DSV unterstützt "Null-Toleranz-Politik" des DOSB im Kampf gegen Doping
In der aktuellen Diskussion um die Verschärfung der Gesetzgebung im Kampf gegen Doping hat der Deutsche Skiverband ein Positionspapier vorgelegt, das auch die Auffassung des DOSB-Präsidenten Dr. Thomas Bach unterstützt.

11.08.2006

Das Positionspapier im Wortlaut:
1. Der DSV unterstützt uneingeschränkt die „Null-Toleranz-Politik“ des DOSB beim Kampf gegen alle Formen der Leistungsmanipulation und vor allem gegen Doping.
2. Trotzdem sollte der Ruf nach verschärften gesetzlichen Regelungen, insbesondere nach einem eigenständigen „Anti-Doping-Gesetz“, nicht emotional und plakativ geführt werden. Auch und gerade vor dem Hintergrund jüngster unsäglicher Vorkommnisse, die dem Leistungssport einen noch nicht abschätzbaren Schaden zugefügt haben, muss mit aller gebotenen Seriosität und nüchterner Sachlichkeit reagiert werden. Hierbei darf der Grundsatz der
Einzelfallgerechtigkeit nicht aus den Augen verloren werden. In der derzeit in den Medien geführten Auseinandersetzung werden die schutzwürdigen Interessen und Rechte von Athleten elementar vernachlässigt. Jeder Athlet hat einen Anspruch auf Achtung seiner Grundrechte, darunter besonders der Schutz seines Persönlichkeitsrechts und seiner Berufsfreiheit.
3. Die Bereiche der Organisation und Durchführung von Dopingkontrollen und von Präventionsmaßnahmen sollten allein den Sportfachverbänden sowie den unabhängigen nationalen (NADA) und internationalen (WADA) Anti-Doping-Agenturen überlassen bleiben. Diese gilt es weiter zu stärken und zwar in ideeller wie auch in finanzieller Hinsicht.
4. Hiermit einherzugehen hat der Ausbau der nationalen und internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit. Der DSV hat im Oktober 2004 bereits eine den neuen Anforderungen angepasste Rechts- und Schiedsordnung verabschiedet. Bei Verhängung von Sanktionen ist zu differenzieren zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Kinder unter 14 Jahren sind sanktionsfrei zu belassen. Bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren
kann eine Strafmilderung erfolgen, sofern dies der Erziehungsgedanke rechtfertigt. Eine solche Differenzierung ist bislang weder im WADA- noch im NADA -Code vorgesehen.
5. Derzeit werden Hintermänner und Helfer beim Doping, die nicht einer Verbandsgerichtsbarkeit unterworfen sind, neben dem Betäubungsmittelgesetz nur durch das Arzneimittelgesetz (AMG) erfasst. Nach dessen § 6 a ist es verboten, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden. Die Strafandrohung beträgt bis zu 3 Jahren, bei Anwendung an Jugendlichen bis zu 10 Jahren. Diese Vorschrift gilt es im Hinblick auf neue Erscheinungsformen der Leistungsmanipulation zu aktualisieren. Insbesondere wären der Arzneimittelbegriff auch auf „geeignete chemische
Substanzen“ zu erweitern und bestehende gesetzliche Lücken durch Konkretisierungen und/oder Ergänzungen zu schließen. Hierbei könnte die WADA-Liste der „verbotenen Wirkstoffe“ entsprechend Artikel 4 des WADA-Codes Grundlage der Beratung sein. Der Vorschlag einer verschärften Kennzeichnungspflicht von Medikamenten, die für Doping geeignet
sind, geht in die richtige Richtung.
6. In diesen Deliktsbereichen hält selbstverständlich auch der DSV eine verstärkte staatliche Verfolgung für dringend geboten. Ähnlich wie bei Wirtschaftsdelikten ist auch hier die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften angezeigt.
7. Art. 11.7 des NADA -Codes sieht bereits vor, dass beim Verdacht eines Verstoßes gegen §6 a AMG oder das Betäubungsmittelgesetz die betreffende Person bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen ist. Eine Erweiterung der gegenseitigen Informationspflichten zwischen Sportfachverbänden und Staatsanwaltschaft wäre wünschenswert.
8. Handlungsbedarf besteht bei den nicht unter die Dopingregeln fallenden sogenannten Schutzsperren in einigen Ausdauersportarten. Sie werden bei erhöhten Hämoglobin- und/oder Hämatokritwerten von Athleten durch einige internationale Sportfachverbände verhängt. Hierbei werden überwiegend starre Grenzwerte mit der Begründung zugrunde gelegt, dies erfordere der Gesundheitsschutz des Sportlers. Richtig betrachtet ist eine so begründete
Maßnahme gegen den Willen des Sportlers nicht zu rechtfertigen, zumal die Grenzwerte zwischen den internationalen Fachverbänden stark variieren. Grenzwerte, die nicht geeignet sind Doping von Nicht-Doping zu trennen, sind rechtlich nicht zu begründen. Ob eine unzulässige Grenzwertüberschreitung vorliegt und den Verdacht auf Doping nahe legt, kann nur dann nachgewiesen werden, wenn zuvor die individuellen Grenzwerte jedes einzelnen Athleten unter Berücksichtigung analytischer Toleranzen festgestellt worden sind. Der eigentlichen Dopingproblematik, exogene von endogenen Faktoren zu unterscheiden, kann primär nur durch die Festlegung individueller Grenzwerte begegnet werden. Auf dieser Grundlage hat der DSV einen neuen, detaillierten Regelungsvorschlag dem Internationalen Skiverband, der FIS unterbreitet. Zur Unterstützung der nationalen Fachverbände muss sich
die NADA dieser Problematik unbedingt annehmen.
9. Demgegenüber hält der DSV ein „Anti-Doping-Gesetz“ für nicht angezeigt. Vielmehr ist dem Ruf nach einem „Anti-Doping-Gesetz“ mit dem Ziel einer strafrechtlichen Verfolgung und staatlichen Bestrafung von Sportlern folgendes entgegenzuhalten:
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Bei staatlichen Sanktionen gilt die Unschuldsvermutung. Strafen, Bußgelder etc. können nur ausgesprochen werden, wenn in einem Gerichtsverfahren die individuelle Schuld des Angeklagten nachgewiesen wird. Ein solcher Nachweis ist zumindest
schwierig und langwierig.
Demgegenüber sieht der NADA-Code unter Art. 11.1 und z.B. auch die Rechts- und Schiedsordnung des DSV eine Verschuldensvermutung vor, die der Athlet gegebenenfalls widerlegen muss.
Bei einer doppelten Zuständigkeit wären widersprüchliche Entscheidungen aufgrund dieser unterschiedlichen Anforderungen an den Schuldnachweis mit fatalen Folgen unvermeidlich.
Sowohl das Interesse des Athleten wie auch des Sportbetriebs erfordert möglichst schnell klare Verhältnisse. Dies wäre bei einer staatlichen Ahndung nicht gewährleistet. Dem polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren würde zunächst
ein erstinstanzliches Verfahren vor dem Amtsgericht folgen mit der weiteren Möglichkeit der Berufung zum Landgericht und schließlich einer Revision zum Oberlandesgericht. Während der langen Zeit bis zur Rechtskraft würde weiterhin die Unschuldsvermutung für den Athleten gelten.
Sanktionen der Verbandsgerichtsbarkeit (Disqualifikationen und Wettkampfsperren von 2 Jahren) erfolgen bedeutend schneller und treffen einen Athleten sehr hart. Dagegen erfolgen staatliche Sanktionen viel zu spät und erweisen sich, da nur Geldstrafen
oder allenfalls Bewährungsstrafen zu erwarten sind, als stumpfes Schwert.
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