„Wir gemeinsam“ muss das Ziel sein

Richtig verstanden sind Wassersport und nachhaltige Naturqualität keine Gegensätze, doch dazu müssen alle Beteiligten in einen Dialog treten, sagt Autor Thomas Konietzko.

Wassersport bietet ein echtes Naturerlebnis für die ganze Familie. Foto: picture-alliance
Wassersport bietet ein echtes Naturerlebnis für die ganze Familie. Foto: picture-alliance

Gewässer stehen in Deutschland im Fokus vieler gesellschaftlicher Gruppen. Einer besonders hohen ökologischen Bedeutung – insbesondere im Zusammenhang mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt – steht auch ein hoher gesellschaftlicher Wert gegenüber. Gewässer dienen als Transportwege, helfen der Land-, Forst und Fischereiwirtschaft, leisten einen Beitrag zur Energiegewinnung, sie sind aber auch von großer Bedeutung für Tourismus, Sport, Gesundheit und Erholung der Menschen.

Sie sind darüber hinaus Lebensgrundlage vieler seltener Pflanzen, Vögel, Insekten oder anderer Tierarten. Wenn es darum geht, die Rahmen- und Lebensbedingungen weiter zu entwickeln, gilt es also unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen bei den dazu erforderlichen Planungen zu berücksichtigen. Das Ziel ist, sowohl die ökologische Qualität als auch die Lebensqualität zu verbessern.

Die beteiligten gesellschaftlichen Gruppen müssen dabei nicht notwendigerweise konträr zueinander stehen. Richtig verstanden sind Wassersport und nachhaltige Naturqualität keine Gegensätze. Wer sich sportlich aktiv oder zur Erholung auf, im oder auch unter Wasser bewegt, legt in aller Regel großen Wert auf eine ökologisch intakte und landschaftlich vielfältige Natur. Sie bietet neben der eigenen Mobilität auch Raum für Naturerlebnis und Naturbeobachtung.

Das mögliche Miteinander kann aber nur im Dialog und in komplexen Entscheidungsprozessen entwickelt werden. Das wiederum erfordert sehr hohen Einsatz auf allen Seiten. Anders als bei Naturschutzverbänden und -verwaltungen, die dabei ihre originäre Aufgabenstellung wahrnehmen, muss der organisierte Sport die Kraft dazu zusätzlich zu seinen satzungsgemäß im Vordergrund stehenden Aufgaben als Sportorganisation aufbringen. Das verlangt Anstrengungen, die nicht selten an die Kapazitätsgrenzen gehen, die von den Wassersportverbänden aber sehr ernst genommen werden.

Für Regionen und ländliche Räume geht es dabei um viel. Das zeigt einerseits der Blick auf die große Zahl der Befahrungsregelungen, die es schon heute für deutsche Gewässer gibt. Das zeigt aber auch der Blick auf die Gewässerkarte. Für ländliche Räume sind Wasserwege ein wichtiger Teil ihrer Anbindung an zeitgemäße Formen des Naturtourismus. Ihr Erhalt, ihre Pflege und umsichtige Weiterentwicklung muss hier als Teil der Daseinsvorsorge für Dörfer und kleine Ortschaften verstanden werden. Sie dürfen nicht durch unterlassene Unterhaltung abgehängt werden, sondern verdienen unser aller Unterstützung bei ihren Anstrengungen, an einer zeitgemäßen Zukunftsentwicklung teilzuhaben.

Nach vielen Jahrzehnten der Belastung unserer Gewässer hat die Gesellschaft hier außerdem die Chance, den Gewässern einen Teil ihrer ursprünglichen Funktionen als Lebens- und Erlebnisraum zurückzugeben. Betrachtet man die Wünsche und Erfordernisse des Wassersports, dürfte es nicht schwer fallen, dabei zu gemeinsamen Lösungen zu finden. Neben Erhalt und wassersportlicher Nutzbarkeit der Gewässer unterstützt der Wassersport auch die naturnahe Gestaltung der Gewässer, gewinnen sie dadurch doch auch an Attraktivität für den Wassersport. Die mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verfolgte Durchgängigkeit der Gewässer kann dabei gleichzeitig im ökologischen Sinne als auch für den Wander-Wassersport erreicht werden. Sie bietet Chancen für mehr Naturqualität und mehr Naturerlebnis. Das erfordert auch in der Planung einen ganzheitlichen Ansatz.

Nach dem Konzept der WRRL sind nicht einzelne Teilabschnitte zu betrachten, sondern große zusammenhängende Gewässerbereiche. Der Wassersport hat deshalb schon mehrfach vorgeschlagen, einen Sportbootverkehrsplan nach dem Vorbild des Radwegeplans aufzulegen, der die überregionalen Bezüge aufzeigt und örtlichen Akteuren wie Planern Orientierung für ihre Einzelentscheidungen gibt.

Er schafft auch die Grundlage, mehrere naturfreundliche Aktivitäten, wie zum Beispiel das Wandern, Rad- und Bootfahren miteinander zu vernetzen, regionale Übernachtungsangebote einzubinden, und so ein reizvolles Natur-Urlaubsangebot für die ganze Familie zu schaffen. Ein Zukunftsmodell, das auch mit Blick auf den Klimaschutz Sinn macht.

Zurzeit herrscht hier leider oft noch die Kleinstaaterei. Wenn ganzjährige Befahrungsverbote für Kanuten in der Flussmitte enden und im benachbarten Kreis keine Veranlassung für Verbote gesehen werden, ist der Sinn und die Praxistauglichkeit solcher Regelungen nicht zu vermitteln und eine Unterstützung für Naturschutzmaßnahmen nicht zu erwarten. Auch das herkömmliche Denkmodell der funktionalen Raumtrennung (hier Naturschutz, dort Bewegungsraum für den Menschen) muss – zumindest für linienhafte Gewässerstrukturen überdacht werden. Planungen und Entwicklungen für Mensch und Natur müssen künftig besser aufeinander abgestimmt wer-den, um zu verhindern, dass es „den Bach runter“ geht, wie unlängst das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zur Entwicklung der WRRL formuliert hat.

Aber nicht nur einheitliche Planungen sind erforderlich. Es geht auch um die Akzeptanz der wechselseitigen Belange. Solange der Verfassungsrang des Sports in den Landesverfassungen nur als ein unverbindliches Staatsziel behandelt wird, Wassersport als Beeinträchtigung des Landschaftsbildes angesehen wird, solange wird es weiterhin mehr Probleme als Fortschritte geben.

Die positiven Beispiele in allen Teilen Deutschlands zeigen, dass Naturschutz und Natursport gleichzeitig erreichbare Ziele sind. Wenn dies noch häufiger als bisher tatsächlich gelebt wird, wird es nicht schwer fallen, auch in Zukunft weitere gemeinsame Berichte zum Thema „Sport schützt Umwelt“ zu veröffentlichen. Wassersportverbände stehen jedenfalls bereit, dieses „wir gemeinsam“ zum Normalfall werden zu lassen.

(Autor: Thomas Konietzko ist Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes; der Beitrag wurde zunächst als Leitartikel im DOSB-Informationsdienst „Sport schützt Umwelt“, Nr. 125, 2018 veröffentlicht. Die Ausgabe hat das Thema "Wassersport und Gewässersport" als Schwerpunkt.)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder. 


  • Wassersport bietet ein echtes Naturerlebnis für die ganze Familie. Foto: picture-alliance
    Wassersport bietet ein echtes Naturerlebnis für die ganze Familie. Foto: picture-alliance