Integration durch Sport - Potentiale und Chance für Vereine – aktives Handeln notwendig
Was bedeutet überhaupt der Begriff Integration, der immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rückt? Ob nun im Zusammenhang mit ausländischen Mitbürgern, von Menschen mit anderen religiösen Hintergründen, der Integration von Menschen mit Behinderung (auch Inklusion genannt) oder der Gleichstellung – von Integration wird zunehmend gesprochen, auch im Zusammenhang mit Sport. Die Bedeutung ist dabei immer die gleiche: Annäherung durch gegenseitige Auseinandersetzung und Kommunikation, der Einbezug von Menschen und Gruppierungen in die Gesellschaft. Doch warum bringt sich der Sport in die Integrationsarbeit ein und warum sollten Sportvereine Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt als Mitglieder werben?

29.07.2013
Fest steht, Sport bietet allen Menschen unabhängig von der Herkunft Erfahrungsräume für gelebtes Miteinander. Doch insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte sind im organisierten Sport, auch in Thüringen, nach wie vor unterrepräsentiert. Sie werden oft nicht erreicht, obwohl niemand offensichtlich ausgeschlossen wird. Ein Forschungsprojekt zur „Bedarfsgerechten Gestaltung von Sportangeboten für Migrantinnen und Migranten“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellt fest: „gemäß des Sportentwicklungsberichts 2007/2008 sind rund 2,76 Millionen von insgesamt ca. 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Sportvereinen organisiert, auf der anderen Seite sind fast 25 Millionen der 66 Millionen Deutschen ohne Migrationshintergrund in Sportvereinen organisiert.“ Zahlen, die sich bis heute nicht geändert haben. Viele Migranten bleiben Vereinen fern, da sie im organisierten Sport oft Hindernisse vorfinden. Um solche Hindernisse zu erkennen und abzubauen, bedarf es einer interkulturellen Öffnung des Sports. Mit ihr ergeben sich vielfältige Chancen für die Migranten und Vereine zugleich.
Sportliche Erfolge und Mitgliederplus durch Integration
Das Thema wird gegenwärtig in 31 Thüringer Sportvereinen, sogenannten „Stützpunktvereinen“, die aktiv im Programm „Integration durch Sport“ im LSB Thüringen mitarbeiten, erfolgreich umgesetzt. Für die Weiterentwicklung von Vereinen ist die offene Auseinandersetzung mit dem Thema unerlässlich. Egal ob im Profisport, wo ausländische Sportler oftmals fester Bestandteil eines erfolgreichen Teams sind, oder im Breitensport, um Mitglieder und Ehrenamtliche zu gewinnen. Auch Nachwuchswettkämpfe, zum Beispiel im Boxen, sind ohne Leistungsträger aus Migrantenfamilien längst die Ausnahme. Und in Zukunft und unter Beachtung der Demografie stellt sich zunehmend die Frage: Wie rekrutieren Sportvereine in den nächsten Jahren ihre Mitglieder, woher nehmen die Vereine Ehrenamtliche und wie erzielen sie sportliche Erfolge? In den Vereinen bemerken wir die Alterung der Gesellschaft daran, dass vielerorts junge Mitglieder fehlen, die Verantwortung übernehmen könnten. Unter diesem Aspekt wird klar, dass Zuwanderer eine wichtige Zielgruppe darstellen. Denn durch Zuwanderung nimmt die Bevölkerung in Deutschland insgesamt weniger ab und bleibt jünger.
ABSEITS aufheben
Um das Thema „Interkulturelle Sensibilisierung im Sport“ drehte sich auch die Fachtagung „ABSEITS aufheben“ am 27. April in Jena. Ziel war es, Integrationspartner des Sports mit weiteren Akteuren zu vernetzen. Gemeinsam sprachen 50 Vertreter von Sportvereinen und Migrantenorganisationen darüber, wie es gelingt, mehr Migranten für den Thüringer Sport zu interessieren und welche Rolle der Sport überhaupt bei der Integration einnimmt. Welche Chancen ergeben sich für Menschen mit Migrationshintergrund durch eine aktive Teilnahme? Was bedeutet „Interkulturelle Öffnung“ für Sportvereine? Den Impuls zur Fachtagung gab das Integrationsnetzwerk Jena mit den beteiligten Partnern Stadtsportbund, KuBuS – Komme, Kindersprachbrücke, Jugendmigrationsdienst der AWO Jena-Weimar, der Stadt Jena sowie der Beauftragten für Migration und Integration, Dörte Thiele. Die Umsetzung übernahm der LSB Thüringen. Dass der Sport ein sehr guter Integrationsmotor ist, darüber waren sich die Ausrichter schnell einig. Sport versetzt Menschen, gleich welcher kulturellen Herkunft oder Nationalität in Begeisterung. Menschen lernen im und durch den Sport, Vorurteile zu überwinden und gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Um noch mehr Thüringer Vereine für Integrationsarbeit zu begeistern, sind verschiedene Aspekte wichtig. So gab die Fachtagung Unterstützung für die bedarfsgerechte Gestaltung von Sportangeboten für Migranten und einem ersten gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Es ist wichtig zu wissen, was die beiden Seiten überhaupt voneinander wollen und welche Barrieren es gibt.
Brückenbauer nutzen
So zeigen etwa die Erfahrungen, dass Sportler und Trainer aus der ehemaligen Sowjetunion beziehungsweise deren Nachfolgestaaten leichter für eine Mitgliedschaft interessiert werden können, da sie durch vorhandene Sportsysteme bereits Sporterfahrungen mitbringen. Ausgebildete Sportlehrer und Trainer können so gut als Übungsleiter eingesetzt werden. Gleichzeitig fungieren sie als Brückenbauer zu ihren Landsleuten und verfügen über die Möglichkeit, durch die vorhandenen Sprachkenntnisse weitere Sportinteressierte für eine Mitgliedschaft im Verein zu begeistern. Migranten aus Staaten, in denen diese Sportsysteme nicht existieren, fällt es viel schwerer, sich dem Vereinssport anzuschließen. Zumal die kulturellen Unterschiede Hemmnisse darstellen. Beispielsweise für Mädchen und Frauen aus Staaten, die kulturell sehr stark von Männern dominiert werden und in denen das öffentliche Sport treiben für das weibliche Geschlecht keine Rolle spielt. Um daraus ableitend künftig Migranten besser zu beraten, wird das Programm „Integration durch Sport“ mit gemeinsamer Unterstützung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und den Trägern von Integrationskursen bei diesen Kursen zu den Sport- strukturen in Thüringen und den Sportangeboten von Sportvereinen informieren und für eine Mitgliedschaft im Verein werben.
Weitere Infos:
Programm „INTEGRATION DURCH SPORT“ des LSB Thüringen e.V.
Jörg Schünke, Tel. 0361 3405464 E-Mail: j.schuenke@lsb-thueringen.de www.integration-durch-sport.de