Wie haben sich Sportvereine im Osten und im Westen entwickelt?

Wie hat sich 20 Jahre nach der friedlichen Revolution in Deutschland das Sportvereinswesen verändert? Inwiefern unterscheidet sich die Sportvereinslandschaft in Ostdeutschland heute von der in Westdeutschland?

Gibt es eine "Sportvereinigung" in Deutschland seit der Wende? Copyright: picture-alliance
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Kann man im übertragenen Sinne inzwischen sogar von einer „Sportvereinigung“ in Deutschland sprechen? Wer solche oder ähnliche Fragen zu beantworten versucht, kann dazu beispielsweise den neuen Sportentwicklungsbericht 2007/2008 heranziehen. Diese als Buch erschienene Handreichung für Vereine und Verbände, die vom Deutschen Olympischen Sportbund zusammen mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Bonn in Auftrag gegeben und von einem Kölner Forscherteam mit Prof. Dr. Christoph Breuer an der Spitze herausgegeben wurde, basiert auf einer repräsentativen Befragung von Vereinsvorsitzenden aus allen Landesteilen bzw. Landessportbünden Deutschlands. So gesehen trägt der Sportentwicklungsbericht wichtige Informationen aus dem „Innenleben“ der rund 91.000 Sportvereine in Deutschland mit den knapp 24 Millionen Mitgliedern zusammen.

Ein Indiz, wie es um die Akzeptanz des Sportangebotes in den Sportvereinen im Osten und im Westen steht, ist die Ermittlung des Organisationsgrades, nämlich die Anzahl der Bevölkerung (z.B. eines Bundeslandes) im Verhältnis zu der Anzahl der Mitglieder in den dortigen Sport-vereinen. Dieser Organisationsgrad beträgt für ganz Deutschland aktuell 28,99 Prozent: von den rund 82.046.000 Mio. Menschen, die in unserem Land leben, sind derzeit genau 23.771.306 Mitglied in (mindestens) einem Sportverein. Dieser Organisationsgrad lässt sich für die zehn westdeutschen Bundesländer und die sechs ostdeutschen splitten. Dabei zeigt sich, dass die westlichen Bundesländer - für viele sicher nicht ganz überraschend - mit 32,68 Prozent stärker organisiert sind als die östlichen mit zusammen 14,28 Prozent.

Die Differenz zwischen Ost und West ist über die Jahre kleiner geworden: Lag sie im Jahre 1993 noch bei 20,97 Prozent, so liegt der Wert heute bei 18,4 Prozent. Allein in den letzten fünf Jahren ist die Differenz um 0,5 Prozent geschrumpft. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch noch ein ganz anderes Ergebnis aus dem aktuellen Sportentwicklungsbericht: Offenbar nehmen Mitglieder in ostdeutschen Sportvereinen weitaus häufiger (64,18 Prozent) an den sogenannten geselligen (also den nicht-sportlichen) Angeboten des Vereins teil, als dies im Westdeutschland der Fall ist (43,63 Prozent).

Ein genauerer Blick auf die einzelnen Bundesländer von Nord nach Süd und von Ost nach West zeigt, dass es erhebliche Unterschiede gibt, wie stark Sportvereine von der Bevölkerung frequentiert werden: Spitzenreiter sind derzeit das Saarland (39,6 Prozent) vor Rheinland-Pfalz (36,6 Prozent) und Niedersachsen (35,3 Prozent), am Ende einer rein westdeutschen Tabelle liegen mit Bremen (24,29 Prozent) das kleinste Bundesland und mit Nordrhein-Westfalen (28,12 Prozent) das bevölkerungsreichste Bundesland. In Ostdeutschland ergibt sich aktuell eine Streuung von 16,12 Prozent in Berlin (alle Stadtbezirke zusammen) und von 15,64 Prozent in Thüringen am oberen Tabellenrand. Ganz unten in einer solchen Rangfolge liegen Sachsen (13,04 Prozent) und Brandenburg (11,88 Prozent).

Aus der Fülle der vorliegenden Daten des Sportentwicklungsberichtes 2007/2008 lassen sich im Ost-West-Vergleich noch ganz andere Befunde hinzufügen: In Ostdeutschland gibt es prozentual mehr Kaderathleten und Kaderathletinnen pro Sportverein als im Westen, was die stärkere Leistungssportausrichtung bzw. Fördertradition nochmals untermauern dürfte. Andererseits arbeiten Sportvereine im Osten Deutschlands nominell mehr als im Westen mit anderen Institutionen zusammen: Sie gehen beispielsweise auf dem Gebiet des Sports mehr Kooperationen mit Schulen, mit Kindergärten, mit Jugend- und Gesundheitsämtern ein, aber auch mit anderen Sportvereinen und mit Unternehmen aus der Wirtschaft. Ein forsches Fazit zum Schluss: Egal, auf welchem Gebiet und wie genau man die Sportvereinslandschaft im Osten und im Westen auch vermisst - wie „gut“ ein Sportverein ist, zeigt sich in erster Linie daran, wie „gut“ seine Angebote von den Mitgliedern nachgefragt werden, die ihm angehören. Und das sollte schließlich in Bitterfeld und in Bielefeld nicht anders sein als in Magdeburg und in Regensburg.


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