Bundeswehr und Leistungssport
Der ehemalige Biathlet und heutige Arzt Jan Wüstenfeld spricht im Interview über seine Erfahrungen mit der "Dualen Karriere" und seine berufliche Laufbahn.

16.12.2009

DOSB PRESSE: Wie haben Sie als früherer Bundeswehr-Athlet die „Duale Karriere“ erlebt?
JAN WÜSTENFELD: Viele Möglichkeiten, Sportliches und Berufliches parallel unter einen Hut zu bringen, waren zu meiner aktiven Zeit noch unbekannt. Die kooperierenden Hochschulen des Sports zum Beispiel gab es damals noch nicht. Für mich als Biathleten war das allerdings nicht so dramatisch. In einer Sportart, die Laufen und Schießen kombiniert, die eine Ausdauersportart ist und bei der man ständig dem Schnee hinterher reist, muss man sich, um Weltklasse zu sein, eindeutig auf den Sport konzentrieren. Insofern staune ich über eine Athletin wie Kati Wilhelm, wie sie nebenher noch den Anforderungen eines Studiums gerecht wird.
DOSB PRESSE: Ihr persönliches Credo als Bundeswehr-Athlet war also: erst der Sport, später die berufliche Laufbahn?
WÜSTENFELD:So ungefähr kann man das sagen. Wobei ich nicht weiß, ob ich bei den heutigen Möglichkeiten, an einer Partnerhochschule des Sports zu studieren, es heute vielleicht schon etwas früher versucht hätte. In jedem Fall ist es so, dass die Bundeswehr für diejenigen Athleten, die lange genug dabei sind, am Ende der Karriere unvergleichliche Bedingungen bereithält. Was die Bundeswehr da bietet, ist sensationell. Ich kenne keinen Arbeitgeber, der da etwas Vergleichbares bietet.
DOSB PRESSE: Ist der Eindruck richtig, dass diese Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und Weiterbildung noch zu wenig bekannt sind?
WÜSTENFELD: Meines Erachtens täuscht dieser Eindruck. Es ist bestimmt nicht so, dass die Sportler das nicht wissen oder es an ihnen an Unterstützung fehlt, um sich genau zu informieren. Meines Erachtens besteht das Problem ein bisschen darin, schon in der Zeit seiner aktiven leitungssportlichen Karriere bei der Bundeswehr darüber nachzudenken, welchen Weg man am Ende der Karriere einschlagen möchte. Einerseits alles dafür zu tun, um Olympiasieger zu werden, und auf der anderen Seite zu überlegen, wie ich die Spielräume des Berufsförderungs-dienstes am Ende der Laufbahn am besten für mich nutzen kann - diese beiden Seiten widersprechen sich einander und schließen sich sogar aus. Objektiv betrachtet wäre es natürlich besser, wenn Spitzensportler sich schon relativ früh Gedanken über ihre beruflichen Perspektiven machten. Neue individuelle Lösungen und Studienangebote, die es zu meiner Zeit noch nicht gab, eröffnen der „Dualen Karriere“ bei den Bundeswehrsportlern dafür heute ganz andere Möglichkeiten als zu meiner Zeit als Leistungssportler.
Zur Person: Jan Wüstenfeld, 1975 in Hannover geboren, begann 1982 mit dem Biathlonsport. Der Sportsoldat der Bundeswehr gewann 1997 in Kontiolahti das Weltcup-Sprintrennen. Damit war er qualifiziert für die Olympischen Winterspiele 1998 in Nagano. Dort wurde er im Einzel eingesetzt und lief auf Rang 32. Im Jahr 2000 trat er auch bei den Europameisterschaften in Zakopane an, wurde Vierter im Einzel und gewann Staffelgold. Er studierte bei der Bundeswehr Medizin und arbeitet seit Oktober am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig.