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Positive Gene

Integration spielt beim SV Odin seit jeher eine herausragende Rolle. Im elften Teil der Projektporträt-Serie wird das Vereins-Motto „Aus Tradition weltoffen“ vorgestellt.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

12.11.2014

    Integration spielt beim SV Odin seit jeher eine herausragende Rolle, entsprechend verankert ist das Thema in den Vereinsstrukturen. Seine zeitgemäße Umsetzung erfährt es im Rugby – und durch bildendes Walking.

    Wer auf eine Vereinsgeschichte wie der SV Odin 1905 blicken kann, dem nimmt man gern das Motto ab: „Aus Tradition weltoffen“. Zu eigen ist diese Devise der Gründungsabteilung der Hannoveraner, und das war nicht – wie so häufig im Kaiserreich – das Turnen, sondern Rugby. Bekanntlich eine englische Sportart. Und als 1933 die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland an sich rissen und alle Arbeitersportvereine verboten, war es der SV Odin, als einziger in der Stadt und als einer der wenigen im Lande, der eine komplette Sektion aufnahm – mit 160 Leuten. „Ein großes Wagnis, da Gruppenmitgliedschaften damals nicht in andere Vereine überführt werden durften“, sagt Abteilungsleiter Horst Josch. Dass also Themen wie Integration und sozial-gesellschaftliches Engagement in der DNA des Vereins angelegt zu sein scheinen, klingt nach dem Blick in die Chronik nicht weit hergeholt.

    Längst ist der SV Odin ein Mehrspartenverein, dessen Angebot außer Rugby und einigen klassischen Sportarten wie Turnen, Handball, Fußball noch Nordic Walking, Fitness ab 50, Tai Chi und Damengymnastik umfasst. Er hat, wie viele seiner Zunft, das Portfolio nach den veränderten gesellschaftlichen Bewegungsbedürfnissen ausgerichtet, um für Sportbegeisterte attraktiv zu bleiben und der Konkurrenz der Fitnessstudios zu trotzen. Doch die Tradition, offen für alle zu sein, lebt gemäß dem Rugby-Motto auch in den sozialen Engagements der Hannoveraner ungebrochen weiter. Sei es, dass sie bei Aktionen wie „Sport gegen Gewalt“ mitmischen oder seit einigen Jahren als Stützpunktverein des Programms „Integration durch Sport“ (IdS) aktiv sind.

    Die Integrations-Serie - alle 2 Wochen

    Von Rügen bis Reutlingen, von Kiel bis Nürnberg. Von Basketball über Gorodki bis Tanztheater. Von der kulturellen Öffnung Einzelner bis zu jener von Großvereinen. Et cetera, denn Vielfalt ist das Stichwort, wenn das Programm „Integration durch Sport“ ab sofort und an dieser Stelle zeigt, wie es eigentlich funktioniert, so ganz genau und rein praktisch. Das folgende Projektporträt ist der Beginn einer Serie auf www.integration-durch-sport.de: Alle zwei Wochen stellen wir insgesamt 16 Initiativen vor, für jedes Bundesland eines: Geschichten, von denen keine der anderen ähnelt und die doch ein großes Ganzes ergeben. Nämlich ein Mosaik von Möglichkeiten, wie der Sport Verbindungen zwischen Kulturen schaffen und wachsen lassen kann.

    Für Aufmerksamkeit sorgte das sogenannte „Bildungswalking“, das auf einer Idee der Übungsleiterin Tamara Dajanev gründete und das in Kooperation von IdS, dem Landessportbund Niedersachen, der Arbeiterwohlfahrt und eben dem SV Odin umgesetzt wurde. Mit der Möglichkeit die lokalen Sehenswürdigkeiten (Maschsee oder das Stadion von Hannover 96) und städtischen Einrichtungen (Ordnungs- oder Bürgeramt) walkend kennenzulernen, bot das Konzept Zugewanderten eine intelligente Verknüpfung von Gesundheitsangebot, kultureller Annäherung und Alltagshilfe.

    Das Bildungswalking ist im Übrigen ein gutes Beispiel, um den strukturell verankerten Integrationsgedanken im Verein nachzuverfolgen: Tamara Dajanev hat es inzwischen zu ihren Enkelkindern nach Freiburg gezogen, aber ihre Idee ist in Hannover geblieben und fand mit dem Erwachsenenbildungsträger Grone eine Fortsetzung – als modifiziertes, reines Frauenprojekt. Der Part des SV Odin konzentriert sich nun auf Gesundheit, Mobilität und Fitness. Ziel beider Institutionen ist, Migrantinnen und sozial benachteiligte Frauen für den Arbeitsmarkt fitzumachen. „Ein Problem ist die fehlende Mobilität. Da sie wenig Geld haben, ist die günstigste Fortbewegungsmöglichkeit, mit dem Fahrrad zu fahren. Aber viele von ihnen haben noch nie in die Pedale getreten“, sagt Horst Josch. Mithilfe von Sponsoren gelang es, Zweiräder zu besorgen, die Polizei gab Hilfestellung bei Verkehrssicherheit und -regeln. Die Balance scheint in der Zwischenzeit gefunden, denn die 23 Frauen im Alter von 19 Jahren bis Anfang 60 haben bereits kleinere Touren im Stadtbereich unternommen. Ist die Initiative nebenbei gedacht, um Mitglieder zu gewinnen? Nein, sagt Horst Josch, „wir sind im Wesentlichen so gestrickt, dass wir soziale Verantwortung übernehmen wollen“. So viel zum Stichwort DNA.  

    Deren prägende Kraft offenbart sich auch in den Kooperationen mit Schulen, die bereits vor 20 Jahren begannen. Mittlerweile bietet der SV Odin an zwei Gymnasien, drei Grundschulen und einer IGS Rugbykurse an. „Wir stellen fest, dass in vielen Stadtteilen der Migrationsanteil bei 60, 70 oder 80 Prozent liegt“, sagt Horst Josch. „Die meisten Zugewanderten stammen aus dem osteuropäischen Raum, vor allem aus Bulgarien und Rumänien. Da hat sich Rugby als Sport besonders bewährt. Wir tun den Kindern Gutes, sie können sich austoben, lernen Regeln zu akzeptieren, und wir tun den Lehrkräften Gutes. Die sind geradezu begeistert.“

    Der Ansatz „Integration und Gewaltprävention durch Rugby“ fand schon mehrfach Anerkennung: Durch eine Auszeichnung der Sparkasse Hannover etwa und einen 4. Platz bei den „Sternen des Sports“, einem Preis, den der DOSB für herausragendes soziales Engagement vergibt. Bleibt die Zukunft. Dass Integration den hohen Stellenwert beim SV Odin behält, dafür sprechen außer der Historie zwei weitere Aspekte: In der Satzung wurde festgeschrieben, dass es einen  Integrationsbeauftragten geben muss, zudem ist neuerdings ein Mitarbeiter eingestellt, der sich nur um Rugbykurse an den Schulen kümmern soll. Die Tradition, sie lebt.

    (Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 46, Text: Nicolas Richter)

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