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DOSB-Vizepräsident Schneeloch zu den Olympia-Boykott-Forderungen

Mit scharfen Worten hat Walter Schneeloch, DOSB-Vizepräsident und Präsident des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen, auf einer Podiumsdiskussion Wirtschaft und Politik im Hinblick auf einen Boykott der Olympischen Spiele kritisiert.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

24.04.2008

„Die Unterdrückung Tibets existiert schon lange. Zu massiven Interventionen oder auch überzeugenden Protesten hat das auf der internationalen Bühne bislang nicht geführt.“ Die gesamte Weltgemeinschaft, insbesondere die Politik habe komplett versagt. „Politik und Wirtschaft haben sich um des eigenen Vorteils willen feige weggeduckt. Es ist heuchlerisch, dass IOC und die Sportlerinnen und Sportler, die in Peking antreten wollen, gewissermaßen zu Komplizen der chinesischen Führung gemacht werden“, sagte Schneeloch auf der Podiumsdiskussion in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: „Peking 2008. Im Schatten der Ringe.“  

Schneeloch sprach sich deutlich gegen einen isolierten Boykott des Sports aus: „Ein Boykott allein wird die Lage der Tibeter sicher nicht zum Besseren wenden. Wenn Boykott, dann müsste diese Aktion umfassend sein. Das hieße: neben dem Fernbleiben von den Olympischen Spielen müssten die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen eingefroren werden. „Aber zu dieser Solidarität wird es nicht kommen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass selbst ein solcher Gewaltakt nichts zur Erleichterung der Unterdrückten beitragen wird. So ist es folgerichtig, dass so gut wie alle, die professionell mit dem Thema China zu tun haben, eindeutig gegen einen Boykott sind.“ 

Prof. Dr. Heberer: "Konstruktiven Dialog mit Peking suchen"

Ein differenziertes Bild der chinesischen Politik im Hinblick auf die Tibet-Frage zeichnete Professor Dr. Thomas Heberer, Ostasienwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen: „Die chinesische Führung hat zweifellos Recht, dass die Proteste vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele organisiert worden sind und nicht spontan waren. China blendet aber die Kernursachen der Proteste aus und sucht die Schuldigen im Ausland und erklärt, die übergroße Mehrheit der Tibeter sei mit den Verhältnissen zufrieden.“ Sie übersehe die historischen, religiösen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Ursachen der Proteste. Allerdings seien dies keine spezifischen Probleme der Tibeter, sondern aller ethnischen Minderheiten Chinas.  

Es gäbe in China aufgrund historischer Erfahrungen die Vorstellung, dass Instabilitäten im Kleinen Flächenbrände im Großen entzünden könnten, die das Land ins Chaos stürzen und den Zerfall des Landes herbeiführen könnten. Dies führe oftmals zu überhartem Vorgehen der Behörden gegenüber Andersdenkenden. „Wer glaubt, durch massive Proteste und Druck in China etwas verändern zu können, verkennt die reale Lage.“ Professor Heberer empfahl deshalb einen konstruktiven Dialog mit Peking. Tibet sei im übrigen völkerrechtlich keineswegs ein besetztes Land. Kein Staat der Erde habe jemals die Eigenständigkeit Tibets anerkannt, vielmehr sei Tibet für alle Staaten chinesisches Territorium. Die Tibetfrage werde vielmehr als Menschenrechtsfrage begriffen.

Rudertrainer Langusch: "Hilfsbereite und liebenswerte Gastegeber" 

Professor Dr. Winfried Flüchter, Ostasien-Kulturgeograph der Universität Duisburg-Essen, kritisierte scharf die chinesische Politik im Hinblick auf die Pekinger Bauvorhaben im Kontext der Olympischen Spiele: „Das Enteignungsverfahren für die Olympischen Spiele Peking ist kein Fairplay und widerspricht dem Prinzip Olympischer Spiele.“ So kritisiere die in Genf ansässige Nichtregierungsorganisation für Wohnrechte und Vertreibung (COHRE), dass wegen Bauvorhaben im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 1,25 Millionen Menschen zwangsweise umgesiedelt worden seien. COHRE beklage vor allem das Fehlen von geregelten Verfahren im Vorfeld von Umsiedlungen. Die Fristen seien extrem kurz, es gebe keinerlei Mitsprache, der finanzielle Ausgleich sei oft zu niedrig. Zwangsumsiedlungen seien mit Gewaltanwendung verbunden. Insgesamt vollziehe sich in Peking, aber auch in vielen anderen Städten Chinas ein städtebaulicher Wandel in einem Tempo, der in der Geschichte einmalig sei. „Allerdings gibt es auch Beispiele von umgesiedelten Familien, die auf ihre Lage im Internet aufmerksam gemacht haben und Rechtsbeistand eingeholt haben. Sie bekamen dann eine ordentliche Entschädigung. Ein Beispiel dafür, dass sich in China auch Demokratisierungsprozesse abzeichnen.“ 

Eine positive Einschätzung der sportlichen Situation in Peking gab Dietmar Langusch, Bundestrainer Nachwuchs beim Deutschen Ruderverband. Langusch hatte sich mit einem 80-köpfigen Sportler- und Betreuerteam ein Jahr vor den Olympischen Spielen bei der Junioren WM Rudern einen Eindruck „Vor Ort“ verschafft. „Die Organisationsstrukturen, die Wettkampfstätten: alles ist optimal. Wir haben perfekte, liebenswerte und hilfsbereite Gastgeber erlebt. Die Regattastrecke ist die fairste, die ich jemals im weltweiten Vergleich kennengelernt habe.“

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