"Wir wollen etwas hinterlassen"

Değer Akal kennt sich aus mit Verbindungen. Die Leiterin Kommunikation des Mobilfunkanbieters Turkcell Europe über soziales Engagement, den Reiz von Straßenfußball und die Symbolkraft von Weihnachtsbeleuchtung.

Değer Akal begleitet als Leiterin Kommunikation die integrative Turnierserie "Turkcell Europe Cup". (Foto: privat)
Değer Akal begleitet als Leiterin Kommunikation die integrative Turnierserie "Turkcell Europe Cup". (Foto: privat)

Frau Akal, Mobilfunkunternehmen wollen in der Regel hip und cool rüberkommen. Was ist hip und cool am Turkcell Europe Cup? Dort geht es doch mindestens so sehr um Fairness wie um Leistung und Erfolg.

Ich weiß nicht, ob jeder Jugendliche das cool findet. Aber wir wissen, dass wir eine soziale Verantwortung tragen. Es war bei Turkcell schon immer so, dass Corporate Social Responsability (CSR, soziale Unternehmensverantwortung, d. Red.) eine ebenso hohe Bedeutung hatte wie das Inhaltliche, also die Mobilfunkkommunikation. Das gilt für alle Märkte, in denen wir aktiv sind. 

Ihnen ist klar, dass solche Sätze erst mal nach PR klingen.

Natürlich haben Firmen Strategien, wir müssen verkaufen, das ist unser Ziel. Aber als Turkcell wollen wir uns auch in die Gesellschaft einbringen, das ist Teil unseres Selbstverständnisses. Die jährlichen Budgetgespräche sind bei uns so heikel wie in jedem Unternehmen. Aber es geht nie um die Frage, ob wir uns engagieren, sondern immer  darum, was wir dabei noch besser machen können.

International kommunikativ

Değer Akal, des Türkischen und Deutschen ebenso mächtig wie des Englischen und Französischen, studierte einst in Brüssel und Ankara Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen. Später arbeitete sie in verschiedenen Ländern als Medienkorrespondentin für Diplomatiefragen sowie Internationale Wirtschaft und Politik, entwickelte Programminhalte für Funk und Fernsehen, spezialisierte sich auf Multimedia-Journalismus. Zudem war sie als Kommunikationsberaterin für zivile Einrichtungen aktiv, koordinierte Projekte zur Demokratieförderung, Medien- und Pressefreiheit. Seit vier Jahren lebt die Sprecherin von Turkcell Europe in Deutschland. Das Kölner Mobilfunkunternehmen, seit April 2011 am Markt, hatte im Mai rund 300.000 Kunden.


Was ist für Sie der springende Punkt beim Turkcell Europe Cup?

Uns war bei diesem Projekt zweierlei wichtig: Wir wollten nicht nur Jugendliche mit Migrationshintergrund unterstützen, sondern alle, ganz egal, woher sie sozial oder kulturell kommen. Und wir wollten unbedingt, dass Mädchen eingebunden werden ...

… die Regeln bei „Straßenfußball für Toleranz“ belohnen gemischtgeschlechtliche Teams.

Im Management von Turkcell Europe sind wir zu 50 Prozent Frauen, bei unserer türkischen Mutter sind es 30 bis 40 Prozent, und in der gesamten Mitarbeiterschaft etwa 40 Prozent. Wir dachten, wenn wir uns am Beispiel des Fußballs für die selbstverständliche Teilhabe von Frauen einsetzen, kann das eine Botschaft sein für die türkische Community in Deutschland. 

Sind die Themen Sport und CSR und vor allem ihre Kombination typisch für die Konzernstrategie?

Wir sind Hauptsponsor sowohl der türkischen Fußball- und der Basketball-Nationalmannschaft und fördern das Olympiateam der Türkei. Aber wir setzen in der Tat zunehmend soziale Akzente. Zum Beispiel bei „Runners to the Future”, ein Programm, in dem junge Athleten in Individualsportarten wie Schwimmen, Gewichtheben oder Skifahren trainiert werden, es ist in eine Aktion der Vereinten Nationen eingebunden. In einem anderen, relativ kleinen, aber sehr wichtigen Projekt lernen blinde Menschen Rad fahren: Sie bekommen Tandems, vorne sitzt dann ein Guide. 

So eine Strategie kostet weniger Geld, aber sie bringt auch viel weniger Aufmerksamkeit.

Es braucht Zeit, das wissen wir. Wenn wir jetzt etwas unterstützen, sehen wir vielleicht erst viel später einen Effekt. In der Türkei haben wir seit zehn Jahren ein Projekt, das Stipendien an Mädchen vergibt, die nicht auf eine Schule gehen können, aus den verschiedensten Gründen. Wir haben in dieser Zeit 80.000 Mädchen unterstützt! Einige haben inzwischen ihr Studium abgeschlossen und arbeiten bei Turkcell. Beim Turkcell Europe Cup ist uns deshalb auch die Dialogzone sehr wichtig.

Dort besprechen die Mannschaften mit den Teamern Regeln, Fouls, Fairnesspunkte.

Die Jugendlichen müssen Fehler eingestehen oder, wenn sie überzeugt sind im Recht zu sein, ihren Standpunkt verteidigen. Das ist das Gleiche, was täglich im Leben passiert, und was Jugendliche in der Gesellschaft leisten müssen: Verantwortung für sich selbst übernehmen und mit anderen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Bei dem Turnier sehen sie, dass vieles unwichtig wird, wenn man kooperiert, zum Beispiel, ob man aufs Gymnasium oder die Hauptschule geht oder welcher Religion man angehört.

Bleibt die Frage, wie viele Jugendliche im Alltag umsetzen, was sie bei so einem Turnier erfahren.

Es braucht sicher Zeit, bis sich manche Dinge gesetzt haben, das geht uns ja nicht anders: Wenn ich einen Artikel lese, vergesse ich ihn vielleicht gleich. Aber wenn ich zehn Tage später etwas erlebe, das damit zu tun hat, erinnere ich mich daran und stelle eine Verbindung her. Ich glaube, es geht darum etwas zu hinterlassen, einen Wert zu markieren. Diese Jugendlichen werden mitreden in Deutschland, früher oder später. Beim Turnier in Mainz habe ich den Teilnehmern gesagt, dass sie hier sehr viele Möglichkeiten haben, und dass sie diese Möglichkeiten ergreifen sollen, um Fairness in der Gesellschaft zu stärken. 

Turkcell ist ein türkischer Konzern. Inwieweit ist Turkcell Europe teilweise deutsch?

Turkcell Europe GmbH ist eine deutschtürkische Firma, wir kooperieren in Deutschland mit mit der Deutschen Telekom. Aber es geht auch um unsere Philosophie, die Gesellschaft als Ganzes zu sehen. Wir tun Dinge, die die Menschen nicht unbedingt erwarten von einem Unternehmen mit türkischen Wurzeln. Kennen Sie die Weidengasse in Köln?

Nein.

Da gibt es viele türkische Restaurants, aber es leben auch viele Deutsche dort. Im letzten Jahr fehlte das Geld für die Weihnachtsbeleuchtung, wir haben davon erfahren und die Beleuchtung gesponsert. Das hat viele erstaunt und gefreut, weil Weihnachten nun mal sehr wichtig ist in Deutschland. Für uns war das symbolisch: Man kann etwas teilen, auch wenn man einen anderen kulturellen oder religiösen Hintergrund hat.

„Das Leben ist schön, wenn man es teilt“, heißt der Claim von Turkcell auf deutsch. Schon  kitschig, oder?

Es passt auf jeden Fall. Wir sind in neun Ländern aktiv, wir wissen, dass man sich in der Ukraine anders austauscht als in Aserbaidschan oder Deutschland; wir wissen aber auch, wie bereichernd kulturelle Vielfalt sein kann. In der Türkei gibt es viele Religionen und Sprachen, die sich in unserem Unternehmen treffen – Turkcell hat 15.000 Mitarbeiter, das ganze „Ökosystem“ inklusive Agenturen, Zulieferer et cetera umfasst 80.000 Personen. Und hier in Köln haben wir Kollegen deutscher Herkunft, solche mit Migrationshintergrund und wieder andere aus der Türkei. 

Sie waren bei den Turnieren vor Ort. Verlief der Turkcell Europe Cup bisher so, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Ich fand das wirklich toll. Wir haben bei den Turnieren kleine Interviews mit den Jugendlichen gedreht, da konnte man kein einziges Vorurteil oder kulturelles Klischee hören. Es kann sein, dass bei einigen noch etwas in den Köpfen steckt, aber davon war nichts sehen. In einem Interview hat ein Team gerufen „Bonames! Bonames!“. Das ist ein Stadtteil von Frankfurt. Es war schön zu sehen, dass diese jungen Menschen stolz sind auf ihren gemeinsamen Wohnort. 

Wie nehmen Sie die Integrationsdebatte in Deutschland wahr? Gibt sie die Lebensrealität der türkischstämmigen Mehrheit wieder?

Wir sind ein wirtschaftlicher Akteur, kein politischer. Wir können unsere Vision von Gesellschaft präsentieren, nicht mehr und nicht weniger. Wir haben dieses Sponsorship getätigt, weil wir einen Bedarf gesehen haben, die soziale Integration zu fördern – aber so ein Bedarf besteht in jedem Land. Die Hauptsache ist, über die Probleme nicht nur zu reden, sondern einen Beitrag zu ihrer Lösung zu leisten.

(Quelle: DOSB / Das Interview führte Nicolas Richter) 


  • Değer Akal begleitet als Leiterin Kommunikation die integrative Turnierserie "Turkcell Europe Cup". (Foto: privat)
    Değer Akal begleitet als Leiterin Kommunikation die integrative Turnierserie "Turkcell Europe Cup". (Foto: privat)