"Wir wollen unsere Erfahrungen nutzen"

Die AEF – Spanische Weiterbildungsakademie beteiligt sich am DOSB-Projekt GeniAl (Gemeinsam bewegen – Gesund leben im Alter). Der Projektverantwortliche Dr. Artur Kalnins spricht im Interview über den Stand der Dinge.

Projektleiter Dr. Artur Kalnins (Foto: AEF)
Projektleiter Dr. Artur Kalnins (Foto: AEF)

Herr Dr. Kalnins, warum hat sich die Academia für das DOSB-Projekt GeniAl beworben?

Ausschlaggebend für unsere Bewerbung war die Vorerfahrung, die wir durch unser Bildungsprogramm ¡Adentro!® und weitere Projekte und Programme haben. Wir haben damit so gute Erfahrungen gemacht, dass wir zum Thema Bewegung und Gesundheit an dieses Programm anknüpfen wollten. Denn wir wissen ja, dass der Bedarf da ist. Denken Sie nur an die Menschen, die ihr Leben lang am Band arbeiten. Und im Alter tun die Knochen weh.

Was genau ist ¡Adentro!® ?

Es ist ein Multiplikatorenprogramm für spanischsprachige Senior*innen. Die Grundidee wurde bereits in den 80er Jahren entwickelt durch die einfache Frage: Was machen wir eigentlich, wenn wir älter werden? Bei ¡Adentro!® suchen wir Migrant*innen und bilden sie als soziokulturelle Botschafter*innen aus, so dass sie vor Ort in ihren Migrant*innenvereinen Senior*innenarbeit machen können. Wir vermitteln z.B. ein gerontologisches Grundverständnis oder das Wissen, wie man eine Gruppe leitet. Die Themen sind breit gefächert von Sozialrecht und Rentenfragen bis zur gesunden Lebensführung.

Und was hat das nun mit GeniAl zu tun?

Das ist ganz einfach: Wir wollen die Erfahrungen aus diesem Programm nutzen. Wir versuchen einen Transfer von ¡Adentro!®  in die Basis-Bewegungsgruppen. Es gibt bei ¡Adentro!®  jedes Jahr drei Multiplikator*innen-Seminare, die jeweils mit Biographiearbeit beginnen. Biographiearbeit, damit die Menschen ihre eigene Migrationserfahrung und erlittene Diskriminierungen aufarbeiten und eine positive Einstellung zum Alter finden. Danach sucht jede*r Themen, auf die er*sie sich spezialisiert. Durch die Themen Gesundheit, Ernährung und Bewegung haben zum Beispiel zwei Dozenten durch dieses Projekt eine klassische Übungsleiter-Ausbildung gemacht, einer in Tai-Chi, der andere im Seniorentanz.

Das passt ja ideal zu GeniAl

Das finden wir auch. Schon bei der Einführung ins Projekt durch den DOSB haben wir neues Know-How dazubekommen. Zum Beispiel finde ich den Alltags-Fitness-Test, den wir vorgestellt bekommen haben, großartig. Den wollen wir intensiv nutzen.

Was haben Sie bisher im Projekt gemacht?

Wir haben mittlerweile zwei Seminare angeboten, eins zum Auftakt im vergangenen Jahr, bei dem wir die Thematik zunächst einmal vorgestellt haben. Aber bevor wir dann groß weitermachen konnten, hat uns Corona leider mal wieder gestoppt.

Es ging aber trotzdem weiter?

Wir haben eine Arbeitsgruppe speziell für unser Konzept „Bewegungsbotschafter*innen“ eingerichtet. Da ging es um die Basics, z.B. wer arbeitet denn von unseren Kontakten überhaupt im Bereich Senior*innengruppe, wer kann sich das vorstellen, welche Form von Bewegungsübungen kommen in Frage, Wanderungen oder generell Gymnastik oder anderes. Wir brauchen ja Leute mit praktischer Selbsterfahrung, die wir dann fit machen. Fortbildungsinhalte sind dabei z.B., was es für Bewegungs-Möglichkeiten gibt und wie ich es den anderen beibringe. Wir hatten auch einen Psychologen dabei, der das Thema Gruppendynamik sehr gut vermittelt hat.

Und wo stehen Sie jetzt?

Wir haben großes Interesse ausgemacht – aber leider sind wir durch Corona unseren Planungen ein bisschen hinterher. Als wir im März unser zweites Seminar gemacht haben, ist eine unserer wichtigsten Dozentinnen ausgefallen, die eine Senioren-Bewegungsgruppe in Aachen leitet. Das war sehr schade, und deshalb hängen wir in der Umsetzung etwas hinterher. Wir hätten sehr gerne den Alltags-Fitness-Test experimentell in ein, zwei Gruppen getestet, das fiel durch den Ausfall der Leiterin erst mal aus. Aber wir wollen das auf jeden Fall machen.

Und was planen Sie jetzt?

Die Gewinnung von Multiplikator*innen steht natürlich im Vordergrund. Wir überlegen, ob wir den Multiplikator*innen ein kleines Anerkennungshonorar geben, denn wir wollen ein festes Kursprogramm entwickeln. Wir bauen unsere Kontakte weiter aus, zum Beispiel auch zu russischsprachigen Gruppen, auch wenn das wegen des Ukraine-Krieges jetzt gerade sehr schwierig ist. Ziel ist auf jeden Fall für dieses Jahr, weitere verschiedenste Communities anzusprechen und für das Projekt zu begeistern. Wir sprechen alle an, die wir kennen. Wir sind dabei guten Mutes, denn auf der Grundlage unserer gesamten Arbeit haben wir ja Kontakt zu den richtigen Leuten: Ältere, die einen Migrant*innen-Hintergrund haben, sollten leicht Gemeinsamkeiten finden und sich auch für die Fortbildung zu Bewegungsbotschafter*innen interessieren. Dazu haben wir auch Videomaterial entwickelt, das authentisch ältere Migranten*innen zeigt.

Wollen Sie auch Verbindungen zu den Sportvereinen vor Ort schaffen?

Es ist unser Traum, den Menschen Kontakte zu den lokalen Sportvereinen zu vermitteln. Wir wissen ja bisher noch gar nicht, inwieweit es die bereits gibt. Vielleicht geht ja der Opa mit dem Enkel, der im Verein kickt, auf den Sportplatz. So jemanden kann man leicht ansprechen und ihm sagen, der Verein bietet auch für dich etwas Passendes an. Da greifen wir natürlich auch auf unsere ¡Adentro!® -Dozenten zurück, die die Übungsleiter-Ausbildung haben. Wenn die authentisch erzählen, wie sie das für sich entdeckt haben, und die Leute das gut finden, können wir sie begleiten und aufbauen, dass sie vielleicht den gleichen Weg gehen. Damit können wir die vorhandenen Hürden abbauen.   

Wenn Sie sagen „Hürden abbauen“ – was ist dabei wichtig?

Unser Grundsatz ist, dass sich alles in den Gruppen entwickeln muss. Man kann das Projekt anbieten, aber nicht von oben verordnen. Und da haben wir als Organisation einfach große Vorteile, da wir eine Verankerung in viele Migrant*innen-Gruppen haben. Es gibt z.B. Frauengruppen, in denen ältere Frauen sind, auch eine sehr wichtige Zielgruppe. Die können wir einfach leichter ansprechen, wenn sie schon irgendwo organisiert sind. Und so passt das Projekt GeniAl sehr gut in unsere Arbeitsweise. Wir wollen sozusagen das Pflänzchen hegen und pflegen, um es optimal nutzen zu können.

Herr Dr. Kalnins, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ulrike Spitz.


  • Projektleiter Dr. Artur Kalnins (Foto: AEF)