5 FRAGEN AN LASSE MÜLLER

Zu besonderen Anlässen und Aktionen rund um die Thematik „Sport und Menschenrechte“ stellen wir einzelnen Mitgliedern des DOSB-Menschenrechtsbeirats fünf Fragen zu ihrer Arbeit im Beirat.

Lasse Müller Berater und ehemaliger stellvertretender Leiter des Antisemitismuspräventionsprojekts „Zusammen1“ von MAKKABI Deutschland. Foto: privat
Lasse Müller Berater und ehemaliger stellvertretender Leiter des Antisemitismuspräventionsprojekts „Zusammen1“ von MAKKABI Deutschland. Foto: privat

Teil 10 anlässlich des Gedenkens an die Opfer der Novemberpogrome von 1938 mit Lasse Müller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bergischen Universität Wuppertal und wissenschaftlicher Berater und ehemaliger stellvertretender Leiter des Antisemitismuspräventionsprojekts „Zusammen1“ von MAKKABI Deutschland. 

Lasse Müllers Themenschwerpunkte im Beirat umfassen Antisemitismusprävention, Barrierefreiheit und Antidiskriminierung. Mit seiner Arbeit setzt er sich dafür ein, Sportstätten inklusiver zu gestalten und Diskriminierung im Sport entschlossen entgegenzutreten. 

Beim Thema Sport und Menschenrechte denke ich… 

in diesen Tagen an die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Schon 1933 begannen deutsche Sportorganisationen in vorauseilendem Gehorsam damit, Jüdinnen und Juden auszuschließen. Im Kontext der Spiele 1936 sollte ein friedliches Deutschland inszeniert werden, während u.a. in den Reihen der SA bereits die Parole „Wenn die Olympiade vorbei, schlagen wir die Juden zu Brei!“ skandiert wurde. All dies mündete schließlich in den Novemberpogromen 1938.  

Im NS wurde der Sport beispiellos instrumentalisiert - die national wie international lange verbreitete Konsequenz, ihn als „unpolitischen“ Ort zu deklarieren, ist jedoch erstens realitätsfern und beschneidet zweitens die Interventionsmöglichkeiten, die aus menschenrechtlicher Perspektive zwingend geboten sind. 

Ich bin Mitglied im DOSB-Menschenrechtsbeirat, weil… 

das „verbindende Potenzial des Sports“ zwar oft als inhaltsleere Phrase genutzt wird - aber ja tatsächlich existiert. Es entfaltet sich nur nicht qua Automatismus, sondern bedarf gezielter Maßnahmen und Anstrengungen. Im Menschenrechtsbeirat haben wir die Möglichkeit, dazu einen konkreten Beitrag zu leisten. 

Du arbeitest und forscht im Bereich Antisemitismus und Barrierefreiheit im Sport, welche Erkenntnisse kannst Du aus der Forschung in die Praxis übertragen? 

Am Ende gilt es ganz simpel, erste Abwehrreflexe zu überwinden und die Themen aktiv anzugehen. Nehmen wir hier das Beispiel Barrierefreiheit: Die Auseinandersetzung von Vereinen oder Kommunen wird häufig durch die Sorge vor überbordenden Kosten gehemmt, die z.B. der Einbau eines Aufzugs verursachen würde. Dabei lassen sich schon durch einfache Maßnahmen wie eine kontrastreiche Wandgestaltung oder klare Beschilderung große Verbesserungen erreichen - und das übrigens nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern für alle Nutzer*innen.  

MAKKABI steht für Vielfalt, die Verbindung von Sport und Kultur. Was macht das Projekt „Zusammen1“ so besonders im Sport? 

Zusammen1 ist das erste antisemitismuskritische Bildungsprojekt im organisierten Sport und kombiniert Forschung zu gegenwärtigen Facetten antisemitischer Diskriminierung im Sport mit praxisorientierter Bildungsarbeit. Wir erreichen dabei breite Zielgruppen - von Bundesligaclubs über Funktionsträger*innen in Sportorganisationen bis hin zu Schulklassen. Besonders innovativ und lebensweltnah sind unsere „Pädagogischen Trainings“, bei denen Methoden der politischen Bildung mit sportlichen Trainingseinheiten verknüpft werden. 

Wie können wir konkret für einen diskriminierungsfreien Sport einstehen? 

Aller Prävention zum Trotz: Im Sport kommt es immer wieder zu diskriminierenden Aussagen oder Handlungen - daher ist es wichtig, sinnvoll zu reagieren. 
Handelt es sich wahrscheinlich um eine unreflektierte Aussage (einen „blöden Spruch“), ist es wichtig, zu widersprechen und den diskriminierenden Gehalt nicht zu verharmlosen - jedoch mit dem Ziel, eine inhaltliche Auseinandersetzung anzuregen. 
Zeigen rechtsextreme Hooligans im Fanblock neben mir den Hitlergruß, werde ich deren Weltbild mit einem Gespräch wohl kaum verändern, mich aber in jedem Fall in Gefahr begeben. In diesem Fall gilt es, gegebenenfalls konkret betroffene Personen bestmöglich zu unterstützen und den Vorfall an das verantwortliche Ordnungspersonal zu melden. 

 

Info Box 

Menschenrechte gelten für Alle! Toleranz bedeutet Respekt, Anerkennung und Akzeptanz von Kulturen und Menschen in all ihrer Vielfalt. Tolerantes Verhalten und Handeln findet nicht nur auf zwischenmenschlicher Ebene statt, sondern auch zwischen Gesellschaften und Staaten. Eine Gesellschaft, die die Kulturen und Menschen in all ihrer Vielfalt respektiert und akzeptiert sorgt für ein soziales Miteinander, in dem alle Menschen die gleichen Chancen haben. 


Für mehr Information, welche Rechte für Dich gelten und was sie mit dem Sport zu tun haben, schau vorbei unter: https://www.dosb.de/ueber-uns/sport-und-menschenrechte 

 Die Novemberpogrome 1938 

Die Novemberpogrome 1938 - oft als „Reichspogromnacht“ oder „Kristallnacht“ bezeichnet - fanden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 statt. In einer koordinierten Aktion entfesselten die Nationalsozialisten eine brutale Gewaltwelle gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland, Österreich und den besetzten Gebieten. In diesen Tagen wurden Tausende jüdische Menschen misshandelt, inhaftiert und in Konzentrationslager wie Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald verschleppt. Über 1.400 Synagogen, Gebetshäuser, jüdische Geschäfte und tausende Wohnungen wurden unter dem Applaus von Teilen der Bevölkerung zerstört, und jüdische Friedhöfe geschändet. 

86 Jahre später erinnern wir uns an das Leid und die Verfolgung der damaligen Opfer und sind erneut tief betroffen. Ob am Stammtisch, im Sportverein oder im Alltag: Antisemitismus - aus welcher Richtung auch immer - muss konsequent bekämpft werden. Die Zeit der bloßen Sonntagsreden ist vorbei. 

Nie wieder ist jetzt! 

Quelle: Makkabi Deutschland 

 


  • Lasse Müller Berater und ehemaliger stellvertretender Leiter des Antisemitismuspräventionsprojekts „Zusammen1“ von MAKKABI Deutschland. Foto: privat
    Lasse Müller Berater und ehemaliger stellvertretender Leiter des Antisemitismuspräventionsprojekts „Zusammen1“ von MAKKABI Deutschland. Foto: privat