Zum Gedenken an Karl-Friedrich Haas

Der 400-Meter-Weltklasseläufer der 50er Jahre aus Nürnberg ist verstorben

Karl-Friedrich Haas nach einem 400-Meter Wettkampf 1951 in Paris. Foto: picture alliance
Karl-Friedrich Haas nach einem 400-Meter Wettkampf 1951 in Paris. Foto: picture alliance

Im Alter von 90 Jahren ist in Nürnberg einer der ersten deutschen Medaillengewinner bei den Olympischen Sommerspielen der Nachkriegszeit verstorben: der 400-Meter-Läufer Karl-Friedrich Haas. Er hatte 1952 in Helsinki mit der deutschen 4x400-Meter-Staffel die Bronzemedaille erkämpft und 1956 in Melbourne auf der Einzelstrecke sogar olympisches Silber.

Auch Silber und Bronze bei Europameisterschaften gewann der 1 Meter 86 große Mittelfranke. Dazu fünf Deutsche Meistertitel. Mit Bestzeiten von 46,2 Sekunden auf seiner Spezialstrecke und 21,0 über 200 Meter ist er in den Annalen verewigt. Gelaufen auf Aschenbahnen, vor rund 70 Jahren!

Karl-Friedrich Haas war ein Lauf-Stilist; Ästhet bis zum letzten Meter der gefürchteten Viertelmeile der Sprinter.

Begonnen hatte er seine Karriere 1947 beim 1. FC Nürnberg in - wie er einmal sagte - „einem Paar ausgelatschten Turnschuhen“ seines Vaters. Bald danach trug er Spikes und wurde zum Leichtathletikidol des Clubs, dessen Helden eigentlich die Fußballer waren, Idole wie Heiner Stuhlfauth oder Max Morlock.

Haas, einer der weltbesten  400-Meter-Läufer der 50er Jahre, „lebte“  von seinem Talent, trainierte nur dreimal in der Woche und „lediglich vor Großereignissen ein bisschen mehr“, schrieb er in seiner Autobiographie „Meine Erinnerungen - Siege und Niederlagen in der Leichtathletik“.

Fast wäre der Feierabendsportler und Amateur mit diesem Minimalprogramm am 29.November 1956 in Melbourne sogar Olympiasieger geworden... „wenn die Strecke noch zehn Meter länger gewesen wäre“. So stark war sein Finish, als er auf den letzten Metern noch die Konkurrenten Ignatjew (UdSSR) und Hellsten (Finnland) distanzierte, nur nicht mehr ganz den Amerikaner Charles Jenkins erreichte.

Doch Karl-Friedrich Haas klagte nicht, war stolz auf Silber und, dass er als Fahnenträger die damalige „Gemeinsame Deutsche Olympiamannschaft“ - aus Ost und West - ins Stadion von Melbourne führen durfte; auch geehrt wurde vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss mit dem Silbernen Lorbeerblatt, der höchsten Auszeichnung des Sports in der Bundesrepublik sowie 1957 vom DLV mit dem Rudolf - Harbig - Preis, gewidmet dem Andenken des „Wunderläufers“ aus Dresden. Dieser war mit seinen 1939 gelaufen 400-und 800-Meter-Weltrekorden (46,0 und 1:46,6) „der Zeit voraus“ geeilt.

Beruflich zeichnete sich der Nürnberger als Maschinenbau-Ingenieur aus: 40 Jahre lang war er in vielen Ländern der Welt für die Siemens AG beim Bau von Kraftwerken in leitender Funktion. Besonders liebte er Brasilien, das er später auch privat bereiste.

Apropos privat! Haas war in erster Ehe mit der erfolgreichen Mehrkämpferin Maria Sturm verheiratet, aus der eine Tochter und der Sohn Christian hervorgingen. Mit den Genen der Eltern wurde dieser ein erstklassiger 100-Meter-Sprinter: sieben Mal Deutscher Meister (Bestzeit 10,16), zweimal WM-Fünfter (Staffel), zweimal Olympiateilnehmer (Halbfinale).

Als Pensionär setzte sich Karl-Friedrich Haas, der Bescheidene, Sensible, dem Werte wie Kameradschaft viel bedeuteten, weiterhin für die Ideale des Sports ein, war viele Jahre in der Deutschen Olympischen Gesellschaft engagiert. 

Schließlich überraschte er Familie und Freunde mit einem ungewöhnlichen, ja fast skurrilen Hobby: er begab sich auf die Spuren sogenannter „Wetzrillen“. Soll heißen, er versuchte den Sinn und Zweck von in den Sandstein Jahrhunderte alter Kirchen, Brunnen und Toren geritzten Rillen und Näpfen zu ergründen. Haas forschte dafür in ganz Europa, veröffentlichte seine Resultate in einem Bibel dicken Buch und kam zu dem Schluss, dass diese kleinen steinernen Relikte versteckte Botschaften darstellten - von  Wallfahrern und Bettlern.

Am 12. August ist Nürnbergs berühmter Leichtathlet nun in einem Senioren-Pflegeheim eingeschlafen, kurz nach seinem 90.Geburtstag. Auf dem legendären Johannisfriedhof hat er seine letzte Ruhestätte gefunden -  wie Albrecht Dürer, Hans Sachs, Veit Stoß.

(Quelle: Klaus Angermann)


  • Karl-Friedrich Haas nach einem 400-Meter Wettkampf 1951 in Paris. Foto: picture alliance
    Karl-Friedrich Haas nach einem 400-Meter Wettkampf 1951 in Paris. Foto: picture alliance