Zu einem Reformkurs im deutschen Sport gibt es keine Alternative

Der Präsident des Deutschen Sportbundes, Manfred von Richthofen, will die Gründung einer gemeinsamen Dachorganisation des deutschen Sports vorantreiben. Wie der Sportführer in Potsdam erklärte, soll es ab 2006 beispielsweise nur noch eine Kompetenzebene für den Leistungssport geben: für olympische Sportarten, für nichtolympische und auch für den Nachwuchssport.

 

„Die Mehrfach-Zuständigkeiten belasten die Struktur des Spitzensports", sagte von Richthofen. „Die Verschlankung der administrativen Ebenen ist nötig. Heute vergeuden wir Kraft und Zeit in allen möglichen Gremien und Organisationen. Es ist an der Zeit, mit einer Stimme zu sprechen – auch gegenüber der Politik."

 

Schaffung einer gemeinsamen Dachorganisation des deutschen Sports

 

 

Bereits auf dem DSB-Bundestag am 4. Dezember 2004 in Bremen will der Präsident Grundzüge der Schaffung einer gemeinsamen Dachorganisation des deutschen Sports vorstellen. Bis dahin soll eine Kommission mit Vertretern des DSB, des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) für Deutschland und der Stiftung Deutsche Sporthilfe Konzepte über eine Strukturreform der Sportselbstverwaltung erarbeiten. „Ich lege aber auch wert auf außenstehende Fachleute, die Organisationsexperten sind und Interna des Sports kennen", erklärte von Richthofen im Deutschlandfunk. „Dieses Gremium sollte sich an Konzepten aus Ländern wie den Niederlanden, der Schweiz und aus Frankreich orientieren, die bereits diese Dachorganisation haben."

 

 

Der DSB-Präsident sieht als mögliches Zeitfenster, dass das NOK auf seiner Mitgliederversammlung Anfang November 2005 und der DSB auf einem außerordentlichen Bundestag am ersten Dezember-Wochenende 2005 Satzungsänderungen beschließen sollten. Personalfragen müssten bis dahin ausgeklammert werden: „Es geht um die Sache und nicht um die Besetzung von Posten." Von Richthofen legte Wert auf die Feststellung, dass niemand daran denke, das NOK als nationale Vertretung der Olympischen Bewegung und des Internationalen Olympischen Komitees zu zerschlagen. Es sollte sich lediglich eingliedern in die „große Sportgemeinde" und daneben seine originären Aufgaben weiterführen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und der ehemalige IOC-Vizepräsident Thomas Bach haben laut von Richthofen „besonderes Interesse an der angedachten Neuregelung" gezeigt.

 

Keine Kürzung der Steuergelder

 

 

Der stellvertretende Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Peter Danckert (SPD), forderte die Sportfunktionäre von DSB und NOK auf, bereits Ende dieses Jahres Eckpunkte der Strukturreform vorzulegen. „Das muss zügig und effektiv auch gegen vereinzelte Widerstände im Sport gestaltet werden", sagte der Abgeordnete ebenfalls im Deutschlandfunk. Ende 2005 müsste die Fusion von DSB und NOK beschlossen sein. Die Sportpolitiker werden in der Fusionsdebatte „engagiert mitreden", schließlich seien sie „Treuhänder öffentlicher Mittel", erklärte Danckert. Steuergelder für den Spitzensport sollten nicht gekürzt werden; sie könnten nach Schaffung einer gemeinsamen Dachorganisation effektiver für die Athletinnen und Athleten selbst eingesetzt werden.

 

 

Das DSB-Präsidium wird sich erstmals am 10. September mit der Olympia-Analyse beschäftigen und erste Weichenstellungen in Sachen Struktur – diskutieren. „Wir werden uns dabei nach der Beurteilung des Bundesvorstands Leistungssport richten", kündigte von Richthofen an. „Denn im BL sitzen ja hauptsächlich die olympischen Verbandsvertreter." Verallgemeinerungen beim Überdenken der Situation des Spitzensports lehnt der DSB-Präsident ab: „Kleinere Sportarten können nicht verglichen werden mit Leichtathletik oder Schwimmen. Deshalb ist sehr deutlich zu differenzieren."

 

Sportstrukturen auf dem Prüfstand

 

 

Nach den Worten des DSB-Präsidenten steht vor allem die Anzahl der Kaderathleten auf dem Prüfstand. Geklärt werden müsse, ob es zu einer Konzentration in bestimmten Sportarten kommen soll. „Eine wichtige Frage: Gibt es zu viele Bundesstützpunkte? Das ist ja mit Personal verbunden. Verpulvern wir da nicht unnötig Geld?" Untersucht werden sollte zudem, ob von der Trainerschaft methodische Fehler in der Vorbereitung der Olympia-Athletinnen und –Athleten gemacht worden sind.

 

 

Von Richthofen: „Wir müssen das nicht zuletzt in Vorbereitung auf ein Spitzengespräch mit Bundesinnenminister Otto Schily klären. Wir müssen uns aber auch gegenüber den Sportministern der Länder positionieren, die für den Nachwuchsbereich die Verantwortung tragen. Wenn das alles nicht sinnvoll abgestimmt ist, werden wir auch in Zukunft Schiffbruch erleiden."

 

 

Nicht zuletzt stehen präzise Absprachen mit der Stiftung Deutsche Sporthilfe an. Zudem will DSB-Präsident von Richthofen mit Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) ein Gespräch führen, damit es – wie es in Zeitungsberichten schon angedeutet wurde – zu keinen Mittelkürzungen in der Spitzensportförderung kommt. Von Richthofen: „Bei der Bundeswehr sind über 700 Stellen für Soldatinnen und Soldaten verankert. Spitzensportler haben so vorübergehend oder ganz eine berufliche Absicherung. Das sollte so bleiben, darum werden wir Herrn Struck bitten."

 

Wissenschaftliche Beratung für Trainer

 

 

Wie der DSB-Präsident weiter erklärte, müsste die wissenschaftliche Beratung der Trainer gestärkt werden: „Das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) wird eine Schlüsselrolle bei der künftigen Leistungssportentwicklung spielen müssen. Wir fragen uns: Wird es noch zeitgemäß betrieben? Dieses sportwissenschaftliche Institut ist nötig. Die Trainer alleine werden einige Probleme des deutschen Spitzensports nicht lösen können."