„Eine tragende Säule der Sportfinanzierung“
DOSB-Generaldirektor Michael Vesper erläuterte auf einer IOC-Konferenz die finanzielle Bedeutung von Sportwetten und Lotterien für den Sport.

14.07.2010

Ende Juni hat sich eine Konferenz des Internationalen Olympischen Komitees in Lausanne mit dem Thema Sportwetten und der Frage befasst, wie die Integrität des Sports geschützt werden könne. Auf dieser Konferenz, zu der Vertreter des IOC, internationaler Sportverbände, staatlicher Stellen, aus der Wettbranche und von Nationalen Olympischen Komitees wie dem Deutschen Olympischen Sportbund geladen waren, stellte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper beispielhaft die Finanzierung des deutschen Sports auch durch Glücksspiel und Wetten vor. Der Vortrag im Wortlaut:
„Sportwetten und Lotterien werfen nicht nur ethische und rechtliche Fragen auf, sondern es geht dabei auch ums Geld. Sie haben für den Sport eine enorme finanzielle Bedeu-tung. In Deutschland bilden sie mit fast 500 Millionen Euro jährlich eine tragende Säule der Sportfinanzierung. Ohne sie könnte der Sport seine bedeutsamen Leistungen für das Gemeinwohl nicht erbringen. Darum ist es existentiell wichtig, diese Mittel für den Sport langfristig zu erhalten und möglichst auszubauen.
Neben den Geldern aus den Glücksspielerträgen sind es vier weitere Quellen, die das ganze Feld des Sports in Deutschland bewässern und dafür sorgen, dass es blüht:
- natürlich erstens die Mitgliedsbeiträge;
- zweitens die Einnahmen aus Vermarktung und Sponsoring, von der Ebene der örtlichen Vereine über die Landesfachverbände bis hin zum Spitzensport in den nationalen Fachverbänden und im DOSB. Hierzu zählen auch die Mittel aus dem IOC-TOP-Programm;
- drittens fließen weitere Drittmitteletwa für konkrete Projekte von Stiftungen oder aus Olympic Solidarity;
- und viertens die Förderung des Staates, die dieser auf allen drei Ebenen, nämlich durch Bund, Länder und Kommunen gibt. Während sich die Kommunen und die 16 Länder überwiegend um den Breitensport, einschließlich des Schulsports, kümmern, zielt der Bund fast ausschließlich auf den Spitzensport. Hier ist es uns gelungen, trotz Finanzkrise und Sparhaushalten seit Gründung des DOSB erhebliche Steigerungen durchzusetzen.
Insgesamt handelt es sich um ein Volumen von mehr als 1 Milliarde Euro, die jährlich in den gemeinnützigen Sport auf allen Ebenen fließen.
Ein kurzer Blick auf den administrativen Haushalt des DOSB, der ja sowohl das Nationale Olympische Komitee für Deutschland ist als auch der Dachverband aller nationalen Fachverbände und aller 16 Landessportbünde mit fast 28 Mio. Mitgliedschaften in 91.000 Vereinen. Er finanziert seine Arbeit in erster Linie aus Vermarktungs- und Spon-soringeinnahmen (42 Prozent), ferner aus Erträgen der Glücksspirale (37 Prozent), einer staatlichen Lotterie, die anlässlich der Olympischen Spiele in München auf Anregung von Willi Daume geschaffen wurde und kürzlich ihren 40. Geburtstag beging, und aus den Beiträgen unserer rund 90 Mitgliedsverbände (21 Prozent).
Zusätzlich erhalten wir öffentliche Mittel im Wesentlichen nur für drei Zwecke: für die Entsendung der deutschen Olympiamannschaften zu den Spielen, für konkrete Projekte, vor allem für solche im Ausland oder für die Integration Zugewanderter, und für die Finanzierung unserer Sportjugend. Andere öffentliche Mittel leiten wir an unsere Mitgliedsorganisationen weiter, oder sie erhalten sie nach unseren fachlichen Vorgaben für die Spitzensportförderung: Der DOSB hat hierüber konkrete Zielvereinbarungen geschlossen – einerseits mit dem Bundesinnenministerium und andererseits mit jedem einzelnen Fachverband über einen Olympischen Zyklus.
Nun aber zur Finanzquelle aus Sportwetten und Lotterien. Im Haushalt des DOSB macht sie gut ein Drittel aus. Bei den Landessportbünden sind es rund 80 Prozent, und zwar ganz überwiegend aus den Lotterien, nicht aus den Sportwetten. Das unterstreicht die lebenswichtige Bedeutung dieser Mittel.
Der amtliche Oberbegriff für beide Genres lautet „Glücksspiele“. Für uns als Sport-Kenner ist das nicht akzeptabel: Denn jeder weiß, dass über den Gewinn in einer Lotterie ausschließlich der Zufall entscheidet, der im positiven Fall zum Glück wird. Die Richtigkeit eines Tipps bei einer Sportwette hingegen beruht einzig und allein auf dem besseren Fachwissen, wie wir gerade in diesen Tagen immer wieder feststellen – oder auch nicht. Nicht allein aus diesem Grund halten wir es für falsch, beide Bereiche wie bisher über einen Kamm zu scheren.
Derzeit gilt in Deutschland für Lotterien und Sportwetten ein staatliches Monopol, das – weil nicht die Bundes-, sondern die Landesebene zuständig ist – in einem Staatsvertrag aller 16 Länder fixiert ist; er gilt noch bis Ende 2011 und wird jetzt unter unserer Beteiligung evaluiert, um eine angemessene Anschlussregelung zu finden.
Wie sieht die Realität aus? Das Lotto-Monopol ist nicht nur allseits akzeptiert, es funkti-oniert auch bestens. Im vergangenen Jahr setzte der Deutsche Lottoblock 6,72 Milliarden Euro um, davon 6,4 Milliarden Euro im Bereich der Lotterien, das sind über 95 Prozent. Hier gibt es keine nennenswerte Konkurrenz zum staatlichen Veranstalter, der seine Lottoscheine in rund 24.000 Annahmestellen in ganz Deutschland anbietet.
Die Abgabenstruktur im Monopol ist naturgemäß nicht am Markt orientiert, sondern an den Interessen des Gemeinwohls, dessen Vertreter, der Staat, ja das Monopol definiert. In dem Chart sehen Sie, wie die Spieleinsätze verwendet werden: Knapp 17 Prozent gehen für die Lotteriesteuer drauf, gut 20 Prozent für „Abgaben für gute Zwecke“ und rund 13 Prozent für die Administration. Bleiben knapp 50 Prozent, die als Gewinne ausgeschüttet werden. Niemand nimmt daran Anstoß.
Ganz anders sieht es im Bereich der Sportwetten aus. Hier ist das Monopol weder akzeptiert noch durchgesetzt. Gleich nach Einführung der staatlichen Oddset-Wette wurde das Monopol durch eine private Veranstalterin in Bayern, die sich auf die Berufsfreiheit berief, angegriffen. Das Bundesverfassungsgericht gab im März 2006 im Einklang mit der europäischen Rechtssprechung grundsätzlich beide Wege frei: Abschaffung des Monopols für Sportwetten und deren Öffnung für private Veranstalter oder aber dessen Fortführung – aber nur unter der Bedingung, es stärker als bisher an dem öffentlichen Interesse der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität auszurichten und auf Werbung zu verzichten. Die Länder entschieden sich mit dem geltenden Staatsvertrag für den zweiten Weg.
Seitdem darf der Deutsche Lottoblock weder für seine Produkte werben noch zur Verbreitung das Internet nutzen. Das führt zu absurden Situationen, etwa bei der FIFA-WM 2006. Damals war Oddset einer der Hauptsponsoren. Dann kam die erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – und Oddset hatte das zweifelhafte Vergnügen, wie alle anderen Sponsoren den vollen Beitrag in zweistelliger Millionen-Höhe zahlen zu dürfen, ohne jedoch in Erscheinung treten zu können. Da sage noch einer, es gebe in der Wirtschaft keine altruistischen Neigungen.
Das Monopol steht hier nur noch auf dem Papier:
- Zum einen ist das staatliche Angebot entscheidend gehandicapt durch das Werbeverbot, den Ausschluss des Vertriebs über das Internet und vor allem die wenig attraktiven Gewinnquoten. Brav zahlen die staatlichen Veranstalter die 16 2/3 Prozent Lotteriesteuer (wohlgemerkt: nicht auf den Ertrag, sondern auf den Umsatz!) und führen die „Abgaben für gute Zwecke“ ab. Ergebnis: Von 100 Euro, die ein Spieler einsetzt, gehen lediglich 50 Euro als Gewinn zurück; das ist nicht konkurrenzfähig.
- Zum anderen gibt es hier faktisch eine starke Konkurrenz, die es bei einem Monopol eigentlich gar nicht geben dürfte. Sowohl in Deutschland selbst als auch erst recht im Ausland platzieren zahlreiche Sportwetten-Anbieter erfolgreich Wetten über das Internet. Auch sie unterliegen zwar in Deutschland einem Werbeverbot, aber sie nutzen das Internet – und das kennt keine nationalen Grenzen. Vor allem zahlen sie in Deutschland weder Steuern, noch leisten sie Abgaben. Von 100 eingesetzten Euro fließen etwa 90 Euro wieder als Gewinn zurück.
Diese beiden Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Umsätze der Oddset-Wette von rund 550 Millionen Euro im Jahr 2005 auf nur noch 185 Millionen Euro im Jahr 2009 abgestürzt sind – weniger als 3 Prozent des Gesamtumsatzes des Deutschen Lottoblocks. Nun könnte man sagen: Prima, der Kampf gegen die Spielsucht hatte offenbar Erfolg. Aber das Gegenteil ist der Fall: Im gleichen Zeitraum explodierte der formell illegale Markt privat veranstalteter Sportwetten. Heute wird er auf über 7 Milliarden Euro in Deutschland geschätzt.
Das ist für unsere Gesellschaft und insbesondere für den Sport, ohne den es diese Wetten überhaupt nicht geben könnte, nicht hinnehmbar:
- Dieser gigantische Umsatz wird in Deutschland erzielt, ohne dass der Staat oder der Sport daran auch nur mit einem Cent partizipierten.
- Und die Art und Weise, wie er erzielt wird, ist durch keinerlei Leitplanken geregelt. Weil es sich um einen illegalen Markt handelt, greifen hier keine Regulierungen. Wer sich auf diese Wetten einlässt, ist vor unseriösen Angeboten, auch vor besonders Sucht fördernden Wetten nicht sicher.
Der derzeitige Zustand erinnert ein wenig an die Phase der Alkohol-Prohibition in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA. Weil die Menschen sich ihr Bedürfnis nach alkoholischen Getränken nicht nehmen ließen, setzte sich die Prohibition nie durch, sondern führte in Wirklichkeit zu einer immer größeren illegalen Produktion von Alkoholika – ohne staatliche Qualitätsvorgaben und -kontrollen. Produktion und Vertrieb von Alkohol wurde das Kerngeschäft der rasch anwachsenden organisierten Kriminalität.
Vergleiche hinken immer, und natürlich ist ein Monopol noch keine Prohibition. Aber wichtig ist die Erkenntnis, dass verbreitete menschliche Bedürfnisse – und dazu zählt ganz offenbar auch die Leidenschaft zu wetten – sich nicht einfach administrativ in enge Formen pressen lassen, sondern dann ihre eigenen Wege suchen und schließlich womöglich in die Illegalität abdriften. Das aber liegt weder im Interesse der Gesellschaft noch in dem des Sports.
Fakt ist: Die Grundlage jeder Sportwette ist eine Leistung, die der Sport erbringt. Unter großem materiellen, aber auch ideellen Aufwand organisiert er Sportveranstaltungen, derer sich Dritte bedienen, um daraus für sich ein Geschäft zu machen. Dagegen ist der Sport aus unserer Sicht rechtlich zu schützen – ähnlich wie ein Autor, der einen Song schreibt, oder ein Erfinder, der eine Entdeckung macht. Hier liegt übrigens auch der fundamentale Unterschied zu den Lotterien: Die veranstalten die Lotto-Gesellschaften selbst, in eigener Regie; bei den Sportwetten nutzen die Wett-Unternehmen hingegen nicht eigene Veranstaltungen, sondern die des Sports. Solange sie dafür nichts zahlen, sind sie Trittbrettfahrer ohne Fahrschein. Deshalb ist ein gesetzliches Veranstalterschutzrecht, das die Veranstalter von Sportereignissen vor deren Verwertung ohne ihre Zustimmung schützt, angemessen und überfällig.
Der DOSB schlägt vor diesem Hintergrund für den gesamten deutschen Sport vor, einerseits das Monopol für die Lotterien unbedingt zu erhalten, weil sie die entscheidende Säule der Finanzierung des gemeinnützigen Sports bilden, und andererseits für den Bereich der Sportwetten ein staatlich reguliertes und kontrolliertes Konzessionsmodell zu schaffen. Danach darf eine Sportwette nur veranstalten, wer dazu vom Staat eine Lizenz erhält. Dafür zahlt der Lizenznehmer eine Gebühr zur Abgeltung des reinen Verwaltungsaufwands – und zusätzlich eine Sportwettenabgabe, die jährlich abhängig vom Umsatz zu entrichten ist und die neben dem Fiskus dem gemeinnützigen Sport zugute kommen soll. Sie ist auch als Gegenleistung dafür zu sehen, dass der Sport die Nutzung seiner Veranstaltungen für die lizensierten Sportwetten zulässt. Diese Lizenz wird außerdem mit einer Reihe von Bedingungen verknüpft:
- Zuverlässigkeit des Veranstalters.
- Betriebsstätte in Deutschland.
- Es werden nur Wetten auf Ergebnisse zugelassen. Wetten auf leicht zu beeinflussende Ereignisse – wie etwa auf den nächsten Einwurf – werden ausgeschlossen.
- Einhaltung der Altersgrenzen zum Jugendschutz.
- Beteiligung an der Suchtbekämpfung, z. B. Schaffung der Möglichkeit der Selbstsperrung des Spielers.
Für diesen Weg streiten wir mit aller Kraft – in den Anhörungen, die die 16 Ministerpräsidenten veranstalten, und in vielen Einzelgesprächen. Erkennbar ist, dass es eine Lösung gegen den Sport nicht geben wird.
Um es noch einmal klar zu sagen: Nicht die Profi-Clubs und Profi-Ligen sollen von unserem Weg profitieren, sondern der gemeinnützige Sport. Der Profi-Sport erwartet keine direkte Förderung, sondern hat ein Interesse an möglichen Einnahmen durch die in unserem Modell zulässigen Werbe- und Sponsoringmaßnahmen.
Wie hoch sollte die Abgabe sein? Diese Frage muss und kann allein die Politik beantworten. Wir stellen uns vor, dass die Abgabe als Anteil an den Umsätzen, nicht am Ertrag definiert wird. Er muss spürbar sein und zugleich marktgerecht. Der Korridor liegt unseres Erachtens zwischen 3 Prozent und 10 Prozent. Man wird sehen, wo die Abgabe sich einpendelt.
Unser zentrales Anliegen ist, die Integrität des sportlichen Wettbewerbs zu sichern und Manipulationen und betrügerische Machenschaften bei Sportwettkämpfen zu verhindern. Dies ist auch ein öffentliches Interesse, das dem Ziel der Suchtbekämpfung in nichts nachsteht. Wir sind zuversichtlich, dass wir damit den illegalen Markt zum Großteil in die Legalität kanalisieren können. Und auch Oddset hätte eine Zukunft, wenn es mit den privaten Anbietern unter gleichen Bedingungen konkurrieren könnte. Legale Wetten würden für die Wetter ungleich attraktiver, denn die Gewinnausschüttungen lägen bei über 80 Prozent der Einsätze.
Warum steht dieser Lösungsvorschlag im Streit? Vor allem die staatlichen Lotto-Unternehmen wehren sich dagegen. Sie tun das nicht aus Sorge um die Einnahmen aus Oddset – die sind mittlerweile so marginal, dass sich der ganze Aufwand kaum noch lohnt. Nein, sie befürchten vielmehr, dass mit einem solchen Schritt zwangsläufig auch das Monopol für die Lotterien fallen würde – und dann ginge es für sie ums Einge-machte.
Wir halten diese Sorge vor dem sogenannten Dominoeffekt für unbegründet. Beide Bereiche, die Lotterien und die Sportwetten, unterschiedlich zu behandeln, ist nicht nur sinnvoll. Es ist auch rechtlich zulässig. Denn das europarechtliche Kohärenzgebot gilt keineswegs über sämtliche verschiedenen Glücksspielarten – dann müsste alles, von den Geldspielautomaten über die Casinos bis zu Lotto und den Sportwetten – gleich geregelt werden, was schon heute nicht der Fall ist. Vielmehr verpflichtet es dazu, die einzelnen Beschränkungen innerhalb der jeweiligen Glücksspielarten kohärent zu regeln. Genau über diese Frage wird der Europäische Gerichtshof in Kürze entscheiden; die Schlussanträge des Generalanwalts in Sachen Mengozzi geben exakt unsere Position wieder.
Unter uns Menschen gibt es offensichtlich ein natürliches Bedürfnis zu wetten, und der Sport liefert dafür die populärste Folie. Dieses Bedürfnis in legale, verantwortbare Sportwetten zu kanalisieren, damit die Spreu der unseriösen, Sucht gefährdenden Angebote vom Weizen seriöser Angebote unter staatlicher Kontrolle zu trennen, den Sport zum Nutzen seiner gemeinnützigen Arbeit angemessen zu entschädigen – das ist das Ziel unseres Vorschlags, den die Ministerpräsidenten unserer 16 Länder hoffentlich hören und ab 2012 umsetzen.“