Zwischen den Welten - Fußballspieler, TV-Mann und Entwicklungshelfer Holger Obermann wird 65

Wenn Holger Obermann die Weltkugel dreht, um seine vielen Stationen aufzuzeigen, kann einem ganz schön schwindelig werden, hat einmal ein bekannter Journalist geschrieben. Wie viele Länder es waren, in denen er gearbeitet und gewirkt hat, weiß er selbst nicht mehr genau zu sagen: "Vielleicht 20 oder 25 mögen es sein", was – wie für ihn nicht untypisch – wohl eher tiefgestapelt sein dürfte. An die Zahl seiner Jahre dürften die bereisten Länder dennoch nicht ganz heranreichen, denn am 31.08.2001 wird Holger Obermann – man mag es kaum glauben - 65 Jahre alt.

 

 

 

Schon in den fünfziger Jahren machte er sich als erfolgreicher Oberliga-Fußballer von Concordia Hamburg in der damaligen höchsten deutschen Spielklasse einen Namen. Ein noch größeres Publikum fand er als Sportschau-Moderator. Doch die 25jährige Karriere als Frontmann des einstigen ARD-Fußball- und Quotenrenners sollte nicht die letzte berufliche Herausforderung bleiben.

 

 

 

"Eine phantastische, erlebnisreiche Zeit, an deren Ende ich mich gleichwohl immer öfter bei dem Gedanken ertappte, mich auf einem Jahrmarkt der Eitelkeiten zu befinden, dem ich mich lieber entziehen wollte" bilanziert Obermann, Berichterstatter von zahllosen Bundesligaspieltagen sowie nicht weniger als vier Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften diese wichtige Lebensphase.

 

 

 

Aus dem Entwicklungshilfe-Kurzzeitexperten aus Leidenschaft, der noch zwischen öffentlich-rechtlichen Sendungen und den Entsendungen in Entwicklungsländern pendelte, ist seit mehr als einem Jahrzehnt einer, wenn nicht der Asienexperte des deutschen Sports geworden.

 

 

 

Heute kehrt der Wanderer zwischen den Welten nur noch sporadisch nach Deutschland zurück. Sogar seinen Jubiläumsgeburtstag verbringt er ohne jeglichen Rummel fernab der Zivilisation auf einer kleinen Insel an der Ostküste Malaysias. Verbunden bleibt er der Heimat dennoch: "Für mich war es ein wundervolles Erlebnis, daß Deutschland die Wahl als Austragungsort für die Fußball-WM 2006 gewonnen hat", sagt Obermann und weist auf die gewonnenen Stimmen der asiatischen Delegierten hin: "Klar, dass ich auch deswegen ein wenig stolz auf das Ergebnis war, weil mich Franz Beckenbauer in seine Asien-Delegation berufen hatte, um die Stimmen dieses Kontinents zu erhalten", erinnert er sich.

 

 

 

"Als der direkte WM-Konkurrent und alte Erzrivale England mit seinem Repräsentanten Bobby Charlton auf einer Pressekonferenz im Anschluss an eine entscheidende Sitzung in Kuala Lumpur ankündigte, viele englische Trainer nach Asien schicken zu wollen, konnte ich darauf hinweisen, dass wir schon seit 1974 dort Trainer ausbilden", schmunzelt Obermann.

 

 

 

Seit elf Jahren hilft er selbst im Auftrag des NOK, des DFB oder der FIFA, deren Trainerstab er seit Jahren angehört, in Ländern Asiens beim Aufbau von Sportstrukturen. Bei den durch unterschiedliche Trägerorganisationen, vor allem aber durch das Auswärtige Amt im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik finanzierten Projekten geht es den Partnern in Fernost vordergründig um seinen Rat als Fußballehrer. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf dem Gebiet der Förderung des Kinder- und Jugendfußballs. Sportliche Erfolge erzielte er u.a. mit dem zweifachen Gewinn der Asienmeisterschaft durch Malaysias U-14. "Noch vor den Giganten Korea, Japan oder China", wie Obermann betont.

 

 

 

Doch Obermann war sich auch nie zu schade, das anzupacken, was gerade über den Sport hinaus am notwendigsten war. Und so beschafft er Medikamente, hilft beim Aufbau von Schulen und Sportplätzen, transportiert Ausbildungsmaterial, vermittelt Praktikantenplätze in Europa und sammelt dort Spenden für kommende Maßnahmen ein.

 

 

 

Einen, der unter die Arme greift, wenn Not am Mann ist, zählt er dabei mittlerweile zu seinen Freunden: Franz Beckenbauer. Ganz gleich ob beim Wiederaufbau eines Sportplatzes in einem von einer Sturmflut vernichteten nepalesischen Dorf oder bei der Gründung einer von Obermann initiierten Fußballschule für sozial Schwache in Bangladesh, kein Geringerer als "Kaiser" Franz Beckenbauer hat immer ein offenes Ohr für die Anliegen, die Holger Obermann im Namen der Bedürftigen vorbringt.

 

 

 

Auf großer Bühne sieht man Obermann heute seltener. Doch so positiv er insgesamt auf die erlebnisreiche Zeit bei der ARD und der Sportschau zurückblickt , so wenig bereut er den auf Anregung der Bundesregierung und Vermittlung des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland vollzogenen Schritt zum Fußballreisenden zwischen Afrika und Asien.

 

 

 

Holger Obermann gilt als Institution auf vielen Gebieten. Fußball und Fernsehen zählen sicher dazu. Letztendlich ist es aber wohl sein soziales Engagement, ist es seine Menschlichkeit, die sein an Erfahrungen reiches Leben prägten und gleichzeitig zu dessen roten Faden wurden.

 

 

 

In Kassel geboren und unter schwierigen Bedingungen in der neben Dresden am meisten zerstörten deutschen Stadt aufgewachsen, sieht Obermann in den traumatischen Erlebnissen des Krieges den Ausgangspunkt eines Engagements, das heute Mitmenschen in den Krisenregionen Asiens, die nicht selten wie etwa in Osttimor auch Kriegsgebiete sind, zugute kommt.

 

 

 

Seine Zeit dort hat auch ihn verändert. "Man sieht Dinge plötzlich anders, gelassener und mit Abstand", sagt Obermann. Der Begriff Nachhaltigkeit spielt bei seiner Arbeit immer eine besondere Rolle. "Vom ersten Projekttag kommt es darauf an, gute Counterparts aufzubauen, sie zu fördern und zu fordern, so dass der Abschied des Entwicklungsexperten ein nicht zu großes Loch reißt. Das heißt, sich zurückzunehmen, ohne an Einfluss zu verlieren, aber auf keinen Fall den großen Zampano spielen".

 

 

 

Wer wie er lebt, ständig auf Achse, ständig an der Belastungsgrenze, der muss sich an einem runden Geburtstag auch die Frage nach der Nachhaltigkeit seiner ganz privaten Beziehungen gefallen lassen. Doch Obermann hat auch hier etwas vorzuweisen. Er blickt auf 40 Jahre Gemeinsamkeit mit Frau Barbara zurück, die ihn in den letzten elf Jahren in Asien immer begleitet hat. Mit Ausstellungen in Kuala Lumpur und Kathmandu hat sie sich dort einen "eigenen" Namen als Künstlerin gemacht. Längst auf eigenen Beinen stehen die beiden Kinder der Obermanns. Tochter Helen als Ärztin und Sohn Ingmar als Bauingenieur.

 

 

 

Seine eigene Berufsausbildung hatte einst bei der Hamburger Morgenpost begonnen. Einem Angebot aus Amerika folgte der junge Redakteur nach New York, wo er bei der New Yorker Staatszeitung landete, Sport und Journalistik studierte und als einer der ersten deutschen Fußballer beim späteren Verein Cosmos New York Fußball spielte. Ein Praktikum beim US-Fernsehsender ABC wusste er zu nutzen, um sich auf seine späteren Aufgaben beim Hessischen Rundfunk vorzubereiten. Von 1966 an hielt Obermann dem Sender 21 Jahre lang als Chef vom Dienst die Treue, bevor er noch 4 Jahre lang beim SDR in Stuttgart als Leiter von Sport-Aktuell arbeitete. Insgesamt wohl um die 1000 Reportagen und Filmberichte hat er für die ARD angefertigt, wie er selbst schätzt.

 

 

 

Der Erwerb der DFB-Trainerlizenz, Trainertätigkeiten bei Eintracht Frankfurt, Kickers Offenbach und zahlreiche Fachbücher rundeten seine eigene aktive Karriere als Fußballspieler ab und kommen seiner Tätigkeit heute zugute.

 

 

 

Aus zwei Jahren Nepal, wo er im Auftrag der Bundesregierung Aufbauhilfe leisten sollte und für die er sich von der ARD freistellen ließ, sind nun mittlerweile elf Jahre Asien geworden. Erst Anfang des Jahres 2000 nahm sich Obermann nach Jahren des unablässigen Wirkens eine Auszeit. Doch sein Rat sollte schon bald wieder gefragt sein. Das Projekt Osttimor, in dem er nach dem Bürgerkrieg eine Jugendfußballmaßnahme im Namen des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland und der Willi-Daume-Stiftung startete, forderte erneut seine ganze Kraft – wie so oft ohne Honorar. Im November startet er dort eine neue Ausbildungsmaßnahme.

 

 

 

Zahlreiche Ehrungen zeugen von dem Respekt, der seinem Lebenswerk heute im In- und Ausland entgegengebracht wird. Zu jenen, die der stets bescheidene Obermann erwähnen mag, zählen das Bundesverdienstkreuz erster Klasse und der Georg-von-Opel-Preis. Doch lange hält er sich dabei nicht auf. Das er in Gambia einmal mit Hilfe von Freunden und Sponsoren ein Multifunktionales-Sportfeld für 800 Internatsschüler errichtet hat, hält er für erwähnenswerter. Und das ist nicht die letzte Geschichte, die er zu erzählen wüsste.