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Ein kraftvolles Zeichen für den Zusammenhalt der Sportfamilie

Am vergangenen Wochenende gedachte Makkabi Deutschland nicht nur der Opfer des Olympia-Attentats von München 1972, sondern machte sich auch Mut für das Nachholen der wegen der Sicherheitslage in Israel abgesagten Maccabiah.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

08.07.2025

Menschen vor einer Leinwand
130 jugendliche Athletinnen und Athleten waren bei der Gedenkzeremonie in Berlin engagiert dabei.

Eindrucksvolle Reden wurden gehalten am Sonntagabend auf der Terrasse des Landessportbundes Berlin an der Jesse-Owens-Allee, dem Anspruch einer feierlichen Gedenkzeremonie gänzlich angemessen. Aber irgendwie war es ein Zeichen voller Hoffnung und Symbolkraft, das den meisten Applaus nicht einer der Erwachsenen für seine wohlgesetzten Worte einheimste, sondern die jüngste Sportgruppe, die Makkabi Deutschland zu bieten hat. Die vier bis zwölf Jahre alten Mädchen rührten die rund 200 Gäste mit ihrer Darbietung in Rhythmischer Sportgymnastik zu Jubelstürmen und schafften es ganz ohne Hintergedanken, den Fokus auf das Wesentliche zu lenken: Dass bei aller verständlichen Betroffenheit, bei aller nachvollziehbaren Wut und Trauer nicht das in Vergessenheit geraten darf, was die mehr als 28 Millionen Mitgliedschaften in rund 86.000 Sportvereinen in Deutschland im Allgemeinen und die rund 10.000 Aktiven in 40 bundesweiten Makkabi-Ortsvereinen im Speziellen zusammenführt: das Sporttreiben.

Am Sonntagabend, an dem das Gedenken der Opfer des Überfalls palästinensischer Terroristen auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München und das gemeinsame Verarbeiten der Verschiebung der für diesen Monat in Israel geplanten Maccabiah im Vordergrund standen, war für den aktiven Sport nur eine Nebenrolle vorgesehen. Das war verständlich angesichts der extrem angespannten Sicherheitslage, in der sich Israel spätestens seit dem Ausbruch des Konflikts mit dem Iran befindet. Am 16. Juni waren deshalb die Weltspiele der jüdischen Sportler*innen auf Juli 2026 verschoben worden.

130 Athlet*innen kamen in Berlin zum Trainingscamp zusammen

Das geplante Pre-Camp fand am vergangenen Wochenende trotzdem in Berlin statt, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Statt einer gezielten Vorbereitung absolvierten rund 130 Athlet*innen ein gemeinsames Trainingslager mit freundschaftlichen Wettkämpfen und Testspielen gegen Berliner Vereine. Und die Gedenkzeremonie für die Opfer von 1972, die auch für das Pre-Camp vorgesehen war, konnte stattfinden, was Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, als richtige Entscheidung einordnete. „Wir konnten ein Zeichen dafür setzen, dass wir zusammenstehen“, zog er als Fazit der Veranstaltung.

Begonnen hatte die Zusammenkunft, die von Makkabi-Präsidiumsmitglied Mike Samuel Delberg einfühlsam moderiert und von der Projektgruppe „Lebensmelodien“ des Landesmusikgymnasiums Rheinland-Pfalz musikalisch herausragend untermalt wurde, mit einer kraftvollen Rede Meyers. Dieser erinnerte nicht nur an die zwölf Opfer des Attentats – elf israelische Sportler und ein deutscher Polizist –, sondern schilderte auch die drastischen Vorkehrungen, die jüdische Einrichtungen im Deutschland des Jahres 2025 treffen müssen. „Das Erste, was ich unseren jungen Sportlerinnen und Sportlern sagen musste, war die Aufforderung, über die Veranstaltung nichts in den sozialen Medien zu posten, das Gelände niemals allein zu verlassen und nichts zu tragen, was auf ihr Jüdischsein hinweist“, sagte er.

  • Alon Meyer lächelt

    Wir haben aus unserer Vergangenheit gelernt: Uns zurückzuziehen hat uns damals nicht gerettet und wird uns auch diesmal nicht retten. Statt leiser müssen wir lauter werden!

    Alon Meyer
    Präsident
    Makkabi Deutschland

    Die Tatsache, dass neben dem speziellen Makkabi-Sicherheitsdienst auch ein zweistelliges Polizeiaufgebot im Schatten des Olympiastadions Dienst schieben musste, unterstreicht die abstrakte Bedrohungslage ebenso wie der Fakt, dass dieser Text erst mit Sperrfrist Dienstag, 15 Uhr, erscheinen durfte, nach Abreise der gesamten Delegation. Bittere Realität jüdischen Alltags. Dennoch appellierte Alon Meyer eindrücklich daran, mutig zu bleiben. „Wir haben aus unserer Vergangenheit gelernt: Uns zurückzuziehen hat uns damals nicht gerettet und wird uns auch diesmal nicht retten. Statt leiser müssen wir lauter werden!“

    Der Unterstützung der deutschen Sportgemeinschaft dürfen sich die Makkabäer*innen dabei ebenso sicher sein wie jener der demokratischen Parteien. Omid Nouripour von den Grünen, in Irans Hauptstadt Teheran geborener Vizepräsident des Deutschen Bundestags und seit Jahren Freund und Unterstützer von Makkabi Deutschland, erinnerte an dessen Ausrichtung, „Menschen aller Konfessionen über den Sport zusammenzubringen und damit Hass und Hetze zurückzudrängen.“ Christiane Schenderlein (CDU), von Bundeskanzler Friedrich Merz mit dem neu geschaffenen Amt der Staatsministerin für Sport und Ehrenamt betraut, warnte bei aller berechtigten Kritik am Vorgehen Israels im Gaza-Streifen und im Iran vor einer Täter-Opfer-Umkehr. „Antisemitismus wird lauter, dem müssen wir uns mit aller Stärke entgegenstellen. ‚Nie wieder‘ ist keine Floskel, sondern ein Auftrag“, sagte sie.

    Seit 60 Jahren diplomatische Beziehungen zwischen Israel und Deutschland

    Daniel Botmann, Geschäftsführer im Zentralrat der Juden in Deutschland, strich heraus, dass die Maccabiah zum vierten Mal nicht zum geplanten Zeitpunkt stattfinden kann. „1940 und 1944 wegen Hitler, 2021 wegen Corona und nun wegen der bedrohlichen Sicherheitslage. Wir verstehen, dass es um Leben und Tod geht. Aber dem Wunsch nach Gemeinschaft erteilen wir keine Absage“, sagte er. Anan Zen, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Botschaft Israels in Berlin, hob die seit 60 Jahren bestehenden diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland hervor. „Ich lebe heute in einem Land, das unser größter Feind war und heute unser Partner ist. Unsere Freundschaft ist ein Wunder, das wir schützen müssen. Sie ist ein Zeichen der Hoffnung!“

    Besonders bewegend war die Videobotschaft, die Shaul Ladany für die Veranstaltung aufgezeichnet hatte. Der 89-Jährige, der altersbedingt nicht aus Israel nach Berlin hatte kommen können, ist der letzte noch lebende Zeitzeuge, der sowohl den Holocaust als auch das Olympia-Attentat überstanden hat. Sein Rat an die Jugend: „Sport steht für einen Lebensstil, den wir Juden uns zu Eigen gemacht haben: Gewinner geben nicht auf, Aufgeber gewinnen nicht.“

    • Thomas Weikert

      Bleibt tapfer und willensstark und freut euch darauf, nach dem Ende der Unruhen umso ausgelassener gemeinsam euren Sport und euer Leben feiern zu können. Dass ihr dies unbeschadet und unbesorgt in Deutschland tun könnt, heute und in Zukunft, dafür werden wir als DOSB und ich persönlich mit aller Kraft zu jeder Zeit eintreten.

      Thomas Weikert
      Präsident
      Deutscher Olympischer Sportbund

      Für den regionalen Sport stellte Thomas Härtel, Präsident des gastgebenden LSB Berlin, fest, dass „wir mit Erschaudern sehen, dass in Berlin öffentlich antisemitische Parolen gerufen werden. Über Politik darf diskutiert werden, aber es gibt Grenzen, die wir ganz klar ziehen müssen. Die Opfer von 1972 sollen uns für immer eine Mahnung sein.“ Thomas Weikert, Präsident des DOSB, rief die Makkabi-Gemeinde zu Geschlossenheit und Wehrhaftigkeit auf. „Das Motto der diesjährigen Maccabiah sollte ‚More than ever‘ lauten. Ich bin mir sicher, dass dieses Motto im kommenden Jahr sogar noch ein bisschen besser zu dem Gefühl passt, mit dem ihr nach Israel reisen werdet. Bleibt tapfer und willensstark und freut euch darauf, nach dem Ende der Unruhen umso ausgelassener gemeinsam euren Sport und euer Leben feiern zu können. Dass ihr dies unbeschadet und unbesorgt in Deutschland tun könnt, heute und in Zukunft, dafür werden wir als DOSB und ich persönlich mit aller Kraft zu jeder Zeit eintreten.“

      Die 130 Athlet*innen dankten allen Vortragenden mit einer Aufmerksamkeit, die für eine 120 Minuten dauernde Frontalbeschallung außergewöhnlich war. „Ich habe mich gewundert und umso mehr gefreut, dass es während meiner Rede total ruhig war, obwohl ich der letzte Redner war“, sagte DOSB-Präsident Weikert, nachdem die Gesellschaft im Anschluss an ein Gedenkgebet des Berliner Rabbiners Yehuda Teichtal und den von Makkabi-Präsidiumsmitglied Keren Vogler intonierten Nationalhymnen Israels und Deutschlands zum gemeinsamen Essen ausschwärmte.

      Diejenigen, die von der Verschiebung der Maccabiah am meisten betroffen sind, zeigten sich einerseits höchst verständnisvoll und andererseits ebenso motiviert, im kommenden Jahr mit frischer Kraft anzugreifen. „Die Verschiebung hatte sich ja angebahnt. Als die Nachricht kam, war das zwar trotzdem wie ein Stich ins Herz, aber ich war nicht mehr allzu geschockt“, sagte Noah Gross. Der 17-Jährige ist Fußball-Torhüter bei Makkabi Berlin und hätte in diesem Jahr in Israel noch im Jugendbereich antreten können. „Zum Glück wird die Grenze wegen der Verschiebung ebenfalls verschoben und ich kann auch 2026 noch in der Jugendklasse antreten!“

      Sorge vor angespannter Sicherheitslage wird verdrängt

      Nach dem Abitur, das er in diesem Jahr abgelegt hat, war die Maccabiah für Noah das große Ziel. „Sie ist mehr als Sport, sie ist ein gesellschaftlicher Höhepunkt, um sich mit Jüdinnen und Juden aus aller Welt zu vernetzen. Aber nun werde ich alles geben, in zwölf Monaten noch besser vorbereitet zu sein.“ Die Sorge vor der angespannten Sicherheitslage, die er vor allem seinen Eltern in den Wochen vor der Verschiebung angemerkt hatte, hat Noah selbst zu verdrängen versucht. „Sie verändert nichts und tut mir nicht gut. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt davon, dass wir 2026 das Zeichen setzen, dass wir uns nicht kleinkriegen lassen.“

      Diese Einstellung unterstreichen auch Gregor Peskin, Vorstandsvorsitzender der Makkabi Deutschland Jugend, und seine Co-Vorsitzende Ziporah Hammer. Gregor ist Schwimmtrainer, hat vor drei Jahren seine erste Maccabiah erleben können und wollte in diesem Monat auch selbst noch über 50 Meter Freistil starten. „Unsere jugendlichen Sportlerinnen und Sportler sagen: Wir werden ein Zeichen in die Welt senden, dass Makkabi lebt. Wir lassen uns nicht einschüchtern! Und mit diesem Gefühl sind auch alle nach Berlin gekommen: Zeigen zu wollen, dass wir weiterkämpfen und aufrecht bleiben“, sagte der 20-Jährige, der aus Freiburg stammt und in Mannheim lebt.

      Ziporah, die in der Leichtathletik als Trainerin und Athletin für die Maccabiah eingeplant war, sagte: „Wir haben nun zwölf weitere Monate, um stärker zu werden und mit einem noch besseren Gefühl nach Israel zu reisen. Für uns alle ist es das Größte im Sport, an der Maccabiah teilzunehmen, weil sie es ermöglicht, die Perspektiven zu erweitern. Deshalb werden wir gemeinsam alles daran setzen, das Positive aus der schwierigen Gegenwart zu ziehen, um für die Zukunft daran zu wachsen“, sagte die 24-Jährige, die in Straßburg lebt.

      Das Positive aus der schwierigen Gegenwart zu ziehen, um für die Zukunft daran zu wachsen – das ist eine perfekte Zusammenfassung für das Lebensgefühl, das der bewegende Abend im Kreise der Makkabi-Familie ausstrahlte. Wer an die verbindende Kraft des Sports zu glauben vermag, auch wenn dieser Glaube am 5. September 1972 in München auf so furchtbare Weise erschüttert wurde, der wird auch die zwölf Monate Wartezeit auf die nachgeholte Maccabiah ertragen.

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