Was kann der Sport von anderen in der Zivilgesellschaft lernen?

Der Stifterverband hat am 29. Juni 2017 in Berlin seine als „ZiviZ-Survey“ bekannte Analyse der deutschen Zivilgesellschaft vorgestellt. Gudrun Schwind-Gick und Boris Rump befassen sich mit den Ergebnissen aus Sicht des Sports.

Engagement macht stark. Foto: Civil Academy
Engagement macht stark. Foto: Civil Academy

Die Zahlen aus dem Jahr 2016 werden dieses Mal insbesondere dazu genutzt, die Leistungen der Zivilgesellschaft für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung zu untersuchen. In einer späteren Analyse werden zudem die Leistungen der Zivilgesellschaft für eine gute Bildung in Deutschland in den Fokus genommen: Zwei Themenfelder, in denen sich der „zivilgesellschaftliche Akteur Sportverein“ seit langem hervor tut.

Alle, die im Sport arbeiten, wissen, was Vereine leisten, um Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen zu integrieren und wie wichtig die Bildungsleistungen der Sportvereine für eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung sind. Der ZiviZ-Survey gibt uns die Gelegenheit,unsere Gewissheit im Vergleich mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft zu spiegeln und durch einen Blick über die eigenen Grenzen hinweg eine klarere Sicht auf unsere Arbeit zu erhalten.

Was können wir also vom aktuellen ZiviZ-Survey und durch den Vergleich mit anderen lernen? Ein Blick auf die zentralen Ergebnisse des Surveys offenbart einen Trend, der auch durch die Zahlen des Deutschen Freiwilligensurveys (FWS) bestätigt wird: Gemeinnützige Organisationen haben überwiegend einen positiven Zulauf, die Lust der Menschen am Vereinsleben scheint ungebrochen groß. Das „traditionelle Handlungsfeld Sport“ wird mit 22 Prozent weiterhin als größter Organisationsbereich der Zivilgesellschaft bestätigt. Dabei werden die besonderen Leistungen des Sports zur sozialen Integration herausgestellt. Alles paletti für den organisierten Sport könnte man meinen – oder doch nicht?

Bei genauerer Lektüre fällt auf: Die Probleme und Herausforderungen liegen wie immer im Detail. So zeigt der Survey, dass mehr als ein Viertel der Sportvereine über einen Rückgang von Mitgliedern berichten. Darüber hinaus geben sogar 38 Prozent der Vereine an, insgesamt nicht genügend Mitglieder zu haben. Auch wird deutlich, dass in einer bunter und komplexer werdenden Welt auch die Akteure der Zivilgesellschaft vielfältiger werden. Insbesondere gründen sich immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen, die eine gesellschaftspolitische Ausrichtung aufweisen. Diese „jungen Engagementfelder“ verändern auch das Bild der Zivilgesellschaft, die Zivilgesellschaft wird insgesamt politischer. Für uns im Sport stellt sich dabei die Frage, wie sich dieses Engagement auf die Kommunikation zwischen Sport, Politik und Gesellschaft auswirkt. Jedenfalls lohnt es sich, die viel diskutierte „Politikfähigkeit des Sports“ im Auge zu behalten.

Wir lernen aber auch, dass bei aller Ausdifferenzierung der zivilgesellschaftlichen Organisationen die Herausforderungen der Akteure ähnlich sind. Unser bewährtes Analyseinstrument „Sportentwicklungsbericht“ gibt uns schon seit längerem Hinweise über fehlende Ehrenamtliche in den Sportvereinen. Wir stellen beispielsweise fest, dass große – bisweilen existenzbedrohende – Herausforderungen auf die Vereine zukommen, wenn sie nicht genügend Trainer/innen finden. Der ZiviZ-Survey präzisiert diesen Befund. Menschen engagieren sich intensiv, so lange dieses Engagement kurzfristig und projektbezogen ist. Allerdings geht die Bereitschaft – oder auch die Möglichkeit – der Menschen zurück, sich für Leitungsfunktionen und dauerhaftes Engagement zur Verfügung zu stellen.

Die Autoren/innen des ZiviZ-Surveys empfehlen, dass daher besonders die Bedürfnisse kleiner und rein ehrenamtlich geführter Organisationen bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen stärker berücksichtigt werden sollten. Denn diese seien besonders auf die Unterstützung freiwillig Engagierter angewiesen.

Zu ergänzen wäre an dieser Stelle aus der Sicht des Sports: Bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen sollten zukünftig besonders die Bedürfnisse „langfristigen Engagements“ in den Mittelpunkt gerückt werden. Denn – bei aller Wertschätzung für kurzfristiges und projektbezogenes Engagement – können Sportvereine ohne Menschen, die sich langfristig engagieren, nicht existieren.

Wir brauchen diejenigen, die sich beispielsweise zur Verfügung stellen, einen Verein zu leiten. Und wir brauchen auch vor allem diejenigen, die Spaß daran haben, die Kernaufgabe der Sportvereine umzusetzen: nämlich Menschen eine Sportart und die Lust auf Sport zu vermitteln!

Hierbei handelt es sich immer um einen längerfristigen und auch auf Vertrauen basierenden Bildungsprozess, der eben nicht durch kurzfristiges und projektbezogenes Engagement getragen werden kann. Vielleicht liegt genau an der Stelle die Besonderheit des gemeinnützigen Vereinssports in der deutschen Zivilgesellschaft!

(Autoren: Gudrun Schwind-Gick, Boris Rump)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Engagement macht stark. Foto: Civil Academy
    Engagement macht stark. Foto: Civil Academy