Wissen wird auch für den Sport immer wichtiger – Professor Christoph Breuer im Interview

Angesichts der angespannten Haushaltlage muss der Sport verstärkt seine Bedeutung für die Gesellschaft belegen, erklärt Professor Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln. Er und sein Team von haben im Auftrag des Deutschen Sportbundes und der Landessportbünde die Befragung von fast 4000 Sportvereinen im Rahmen des Sportentwicklungsberichtes durchgeführt. Im Interview gibt Breuer Einblick in die Vorgehensweise und das Potenzial der Untersuchung.

Prof. Christoph Breuer, Sporthochschule Köln
Prof. Christoph Breuer, Sporthochschule Köln

   Der Sportentwicklungsbericht ist eine Weiterentwicklung der Finanz- und Strukturanalysen im Sport (FISAS). Wie sieht die wissenschaftliche Vorgehensweise beim Sportentwicklungsbericht aus? 

 

Christoph Breuer: Aus Sicht der Wissenschaft gibt es beim Sportentwicklungsbericht mehrere Neuerungen. Inhaltlich ist die aktuelle Befragung explizit auf die Organisations- und Politikberatung ausgerichtet. Technisch gesehen nutzt der Sportentwicklungsbericht erstmals die Online-Technik, wodurch die Kosten wesentlich geringer sind. Die Online-Befragung hat auch noch einen zweiten wichtigen Vorteil: Wir kommen wesentlich schneller an die Ergebnisse. In dem Moment, in dem der letzte Verein seine Antworten eingegeben hat, erhalten wir erste Ergebnisse.
Ein weiterer Aspekt ist das Panel-System. Wir wollen die Vereine alle zwei Jahre erneut befragen. Dadurch werden erstmals Veränderungen absehbar.

 


   Welches Potenzial bietet der Sportentwicklungsbericht über die Analyse des Ist-Zustandes hinaus?

 

Christoph Breuer: Das zentrale Potenzial liegt darin, dass der organisierte Sport zu einer wissensbasierten Organisation werden kann. Wissen wird auch für den Sport immer wichtiger. Im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage muss der Sport verstärkt belegen, welche Bedeutung er für die Gesellschaft hat. Zugleich zeigt der Sportentwicklungsbericht welche Informations- und Beratungsangebote der organisierte Sport bereitstellen muss.

 


   Welches sind aus Ihrer Sicht die interessantesten Ergebnisse?

 

Christoph Breuer: Im Bereich des Legitimationswissens, das heißt, in der Dokumentation der gesellschaftlichen Funktion des organisierten Sports, zeigt sich zum Beispiel, dass Ehrenamtliche mit ihrer Arbeit einen Wert von 288 Millionen Euro erstellen. Zudem beschäftigen 34.000 Sportvereine bezahlte Mitarbeiter, 4.200 Sportvereine beschäftigen bezahlte Führungskräfte. Die Relevanz für den Arbeitsmarkt zeigt sich aber auch in den Hartz-IV-Stellen, die acht Prozent der Vereine eingerichtet haben. Weitere 18 Prozent der Vereine planen in Zukunft Hartz-IV-Jobs zu schaffen.
Die Sportvereine werden auch im Hinblick auf die Bereitstellung von Sportinfrastruktur wichtiger. Früher sorgten vielerorts Kommunen für Sportanlagen, heute errichten viele Vereine ihre eigene Infrastruktur und entlasten dadurch die öffentlichen Kassen.
Weitere interessante Ergebnisse des Sportentwicklungsberichts beziehen sich auf den demographischen Wandel. 75 Prozent der Vereine, die davon betroffen sind, gehen aktiv mit dem demographischen Wandel um. Der Sport stellt ein gutes Beispiel dar, wie man mit diesem Wandel umgehen kann.

 

 

   Wie sind es mit dem Informations- und Beratungsbedarf der Vereine aus?

 

Christoph Breuer: In Bezug auf das Handlungswissen werden die Unterstützungsleistungen der Landessportbünde von den Vereinen insgesamt als gut bewertet. Verbesserungsbedarf besteht allerdings Hinsichtlich der Beratungsleistungen für Vereine in puncto Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, Mitgliedergewinnung und –bindung sowie Sportstättenbau und -management.

 

   Welche Möglichkeiten bietet der Sportentwicklungsbericht aus Sicht der Wissenschaft für Sportorganisationen?

 

Christoph Breuer: Ganz generell gilt, dass jede Organisation ein Informationssystem für die optimale Steuerung benötigt. Jedes Unternehmen hat ein solches System. Das Sportsystem wusste bislang nur sehr wenig über sich und kann daher Steuerungsleistungen nur suboptimal erledigen. Wenn man das Sportsystem mit einem Organismus vergleicht, dann haben wir es mit einem unterentwickelten Nervensystem zu tun, unterentwickelt im Hinblick auf die Wahrnehmung und Steuerung von Leistungen und Aktivitäten. Von daher ist der Sportentwicklungsbericht von zentraler Bedeutung.


  • Prof. Christoph Breuer, Sporthochschule Köln
    Prof. Christoph Breuer, Sporthochschule Köln