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Ein Olympiasieger kehrt auf die Triathlon-Weltbühne zurück

Nach dem Staffeltriumph von Paris musste Lasse Lührs operiert werden. In Hamburg bestreitet er am Samstag sein erstes Weltserienrennen der Saison 2025. Hier blickt er zurück auf das, was der Olympiasieg mit ihm gemacht hat, und voraus auf das, was 2028 kommen soll.

Team Deutschland

07.07.2025

Vier Sportler mit Goldmedaillen
Mit Tim Hellwig, Lisa Tertsch und Laura Lindemann (v.l.) gewann Lasse Lührs (r.) in Paris Olympiagold mit der Triathlonstaffel.

Nicht oft kommt es vor, dass ein Olympiasieger zu einem Rennen antritt, bei dem schon sein Überqueren der Startlinie als Erfolg gewertet werden muss. Lasse Lührs wird dieses Gefühl am kommenden Wochenende erleben. „Ich gehe total entspannt in den Wettkampf. Ich habe nichts zu verlieren, sondern schon gewonnen, wenn ich an der Startlinie stehe“, sagt der 29-Jährige. Und das ist, auch wenn Understatement zu seinem bescheidenen Wesen bestens passen würde, kein bewusstes Kleinreden seiner Fähigkeiten, sondern eine realistische Selbsteinschätzung. Wenn am Samstag um 16.35 Uhr auf dem Alsteranleger am Jungfernstieg das WM-Sprintrennen der Elite-Männer beginnt, ist es für Lasse Lührs der erste Auftritt in der World Triathlon Championship Series (WTCS), seit er in Paris im August 2024 Gold mit der deutschen Staffel gewann.

Wegen einer Haglundferse, einer knöchernen Vorwölbung am oberen, hinteren Teil des Fersenbeins am linken Fuß, hatte sich Lasse Lührs im Oktober einer Operation unterziehen müssen. „Ich hatte schon seit Jahren mit Schmerzen zu tun und habe versucht, vor Paris die Rennen so zu dosieren, dass ich sie im Griff hatte. Aber nach den Spielen waren sie wieder so stark, dass ich mich für den Eingriff entschieden habe“, sagt der 1,81 Meter große Team-Deutschland-Athlet. Es folgte eine lange Zwangspause, zumindest auf der Laufstrecke. „Ich war schon kurz nach der Operation wieder im Kraftraum, konnte aufs Rad, und als nach zehn Tagen die Wunde verheilt war, durfte ich auch sofort wieder schwimmen“, sagt er.

Der Aufbau erfordert schrittweise Anpassung der Belastung

Nur das Laufen, das Lasse Lührs im Paket zu einem Weltspitzen-Triathleten macht, sorgt bis heute für Probleme. „Ich laufe aktuell nur jeden zweiten Tag und komme so auf rund 40 Kilometer die Woche, das sind 20 bis 30 unter dem, was ich normalerweise abspule“, sagt er. Wie lange es dauern wird, bis er seine Olympiaform zurückerlangt hat, kann derzeit niemand sagen. „Ich dachte im Winter, dass ich im Mai wieder rundum fit sein würde. Aber nun muss ich geduldig sein und werde nichts erzwingen, auch wenn es mir manchmal wirklich nicht leicht fällt“, gibt er zu. Aus orthopädischer Sicht sei zwar alles verheilt, der Aufbau der in Mitleidenschaft gezogenen Sehnen jedoch erfordere eine schrittweise Anpassung der Belastung. „Ich bin unserem Verbandsarzt Casper Grim, der mich operiert hat, und meinen Athletiktrainer David Cornely sehr dankbar für ihre Betreuung und dafür, dass sie darauf achten, dass ich nicht übertreibe“, sagt er.

Nach Wettkämpfen in der Bundesliga für seinen Verein SSF Bonn 1905 und im Europacup könnte der Zeitpunkt für das Comeback auf Weltspitzenniveau indes kaum besser gewählt sein. Das Hamburger Rennen, vierte von acht Stationen der WM-Serie sowie zudem am Sonntag (13.50 Uhr) Austragungsort der Staffel-WM, gilt nicht nur unter den nationalen Triathlet*innen als stimmungsvoller Höhepunkt des Rennkalenders. „Hamburg ist immer etwas Besonderes, ich freue mich wirklich riesig, dass ich dort in diesem Jahr schon wieder starten darf“, sagt der Student, der aktuell seinen Master in Wirtschaftswissenschaften macht.

Da er noch keine Punkte für die WTCS-Serie sammeln konnte und in der Weltrangliste auf Platz 182 abgerutscht ist - der Freiburger Henry Graf (23) ist auf Rang 25 der WTCS-Wertung sowie in der Weltrangliste mit Rang 16 jeweils bester Deutscher - benötigte er eine Sondergenehmigung des Weltverbands. „Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diese bekommen habe und nun in Hamburg mitmachen kann“, sagt er. Wunderdinge seien von ihm keine zu erwarten. „Für mich geht es darum, einmal auszutesten, wo ich aktuell im Vergleich mit der Weltspitze stehe. Bis ich wieder auf dem Niveau von Paris bin, wird es noch einige Monate dauern.“

  • Lasse Lührs lächelt

    Die Stunden und Tage nach dem Olympiasieg sind surreal, man wird von einem Termin zum nächsten geschickt und hat keine Minute Zeit zum Reflektieren. Das war eine sehr spannende Erfahrung, aber es war mental auch sehr fordernd.

    Lasse Lührs
    Triathlet
    Staffel-Olympiasieger 2024

    Lasse Lührs sagt diese Sätze ohne Groll. Er hat gelernt, das Positive aus der Leidenszeit herauszuziehen. „So blieb mir mehr Zeit, um nach den wahnsinnig intensiven Tagen von Paris auch mal runterzufahren und den Olympiasieg auf mich wirken zu lassen“, sagt er. Nach der Operation war er einige Wochen in seiner Heimat Wingst (Landkreis Cuxhaven), um sich im Elternhaus pflegen zu lassen, danach verbrachte er zehn Tage komplett ohne Sporttreiben mit seiner Freundin auf Sizilien. „Streng genommen war das mein erster richtiger Urlaub seit 14 Jahren. Seit ich 14 war, habe ich vom Olympiasieg geträumt und darauf hingearbeitet“, sagt er. Als dann in Paris wirklich die Goldmedaille um seinen Hals hing, konnte er das zunächst kaum greifen. „Die Stunden und Tage danach sind surreal, man wird von einem Termin zum nächsten geschickt und hat keine Minute Zeit zum Reflektieren“, sagt er, „das war eine sehr spannende Erfahrung, aber es war mental auch sehr fordernd.“

    Erst als er in seiner Bonner Wohnung zur Ruhe kam, sickerte die Erkenntnis, nun zu den Allergrößten seines Sports zu zählen, langsam ein. Mit ihr machte sich jedoch auch die Realität des Spitzensports breit, die besagt, dass der Erfolg von gestern im Heute schnell verblasst. „Ich werde zwar schon noch erkannt und angesprochen, was vor dem Olympiasieg gar nicht der Fall war. Aber meine Reha habe ich oft allein im dunklen Kraftraum durchgezogen. In diesen Momenten spürt man, dass der Ruhm vergänglich ist“, sagt er. Auch das sagt er ohne Groll, weil einerseits die große Bühne nicht sein Lieblingsort ist und er andererseits auch nicht der Typ ist, der sich auf Erfolgen ausruhen würde.

    Froh sei er gewesen, in Paris mit seinem Staffelteam gemeinsam die Erfahrungen eines Olympiasiegs durchstehen zu können. Zeit, um das Erlebte in der Gruppe zu verarbeiten, blieb jedoch keine. Mit Laura Lindemann (29/Potsdam), aktuell auf Rang 20 des WTCS-Rankings geführt, konnte sich Lasse Lührs zumindest im Winter-Trainingslager in Namibia über Paris austauschen. „Ansonsten sind wir alle unserer Wege gegangen. Wir sind nun mal ein Individualsport, jeder hat seine eigenen Themen, um die er sich kümmern muss.“ Wie Lasse Lührs musste sich auch Tim Hellwig (26/Sankt Ingbert) wegen einer Knieblessur im Februar operieren lassen. Dagegen startete Lisa Tertsch (26/Darmstadt) richtig durch, sie gewann am vergangenen Sonntag das Weltcuprennen in Tiszaujvaros (Ungarn), führt die WTCS-Rangliste aktuell an und will diese Führung in Hamburg ausbauen.

    Lasse Lührs fände Olympische Spiele in Deutschland großartig

    Lasse Lührs hat sich nach den Olympischen Spielen zunächst schwer getan, seine nächsten Karriereschritte zu planen. „Paris waren meine ersten Spiele, darauf habe ich jahrelang hingearbeitet. Aber dieser Prozess endet mit dem Überqueren der Ziellinie. Für alles, was dann kommt, hat man keinen Plan, deshalb war ich fast ein wenig überfordert“, sagt er. Mittlerweile aber hat der gebürtige Niedersachse Los Angeles 2028 fest ins Auge gefasst. „Mit dem Einzelrennen habe ich noch eine Rechnung offen, nachdem es in Paris nur zu Platz 21 gereicht hat. Ich will es in drei Jahren unbedingt besser machen“, sagt er. Mit Interesse verfolgt er zudem den Anlauf des deutschen Sports auf eine erneute Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele. „Auch wenn ich 2036, 2040 oder 2044 nicht mehr als Aktiver dabei sein werde, fände ich Spiele in Deutschland großartig. Paris hat bewiesen, was Olympia für eine Wirkung haben kann. Für die gesamte Gesellschaft wären Spiele in Deutschland ein riesiger Gewinn!“

    Ein solcher ist es auch, dass Lasse Lührs zurück ist auf der Triathlon-Weltbühne. Er wird alles geben in Hamburg, was aktuell möglich ist. Wenn alles (und vor allem er selbst) gut läuft, dann wird er 2028 um den zweiten Goldmoment kämpfen. Und wenn nicht, wäre das kein Grund zu verzagen. Olympiasieger bleibt man schließlich für immer.

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