch der Kreis“, formulieren Joachim Czwickla und Burghard Härtter. Die beiden Männer setzen ihre Schützlinge im Rahmen der Qualifikation zu Übungsleitern vor allem dort ein und gehen da mit ihnen hin, wo im Rahmen der „sozialen Stadt“ Projekte der offenen Kinder- und Jugendarbeit geradezu nach inhaltlicher Unterstützung durch den Sport dürsten. Aktiv sind die designierten Übungsleiter zum Beispiel in Frankfurter Stadtteilen wie Zeilsheim, Rödelheim-West und Sindlingen, die erst jüngst in das kommunale Programm „Aktive Nachbarschaft“ aufgenommen wurden. Die spezielle Qualifikation der Übungsleiter ist also nicht zufällig unter dem Dach desselben städtischen Programms angesiedelt. „Insofern ist es doch logisch, dass wir mit unseren offenen Sportangeboten in genau diese Stadtteile gehen“, sagt Czwickla, der mit seinen Schützlingen derzeit in Frankfurt insgesamt neun offene Sportangebote für Heranwachsende betreut. „In der Römerstadt haben wir sogar eins ausschließlich für Mädchen.“
Erst ein paar Monate alt ist die Kooperation mit dem Jugendklub „Kids“ im Ortsteil Sekbach im Frankfurter Osten. Immer am Freitagnachmittag jagt auf dem Bolzplatz im Huthpark nun eine bunte Truppe dem Fußball nach. Kleinere Jungs wie der neunjährige Amir kicken dann ebenso begeistert wie der sechs Jahre ältere Dogukan. Einige Mädchen wie Laura (11), Fatima (12) und „Kopftuch-Spielerin“ Elif (11) sind stets ebenso dabei wie ein paar Erwachsene aus dem Frankfurter Projekt unter dem Motto „Übungsleiter statt arbeitslos“. Einmal wöchentlich laden die angehenden Übungsleiter den „Kids“-Nachwuchs zum Fußballspiel in den Huthpark ein. Geschwitzt und gejubelt wird dann in gemischten Teams. Mit am Ball sind auch Joachim Czwikla und Burghard Härtter.
„Jetzt sind die Erwachsenen dabei und wir hören auf das, was sie sagen“
Einer der Männer, der mit den Kids begeistert auf Torjagd geht, heißt Jörg Tschirner. Er hat gerade ein Drittel der auf insgesamt neun Monate angelegten Ausbildung absolviert. „Wenn ich fertig bin, würde ich diese Gruppe gern übernehmen. Da ist es doch geht, wenn man die Mädchen und Jungen schon alle gut kennt“, sagt der 20-Jährige, während Elif ihre Arme hochreißt und laut „Tooor“ schreit. Ihre anfängliche Befangenheit, hier einfach mit Jungs und Kopftuch dem Ball nachzujagen, hat das Mädchen nach einem halben Dutzend Trainingseinheiten längst abgelegt. Anfangs kickten um die 12 Kinder mit, jetzt kommen regelmäßig um die 20 mit. „Früher haben wir manchmal alleine Fußball gespielt, aber da gab es oft Streit“, berichtet der 15-Jährige Dogukan. „Jetzt dagegen sind die Erwachsenen dabei und wir hören auf das, was sie sagen.“ Will heißen: Das Fußballspiel just für fun geht weitaus strukturierter vonstatten. „Das ist viel besser als früher“, findet auch ein Junge, auf dessen Trikot in großen Lettern der Name „Drogba“ steht. Leider trifft der Kleine nicht so gut wie sein großes Vorbild. Niemand macht ihm deswegen einen Vorwurf. Heidi Fleps vom Jugendklub „Kids“ hütet diesmal das Tor. Das Fußballangebot sei „in jedem Fall eine Bereicherung“, weiß die Sozialarbeiterin. Die Räumlichkeiten im Klub seien zwar für Billard oder Tischtennis geeignet, aber so ein Nachmittag voller Bewegung an der frischen Luft habe als Ergänzung unserer eigenen Angebote „super gepasst“.