„Die FISU Games werden die internationalen Gäste und die Bevölkerung überraschen“
Ines Lenze und Christoph Edeler bilden die Delegationsleitung für die Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games, die an diesem Mittwoch beginnen. Im Interview sprechen sie über ihre größten Herausforderungen, die Rolle der Spiele für die deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele und die Chance, den Wissenschaftsstandort Deutschland bekannter zu machen.

14.07.2025

DOSB: Bei Olympischen und Paralympischen Spielen gibt es die Chefin oder den Chef de Mission. Ist das vergleichbar mit dem, was ihr tut, oder was sind die Aufgaben einer Delegationsleitung im Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband (adh) in den Monaten vor dem Event und vor allem währenddessen?
Ines Lenze: Da wir in ehrenamtlicher Funktion arbeiten, sind wir erst zu einem späten Zeitpunkt dauerhafter Teil des Teams, werden aber seit Monaten über alles auf dem Laufenden gehalten, was mit der rund 480 Personen starken Delegation zu tun hat, die der adh entsendet. In den vergangenen Wochen haben wir intensiv an dem Aufbau der konkreten Organisationsstrukturen für die „Games-Time“ gearbeitet und Leitlinien für effiziente Zusammenarbeit in unserem Büro- und Organisationsteam festgelegt. Unsere Kernaufgabe während der Spiele würde ich so beschreiben: Mit dem Organisationsteam sind wir die Instanz, die sich um alles kümmert, was nicht sportfachlicher Natur ist. Wir drehen am Tag 1.000 Rädchen, um den Athlet*innen das bestmögliche Umfeld zu bieten, in dem sie sich entfalten und ihre Bestleistung abrufen können – und möglichst keinen Grund haben, um sich ärgern zu müssen.
Christoph Edeler: Natürlich geht es auch um „Trouble Shooting“, das bedeutet, dass wir alle kurzfristig auftretenden Herausforderungen annehmen und zu lösen versuchen. Wir sind die Schnittstelle zwischen dem Team Studi, der neuen Dachmarke des adh für seine Studierenden-Nationalmannschaft, auf der einen und dem Organisationskomitee auf der anderen Seite. Wir sind aber auch das Gesicht des Team Studi: Wir sind dabei, wenn Medaillen gefeiert werden, aber wir unterstützen auch, wenn mal Tränen der Enttäuschung fließen. Darüber hinaus haben wir die aktuellen sportpolitischen Themen im Blick und sensibilisieren und informieren zum Beispiel zu den Themen „Nachhaltigkeit von Sportgroßveranstaltungen“ oder „Studium und Spitzensport“.
Worin unterscheidet sich eine Delegationsleitung bei einem Heim-Event vom eher üblichen Fall eines „Auswärtsspiels“?
Lenze: Als Delegation des Gastgeberlandes haben wir das Selbstverständnis und den Anspruch, uns weltoffen und vielseitig zu zeigen. Wir sind als Delegationsleitung die Repräsentanz nach innen und nach außen, wir unterstützen den adh-Vorstand bei der Betreuung der politischen und internationalen Gäste und gehen viel in den Austausch mit anderen Delegationen. Wir stehen dafür ein, dass die Rhine-Ruhr FISU Games fröhliche und friedliche Spiele werden.
Wie groß ist denn die Delegation, die ihr leitet, genau? Und wie wird so ein Team zusammengestellt?
Edeler: Wir stehen aktuell bei 305 Athlet*innen und 177 Offiziellen, von denen der Großteil ehrenamtlich arbeitet. Die sportfachliche Leitung hat adh-Sportdirektor Thorsten Hütsch und sein Team. Die Athlet*innen wurden auf der Basis von Nominierungskriterien in enger Abstimmung mit den adh-Disziplinchef*innen und dem Spitzensportpersonal der Fachverbände nominiert. In vielen Bereichen – beispielsweise im medizinischen Bereich – begleiten die Ärzt*innen und Physiotherapeut*innen seit Jahren das Team. Sie kennen die Strukturen und setzen sich mit riesigem persönlichem Engagement rund um die Uhr für die Aktiven ein. Dafür sind wir sehr dankbar. Die Zusammenstellung eines solchen Teams, das das Wesen einer Veranstaltung wie die World University Games kennt, ist für den Gesamterfolg extrem wichtig.
Wie schafft ihr es, in einer so heterogenen Gruppe aus 480 unterschiedlichen Menschen ein Teamgefühl zu erzeugen?
Edeler: Das Einkleidungsevent, das wir vor zwei Wochen in Köln bei unserem Ausrüster Craft hatten, war ein sehr guter Auftakt dafür. Eine Stärke des studentischen Spitzensports ist zudem, dass wir zwei Ebenen haben, auf denen man ins Gespräch kommt: Sport und Studium. Diesen Aspekt betonen die Aktiven im Vergleich zu anderen internationalen Top-Events regelmäßig als Besonderheit der FISU Games. Darüber finden sich viele Anknüpfungspunkte. Die Leitungsteams der Teilmannschaften versuchen während der Spiele auch immer wieder, Zusammenkünfte zu organisieren. Außerdem hat das Organisationskomitee an den jeweiligen Standorten sogenannte „Neighbourhoods“ geschaffen, an denen sich die Teilnehmenden treffen und austauschen können. Es wird einige Events geben, zu denen das gesamte Team zusammenkommen kann, zum Beispiel den Deutschen Empfang am 21. Juli im Grugapark in Essen oder bei Medaillenfeiern, von denen wir mehrere planen. So entsteht eine Teamdynamik, und es ist immer wieder toll mitzuerleben, wie sich die Aktiven des Team Studi sportartenübergreifend supporten.
Lenze: Das Konzept mit dezentraler Unterbringung der Athlet*innen ist zwar ein Novum, das auch logistische Herausforderungen mit sich bringt. Aber ich betone gern, dass die Sportstätten, obwohl sie in fünf verschiedenen Städten im Ruhrgebiet liegen, näher beisammen sind als in manch früheren Gastgeberstädten. Darüber hinaus konnten so die Wege zwischen den Hotels und den Venues kompakt gehalten werden. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir ein sehr starkes Gemeinschaftsgefühl erleben werden, egal ob die Wettkämpfe in Berlin oder im Rhein-Ruhr-Gebiet stattfinden. Team-Identifikation kann man nicht erzwingen, aber man kann Anlässe schaffen, dass diese wächst, und das werden wir tun. Und wir haben eine sehr dankbare Zielgruppe.
Anders als in Olympia-Mannschaften gibt es bei World University Games keine Weltstars, die aus einem Team herausragen. Macht es das für die Homogenität einer Delegation einfacher?
Edeler: Tatsächlich habe ich bei den drei FISU Games, die ich bislang begleiten durfte, nie eine Hierarchie im Team wahrgenommen. Ich glaube, eine solche würde auch durch die zweite Ebene, die alle verbindet, nämlich das Studieren, aufgebrochen werden. Wir haben rund 20 Teilnehmende der Olympischen und Paralympischen Spiele im Team. Bei vergangenen Games haben die Nachwuchskader-Athlet*innen es regelmäßig als Bereicherung geschildert, mit den international sehr erfahrenen Aktiven im Team zu sein und von deren Erfahrungen profitieren zu können.
Lenze: Das kann ich mit meiner Erfahrung aus bislang sechs Universiaden nur unterstreichen. Die Kommunikation findet stets auf Augenhöhe statt. Alle sind immer ansprechbar und freuen sich auf Begegnungen. Es gibt im studentischen Spitzensport und im Hochschulsport eine Leichtigkeit im Umgang, die guttut. Das Wichtigste ist, dass sich alle wohlfühlen und ihren Karriereweg, der angesichts der Altersgrenze von 25 Jahren für viele der Aktiven ja erst beginnt, in einem sicheren Umfeld verfolgen können.
Zu einer Sportgroßveranstaltung gehört immer auch ein kulturelles Rahmenprogramm. Wie seid ihr als Delegationsleitung dort eingebunden, und muss ein solches Programm für Studierende anspruchsvoller sein als bei anderen Sportevents?
Edeler: Im Hochschulsport spielt Bildung natürlich eine gewisse Rolle, er hat einen Bildungsauftrag, und das wird bei den Games mit verschiedenen Inhalten gelebt, beispielsweise durch die parallel stattfindende Wissenschaftskonferenz zum Thema „Competing for change: Exploring sustainability and (mental) health through sports“. Mit weiteren Side Events wie Konzerten oder dem Champions Park sind die FISU Games für das Ruhrgebiet auch eine riesige Chance, sich als lebenswerte Region darzustellen, die fernab aller Klischees von Kohle und rauchenden Schornsteinen sehr viel zu bieten hat. Dafür ist es wichtig, dass die internationalen Athlet*innen und Offiziellen auch mit der Bevölkerung vor Ort in Kontakt kommen.
Lenze: Eine Vision des Gesamtkonzepts ist es, die World University Games als bodenständiges, authentisches und fröhliches Event zu gestalten, das nicht wie eine Hochglanzbroschüre daherkommt. Der Sport steht selbstverständlich im Mittelpunkt, aber der Austausch mit den Menschen aus der Region ist immanenter Teil des Konzepts und wird zum Beispiel in Bochum durch die gleichzeitig stattfindenden Ruhr Games unterstützt. Auch an allen anderen Standorten gibt es niedrigschwellige Anlässe für Begegnung von Teilnehmenden der FISU Games und den Menschen, die in der Rhein-Ruhr Region oder in Berlin beheimatet sind.
Für die Universitäten in der Region dürfte vor allem auch die Chance interessant sein, bei jungen Menschen aus dem Ausland aufs Radar zu kommen. Wie lässt sich diese Chance nutzen?
Lenze: Die Hochschulen sind Mitveranstalter der Wissenschaftskonferenz und eingebettet in das Kulturprogramm, sie haben ein großes Interesse daran, mit jungen Menschen aus aller Welt in Kontakt zu kommen, und dafür sind wir als Leitende im Hochschulsport in den vergangenen Jahren sehr aktiv gewesen und haben in NRW genauso wie die Kolleg*innen in Berlin manche Tür geöffnet.
Edeler: Was verbinden internationale Studierende aktuell mit Deutschland? Berlin ist als Hauptstadt mit internationalem Flair bekannt, München vielleicht noch wegen des Oktoberfests. Ich bin überzeugt davon, dass die FISU Games die internationalen Gäste und die Bevölkerung überraschen werden. Über die sportlichen Wettkämpfe und das Kulturprogramm entstehen viele Möglichkeiten zum Austausch. Außerdem haben wir mehr als 10.000 freiwillige Helfer*innen am Start, von denen viele aus den Hochschulen kommen. Auch dadurch werden viele Kontakte entstehen, und das ist eine Chance, Deutschland im Allgemeinen und das Ruhrgebiet im Besonderen als Wissenschaftsstandort ins Gespräch zu bringen.
Ein ganz wichtiger Aspekt dieser Spiele ist, dass sie von manchen als eine Art Blaupause für die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele angesehen wird, um die sich die Region Rhein-Ruhr ja bekanntlich bewerben möchte. Was verändert das in eurer Herangehensweise?
Lenze: Als die Bewerbung für die World University Games angeschoben wurde, war die Region Rhein-Ruhr noch im Rennen um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2032. Die Spiele sind Teil der Nationalen Strategie Sportgroßveranstaltungen, sie sollen unter Beweis stellen, dass wir in Deutschland solche internationalen Multisport-Events ausrichten können. Unser Ansinnen ist aber auch, dass wir die „Weltspiele der Studierenden“ nicht sportpolitisch überfrachten, sondern sie ihren ganz eigenen Charakter beibehalten und genau dadurch positiv wirken. Gerade weil dieses Format in Deutschland vielen noch nicht geläufig ist, wollen wir dieses weiße Blatt nun beschreiben und zeigen, wie eine fröhliche, friedliche und reibungslose Sportgroßveranstaltung aussehen kann. Dennoch denken wir die Olympiabewerbung immer mit und werden alles tun, um ein gutes Bild abzugeben, das am Ende hoffentlich dazu beiträgt, dass Deutschland endlich wieder Gastgeber für Olympische und Paralympische Spiele wird.
Edeler: Ich bin überzeugt davon, dass wir die Region Rhein-Ruhr als eine offene, diverse und lebenswerte Region darstellen können. Ich sehe die Spiele auch als einen guten Test, um unter Beweis zu stellen, wozu wir fähig sind. Wenn uns das gelingt, können wir damit ein schönes Ausrufezeichen hinter die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele setzen.
Als Delegationsleitung werdet ihr in den kommenden Wochen extrem hart arbeiten. Dennoch soll beim Sport auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Worauf freut ihr euch im Rahmen der World University Games am meisten?
Edeler: Ich freue mich, Teil eines Teams zu sein, das ich zusammen mit Ines führen darf. Diese Chance bekommen zu haben, macht mich glücklich und auch ein wenig stolz. Mein Ziel ist, die Sportlerinnen und Sportler so zu unterstützen, dass sie ihre bestmögliche Leistung erbringen können. Wenn ich viele lächelnde Menschen sehe, werde ich am Ende auch mit einem Lächeln nach Hause gehen können.
Lenze: Ich freue mich auf jede einzelne Begegnung in diesem internationalen Kontext. Wir werden arbeiten, bis wir auf der letzten Rille fahren, aber jede einzelne Minute Arbeit kommt dreifach zurück, und dieser Spirit prägt mein Leben sehr positiv. Den jungen Menschen etwas zu geben, das sie positiver abreisen lässt, als sie angekommen sind, ist unsere Mission. Und wenn uns das gelingt, dann bin ich die glücklichste Delegationsleiterin, die es geben kann.
Unsere Interviewgäste
Ines Lenze (47) leitet seit 16 Jahren den Hochschulsport an der Ruhr-Universität Bochum. Im adh ist die Tischtennisspielerin und Rennradfahrerin, die in Münster lebt, seit 25 Jahren ehrenamtlich aktiv. Die Heimspiele in Deutschland, die sie bereits als Mitglied der Bewerbungs-Projektgruppe begleitete, sind ihre siebte Teilnahme an World University Games – und „die Erfüllung eines Traums“.
Christoph Edeler (45) ist in Dortmund ansässig und seit elf Jahren Leiter des Hochschulsports der Technischen Universität Dortmund. Sein Sport ist die Leichtathletik, als Student gewann er bei den australischen Hochschulmeisterschaften in Brisbane mal Bronze im Hochsprung. Drei World University Games hat er bislang als Teil des Organisationsteams und als Leichtathletik-Trainer miterlebt.