Wie wollen wir Training im Sport gestalten?

Was macht ein kind- und jugendgerechtes Training aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich Autorin Katharina Morlang von der Deutschen Sportjugend.

Die dsj stellt den Schutz und das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Foto: LSB NRW
Die dsj stellt den Schutz und das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Foto: LSB NRW

Als Jugendverband im Sport nimmt sich die Deutsche Sportjugend (dsj) als die Stimme junger Menschen wahr und agiert als Stellvertreterin der Interessen aller jungen Menschen, insbesondere aber auch im gemeinnützigen, organisierten Kinder- und Jugendsport. Sie stellt den Schutz und das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Die dsj prägt, so ist es fest verankert in ihrem Leitbild, das Leistungs- und Gesundheitsverhalten junger Menschen.

Aus diesem Grund ist es notwendig, sich als Jugendverband im Sport permanent die Frage zu stellen: Kümmern wir uns wirklich um alle Kinder und Jugendlichen? Geben wir sowohl den Kindern und Jugendlichen im Freizeit- und Breitensport als auch den Kindern und Jugendlichen im Leistungs- und Spitzensport eine Stimme und setzen uns für ihre Rechte im Sport ein?

Ja, aber nach der DOSB-Konferenz „Schlüsselfigur Trainer/innen“ im Jahr 2016 hat die dsj sich viel systematischer und strategischer dem Thema gewidmet. Sie hat viel dazu recherchiert, was im Kinder-und Jugendtraining unterschiedlicher Sportarten passiert. Insbesondere die Frage, ob die Freude am Sport und an der Bewegung genauso gefördert wird, wie ein ganzheitlicher Trainingsansatz und Beteiligungsmöglichkeiten für junge Sportler/innen, hat die dsj dabei beschäftigt. Bewegung, Spiel und Sport können die sensorische, motorische, kognitive, emotionale und soziale Kompetenz fördern und haben damit Auswirkungen auf die gesamte Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen. Die Realität sieht in den unterschiedlichen Sportarten allerdings sehr differenziert und heterogen aus.

Über einige Interviews und Studien hat die dsj bereits die ersten Erkenntnisse gewonnen: Möglichkeiten zur Entfaltung der Persönlichkeit und Beteiligung am Trainingsplan werden nicht selbstverständlich gegeben. Die Leistung, die zu erbringen ist, steht meist über dem Spaß am gemeinsamen Sporttreiben, was häufig auch zu Unzufriedenheit bei den jungen Sportler/innen und vermutlich auch, wie in Norwegen, zu hohen Drop-Out Quoten führt.

Einseitige, sportartspezifische Trainingspläne stehen häufig vor vielseitigen Bewegungsangeboten, der Förderung des Teamgedankens und vor dem Aufbau emotionaler Intelligenz. Aber nicht nur um erfolgreich spielen zu können, sondern auch um kompetente Sportler/innen mit Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit herauszubilden, sind genau diese Faktoren entscheidend!

Und was brauchen Trainer/innen, um dies bei jungen Sportler/innen fördern zu können? Ein Mindestmaß an pädagogischem Grundverständnis, das die Grundlage für die Kinder- und Jugendarbeit im Sport per se bilden sollte. Ziel ist es nicht, Trainer/innen noch mehr Module und Fortbildungen oder Exkurse zur Pädagogik aufzudrücken, sondern es geht darum, die Zuständigen für die Trainer/innen-Ausbildungen zu sensibilisieren und grundsätzlich Methoden in der Fachausbildung zu entwickeln, die dafür geeignet sind, mit dem Medium Sport Persönlichkeiten und sportliche Talente herauszubilden.

Es geht darum, die Rahmenrichtlinien des DOSB umzusetzen, die sich immer noch nach den Rahmenrichtlinien der Vorgängerorganisation Deutscher Sportbund (DSB) von 2005 richtet, in denen es heißt: „Die/Der Trainer/In (…) kennt und berücksichtigt entwicklungsgemäße Besonderheiten speziell bei Kindern/Jugendlichen (...), kennt und berücksichtigt geschlechtsspezifische Bewegungs- und Sportinteressen, ist sich der Verantwortung für die sportliche und allgemeine Persönlichkeitsentwicklung von Kindern/Jugendlichen bewusst und handelt entsprechend den bildungspolitischen Zielen des DSB, kennt und beachtet den Ehrenkodex für Trainerinnen und Trainer, (…), verfügt über pädagogisches Grundwissen zur Planung, Organisation, Durchführung und Auswertung von Trainingseinheiten (…)“.

Prof. Dr. Ralf Sygusch widmete sich in seiner QuaTro-Studie (2014) der Vermittlung von pädagogischen Kompetenzen in der Aus-und Fortbildung von Trainer/innen im Sportverband. Die ersten Erkenntnisse sind, dass pädagogische Kompetenzen in den Ausbildungen von Trainer/innen nur sehr sporadisch vermittelt werden oder keine bedeutsame Rolle einnehmen.

Darüber hinaus gaben 86 Prozent der befragten Kaderathlet/innen in der Safe Sport Studie (VÖ 2017/2018) an, emotionale Gewalt (z.B. Beschimpfungen, Demütigungen) und 37 Prozent im Kontext des Sports eine Form von sexualisierter Gewalt erfahren zu haben.

Sind das nicht ausreichend Argumente, um sich als Jugendverband in die Vision „Trainer/innen“ einzumischen und zu fragen, ob wir der Zukunft des Sports, den jungen Menschen, im Training gerecht werden? Wir denken schon!

Jugendorganisationen, Spitzenverbände und Landessportjugenden wie -bünde müssen sich zu diesem wichtigen Thema austauschen, um voneinander zu profitieren und Aus- und Fortbildungskonzepte weiterzuentwickeln. Wir sollten uns die Fragen stellen, was junge Menschen brauchen. Was sind ihre Bedürfnisse? Was macht ein kind- und jugendgerechtes Training aus? An welcher Stelle hat ein Training mit gesundem Aufwachsen nichts mehr zu tun? Der dsj-Vorstand hat bereits ein Strategiepapier dazu entwickelt und damit die Wichtigkeit des Themenfeldes für die dsj bestätigt. Auch auf der dsj-Vollversammlung am 26./27. Oktober in Bremen nahmen die Delegierten das Thema im Rahmen eines Workshops positiv und zustimmend auf.

Wir wollen die Jugendorganisationen im Sport dazu ermutigen sich einzumischen, in einen Diskurs mit Fachverbänden zu treten, um Trainer/innen für ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu sensibilisieren. Wir sollten der Gesellschaft und der Welt zeigen, dass der gemeinnützige, organisierte Sport einen guten und sicheren Raum für alle Kinder und Jugendliche bietet, dass die Freude an der Bewegung, ausreichend Raum für Bedürfnisse und Beteiligung im Sport ernst genommen werden!

(Autorin: Katharina Morlang ist Bildungsreferentin im Ressort Jugendarbeit im Sport der Deutschen Sportjugend)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Die dsj stellt den Schutz und das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Foto: LSB NRW
    Jugendliche in der Sporthalle bilden einen Krisen. Foto: LSB NRW