Dabei stellte Vesper heraus: „Sport lebt vom Wettbewerb. Das macht seinen Reiz aus. Man weiß vorher nicht, wer gewinnt. Dass das mit Showelementen verknüpft ist und das damit Geld verdient wird, ist nicht zu bestreiten.“ Zugleich machte er auf der Tagung aber deutlich: „Wahrer Sport braucht die Ware Sport.“ Die Veranstaltung stand unter der Überschrift: „Wie Wirtschaft, Politik, Medien und Medizin den Sport instrumentalisieren.“
Zum Thema „Wahrer Sport braucht die Ware Sport“ hielt Vesper folgendes Impulsreferat:
„Die Überschrift des Panels suggeriert, der Sport sei heute nichts als eine Ware, mit der nach dem Motto gehandelt wird: Wer das meiste zahlt, erhält den Zuschlag.
In der Tat wird das öffentliche Bild des Sports heute geprägt vom kommerzialisierten Sport oder, anders gesagt, vom professionell betriebenen Sport. Dass es sich dabei um einen Wirtschaftsbetrieb handelt und dass es hier neben dem Sport auch um Gewinnmaximierung geht, ist unbestritten.
Aber das ist zwar ein ökonomisch bedeutungsvoller, allerdings trotzdem nur ein kleiner Ausschnitt des Sports in Deutschland. In diesem System bewegen sich hierzulande wenige Athleten/innen – Fußballer, einzelne Handballer und einzelne Tennis- und Eishockeyprofis. Wer noch?
Nehmen Sie unsere Deutsche Olympiamannschaft, die im Sommer in London angetreten ist. Da war kaum eine Handvoll waschechter Profis dabei. Der Großteil der Mannschaft kann vom Sport nicht leben, betreibt ihn auch nicht aus ökonomischen Gründen, sondern aus Leidenschaft. Für diese Leidenschaft müssen wir zusammen mit unseren Mitgliedsorganisationen die Rahmenbedingungen schaffen, damit sie sich entfalten kann.
Mir ist klar, dass diese Leidenschaft hier und heute nicht im Blickpunkt steht. Wir werden über den relativ kleinen Kreis professioneller Sportler sprechen, über Sportarten und Sportevents, mit denen sich richtig Geld verdienen lässt. Denn dieser Teil des Sports steht im Fokus der medialen Wahrnehmung, und ich stelle mich natürlich auch gern dieser Diskussion.
Zu Beginn möchte ich allerdings die Chance nutzen, Ihnen den Sport von seiner anderen Seite näher zu bringen, von unten sozusagen. Denn Profisport ist nicht der Anfang des Sports. Am Anfang steht bei allen Athleten/innen, egal welchen Alters und egal welcher Sportart, die Leidenschaft.
Niemand beginnt seine Karriere aus rein kommerziellen Gründen. Niemand hat die Dollarzeichen einer möglichen Siegprämie vor Augen, wenn er in einem Sportverein seinen Sport ausübt.
Die über 91.000 Sportvereine in Deutschland fördern die jungen Sportler/innen nicht als „Ware“, sondern sie wollen ihnen Werte und Lebensfreude vermitteln, Orientierung bieten. Und sie leisten dabei Dinge, die mit Geld nicht zu bezahlen sind. Also auch der Sport ist ein Gut und keine Ware.
Fast 9 Mio. Menschen engagieren sich freiwillig und ehrenamtlich in unseren Vereinen. 1,85 Mio. Menschen lassen sich auf Positionen und dauerhafte Aufgaben ein. 850.000 davon arbeiten ehrenamtlich auf Vorstandsebene, rund 1 Mio. als Übungsleiter, Trainer oder Platzwarte.
Im Schnitt engagiert sich jeder dieser 1,85 Mio. Ehrenamtlichen 20,1 Std. pro Monat. Das entspricht bundesweit 37,2 Mio. Arbeitsstunden monatlich und, wenn man 15 Euro pro Stunde zugrunde legt, einer jährlichen Wertschöpfung von 6,7 Mrd. Euro.
Einer dieser Menschen ist Klaus Horning, Platzwart des SV Uhlenhorst in Hamburg. Menschen wie Klaus Horning sind die Säulen, ohne die im deutschen Sport nichts ginge. Er ist Platzwart, Tröster und Mädchen für alles. Er steht für den Wert des Ehrenamtes und für den Wert des Sports. Einen Wert, den Sie nicht in Geldbeträgen ausdrücken können – auch wenn ich das eben getan habe, um die Dimension des ehrenamtlichen Engagements zu kennzeichnen.
< Das Video zu Klaus Horning können Interessierte am Ende dieser Meldung anschauen >
An diesem Bespiel sehen Sie, was der organisierte Sport in Deutschland leistet. Ich meine: Dies ist der wahre Sport, der in den Medien viel zu selten Beachtung findet, weshalb ich an alle hier im Publikum appelliere, sich dieses Themas verstärkt auch journalistisch anzunehmen.
Es gibt beides, die Ware Sport und den wahren Sport, und beide haben ihre Existenzberechtigung. Denn die Leistungen des wahren Sports sind in großen Teilen nur zu erbringen, weil es auch Erlöse aus der Ware Sport gibt, die für die Finanzierung der gemeinnützigen Arbeit des Sports in den Vereinen und Verbänden unerlässlich sind. Wäre der gemeinnützige Sport allein abhängig von den staatlichen Mitteln, wäre er in seiner ganzen Vielfalt kaum überlebensfähig.
Ähnlich ist es übrigens auch im IOC, das 90 Prozent seiner Einnahmen aus Fernsehgeldern und Vermarktungserlösen über die „Olympic Solidarity“ an die Sportorganisationen (NOC, IF, OCOG) in aller Welt zurückgibt, damit sie ihre Arbeit finanzieren können.
Mir ist wichtig, dass wir bei der kritischen Diskussion über einen kleinen, allerdings ökonomisch mächtigen Ausschnitt des Sports nicht den gemeinnützigen Beitrag des Sports übersehen, den er Tag für Tag leistet, und dass wir außerdem nicht vergessen, dass der Sport immer noch eine der schönsten Nebensachen der Welt ist, dass er faszinieren und begeistern, ja elektrisieren kann und dass er auch den meisten, die hier sitzen, einfach nur Freude macht.“
(Quelle: DOSB)