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EU-Kommission fordert Aufgabe der Abzugssteuer für ausländische Athleten

Auf breite sportpolitische Resonanz ist eine Initiative der Europäischen Kommission gestoßen, die in einem förmlichen Aufforderungsverfahren die Bundesrepublik Deutschland ersucht hat, die so genannte Quellensteuerregelung für ausländische Sportler zu ändern.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

05.04.2007

Die EU-Kommission beanstandet, dass nach dem Einkommensteuergesetz auf Einnahmen von ausländischen Sportlern und Künstlern grundsätzlich ein pauschaler Steuersatz von 20 Prozent zu erheben ist, ohne dass Betriebsausgaben abgezogen werden können; dies kann erst in einem Erstattungsverfahren erfolgen. „Nach Ansicht der Kommission sind Quellensteuerabzug und Erstattungsverfahren nicht mit dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt vereinbar“, heißt es in einer Pressemitteilung aus Brüssel. 

Die EU-Kommission stellte fest, dass deutsche Steuerpflichtige im Vergleich zu anderen EU-Bürgern Vorteile wahrnähmen: Sie müssten Einnahmen etwa aus Sportveranstaltungen bei der jährlichen Einkommensteuererklärung rückwirkend deklarieren. Ausländische Steuerpflichtige könnten hingegen bei der Quellenbesteuerung ihre Betriebsausgaben nicht abziehen und erst in einem anschließenden Erstattungsverfahren beim Bundesamt für Finanzen die Rückzahlung zuviel gezahlter Steuerbeträge beantragen. Erschwerend sei, dass nur Betriebsausgaben, die in „unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang“ mit der Tätigkeit in Deutschland stehen, im Erstattungsverfahren abzugsfähig seien. Dadurch werde - so die EU-Kommission - die „in Artikel 49 des EG-Vertrags garantierte grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen erheblich behindert. Das Verbot, von den Bruttoeinnahmen Betriebsausgaben abzuziehen, und das Verbot, indirekte Ausgaben abzuziehen, führt in vielen Fällen zu einer objektiv nicht gerechtfertigten höheren Besteuerung nicht Gebietsansässiger im Vergleich zu Gebietsansässigen“, heißt es. 

Kompliziertes Erstattungsverfahren

Genauso kompliziert gestaltet sich in der Praxis das Erstattungsverfahren. Wenn Einkünfte nach einem Doppelbesteuerungsabkommen eigentlich in Deutschland nicht besteuert werden können, weil im Heimatland die im Ausland erzielten Einnahmen zu versteuern sind, muss dennoch grundsätzlich die Quellensteuer erhoben werden. So sind nach Einschätzung des Bundesfinanzhofs etwa Einkünfte aus sportlichen oder künstlerischen Darbietungen nach dem deutsch-niederländischen Besteuerungsabkommen vom 16. Juni 1959 nicht in Deutschland, sondern nur in den Niederlanden zu versteuern. Der Steuerabzug kann aber in diesem Fall nur unterbleiben, wenn dies vorab das Bundesamt für Finanzen auf Antrag bescheinigt hat. Fehlt eine solche Freistellungsbescheinigung, muss der Veranstalter als Steuerschuldner die Pauschale ohne Wenn und Aber abführen. Die Rechte auf Steuerfreistellung gehen jedoch nicht verloren: Auf Antrag ist die abgeführte Steuer ganz oder teilweise für das Volumen zu erstatten, das im Heimatland erhoben wurde.

Sportausschussvorsitzender Danckert: "Quellensteuerregelung nicht europarechtskonform" 

„Ich bin positiv überrascht, dass Brüssel diesen Vorstoß unternommen hat“, kommentierte der Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestags, Dr. Peter Danckert (SPD). „Schon seit langem ist deutlich geworden, dass diese Quellensteuerregelung nicht europarechtskonform ist. Die Politik sollte jetzt sehr schnell eine europarechtliche Anpassung vornehmen. Ich bin sicher, dass Bundesfinanzminister Peer Steinbrück jetzt reagieren wird und für eine Besteuerung sorgt, die europarechtlich keine Bedenken hervorruft.“ Der Sportausschuss habe auf diesem Feld schon häufiger Initiativen unternommen, in das Einkommensteuergesetz eine pragmatische Regelung aufzunehmen; bisher seien diese fruchtlos gewesen. Mit dem Rückenwind aus Brüssel sei nunmehr Gelegenheit, endgültig reinen Tisch zu machen, sagte er. Dr. Danckert erinnerte daran, dass wegen dieser Steuervorschrift der Europäische Fußballverband UEFA im Herbst vergangenen Jahres den deutschen Bewerbern Berlin und Hamburg bei der Vergabe für die Endspiele in der Champions League und im UEFA-Pokal eine Abfuhr erteilt hatte. Die UEFA habe seinerzeit deutlich gemacht, dass Spieler und Vereine grundsätzlich in ihren Heimatländern steuerpflichtig seien, und deshalb sei es ihnen nicht zuzumuten, in jahrelangen Verfahren die unberechtigt von deutschen Finanzbehörden einbehaltene Quellensteuer individuell zurückzufordern. Allein schon wegen dieses Hinweises benötige Deutschland nach Worten des SPD-Politikers Deutschland ein „einfaches Verfahren, das die steuerrechtliche Realität in anderen Ländern beachtet“. Dr. Danckert: „Wir Sportpolitiker müssen jetzt den Gang der Dinge im Finanzministerium genau beobachten. Ich dränge auf eine schnelle Klärung im Interesse des deutschen Sports.“

CDU-Sportsprecher Riegert Sportausschuss sollte Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums abwarten

Der Sportausschuss sollte vorerst abwarten, wie das Bundesfinanzministerium innerhalb der Zwei-Monats-Frist gegenüber der EU-Kommission Stellung bezieht, betonte hingegen der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Klaus Riegert. Erst dann könnte parlamentarisch geprüft werden, ob es einen gesetzlichen Handlungsbedarf gibt. Nach Auskunft der AG Finanzen der Unionsfraktion gebe es für Nichtdeutsche auch die Möglichkeit, bei den deutschen Finanzbehörden den Antrag zu stellen, nicht pauschal nach den Regeln der Abzugssteuer veranlagt zu werden, sondern nach dem persönlichen Steuersatz. „Neue Regelungen könnten durchaus komplizierter werden als die einfachen Bestimmungen, die wir jetzt mit der Quellensteuer haben“, sagte Riegert. „Aus meiner Sicht gibt es im Augenblick eher Klärungsbedarf bei der Exekutive als bei der Legislative.“ 

Nach Einschätzung des Unions-Sportexperten könnten im übrigen Sportveranstalter, die Berufssportlern Nettobeträge auszahlen und die Pauschalsteuer selbst abführen, das Verfahren umstellen, so dass der ausländische Starter vorab verpflichtet werde, eine Freistellungsbescheinigung vorzulegen. Dann unterbliebe für Athleten der Länder, in denen auch eine Steuerpflicht für Auslandseinkommen besteht, die Prozedur der Rückerstattung. Dies wäre - so Riegert - ein praktisches Verfahren und auf keinen Fall unbillig, weil jedermann angehalten sei, im Ausland geltende unterschiedliche rechtliche Rahmen zu akzeptieren.

FDP-Sportsprecher Parr für einen fairen internationalen Wettbewerb bei der Vergabe von Sportveranstaltungen 

Die von Brüssel eingeforderte Gleichbehandlung im Steuerrecht sollte nach Meinung des sportpolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Detlef Parr, von der Bundesregierung so schnell wie möglich auf die Agenda ihrer EU-Ratspräsidentschaft gehoben, aber auch über den 30. Juni hinaus verfolgt werden. „Es ist ein europäisches Thema“, erklärte Parr, „und wir Sportpolitiker fordern schon seit langem einen fairen internationalen Wettbewerb bei der Vergabe von Großveranstaltungen des Sports. Dabei ist die deutsche Quellensteuer-Regelung für Veranstalter ein Hindernis, weil sie bei den Finanzbehörden Schuldner hierfür sind.“ Parr forderte überdies parlamentarische Initiativen, diese „anachronistischen Vorschriften“ im Einkommensteuergesetz aufzuheben; die Sport-, aber auch die Kulturpolitiker seien gefordert. 

„Europaeinheitliche Regelungen, die sonst sehr häufig zu repressiv daher kommen, wären hier hilfreich“, unterstrich Parr. „Das derzeit geltende Vorkasse-System ist nicht mehr tragfähig.“ Überhaupt sei die fiskalische Praxis, dass für Länder, die Auslandseinkünfte umfänglich besteuern, Freistellungsbescheinigungen erforderlich sind, obwohl jeder Finanzbeamte diese Tatsache wissen müsse, „überbordend bürokratisch“. „Unser Steuersystem mit den umfangreichen Sonderregelungen ist viel zu kompliziert. Wir müssen es vereinfachen. Bei der Quellensteuer muss jetzt so schnell wie möglich reagiert werden“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete. 

Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) erwartet neue "unbürokratische Regelungen"

Auch der sportpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Winfried Hermann, sieht die Beanstandungen der EU-Kommission als „schwerwiegend“ an. Hermann möchte dies im Sportausschuss des Deutschen Bundestages thematisiert wissen und erwartet eine ausführliche Beschreibung der Rechtslage durch das Bundesfinanzministerium. „Die Kommission muss nicht immer Recht haben“, sagte er. „Deshalb sollte jetzt genau geprüft werden, inwieweit die Vorwürfe gerechtfertigt sind. Kommt es aber durch das deutsche Steuerrecht zu einer Verletzung des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt, muss das Parlament sich entschließen, das Einkommensteuergesetz zu korrigieren.“ 

Hermann erwartet, dass gegebenenfalls neue „unbürokratische Regelungen“ für die Besteuerung von Einkünften ausländischer Sportler geschaffen werden. Dabei könnte man etwa ein einfaches Verfahren für die EU-Ausländer wählen, die alle Einnahmen in ihrem Heimatland komplett versteuern müssen, ohne dass vorab das Bundesamt für Finanzen zu kontaktieren ist. „Auf alle Fälle darf es in Deutschland nicht zweierlei Recht geben“, urteilte er. „Deshalb brauchen wir europafeste Bestimmungen, die Nichtdeutsche nicht in Nachteil setzen.“ 

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