Mit Erasmus+ Sport ins Ausland: Erfahrungen sammeln & Kontakte knüpfen

Im Rahmen des Erasmus+ Programms für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen im Sport hat unser Kollege Lukas Wiese (Referent für politische Interessenvertretung des DOSB) eine Auslandshospitation bei unseren norwegischen Freund*innen in Oslo – dem Norwegian Olympic and Paralympic Committee and Confederation of Sports (NIF) – verbracht. Im Gespräch erzählt er von seinen Erfahrungen.

DOSB-Mitarbeiter Lukas Wiese hat im Rahmen des Erasmus+ Programms für mehrere Wochen beim Norwegian Olympic and Paralympic Committee and Confederation of Sports (NIF) hospitiert. (Fotos: DOSB)
DOSB-Mitarbeiter Lukas Wiese hat im Rahmen des Erasmus+ Programms für mehrere Wochen beim Norwegian Olympic and Paralympic Committee and Confederation of Sports (NIF) hospitiert. (Fotos: DOSB)

Erasmus+ im Sport fördert Hospitationen in den 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie in 6 mit dem Programm assoziierte Drittstaaten. Warum hast Du Dich gerade für Norwegen interessiert? 

Lukas: Norwegen ist mit nur knapp 5.4 Millionen Einwohner*innen eine überaus erfolgreiche Sportnation und das konstant über viele Jahrzehnte hinweg. Insbesondere in den Wintersportarten haben norwegische Athlet*innen herausragende Leistungen erbracht: 405 Medaillen wurden bislang bei Olympischen Winterspielen gewonnen. Davon 148 Goldmedaillen – mehr als jede andere Nation. Auch im Sommersport wird Norwegen immer erfolgreicher: bei den letzten Sommerspielen gewann „Team Norge“ insgesamt acht Medaillen – fernab von Eis und Schnee unter anderem auch eine Goldmedaille im Beach-Volleyball. Die jüngsten Erfolge norwegischer Athleten bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft unterstreichen diesen Trend.  

Wie schafft es also eine Nation mit einer Bevölkerungsgröße zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz so erfolgreich im Weltsport zu sein? Gerade in Zeiten, in denen wir in Deutschland sowohl die Förderung des Spitzen- und Leistungssports neu strukturieren als auch einen Entwicklungsplan Sport für den Breitensport erarbeiten, lohnt der Blick über den Tellerrand umso mehr. 

Wie lief denn die Auslandshospitation genau ab? 

Lukas: Generell läuft ein Erasmus+ Sport-Projekt in vier Phasen ab: Planung, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. In der Planung gilt es die Bedürfnisse, Ziele und Interessen an einer Auslandshospitation festzulegen und daraus eine geeignete Aufnahmeorganisation abzuleiten: was möchte ich lernen und von wem kann ich das lernen? In meinem Fall wurde ich dann bei der Kontaktanbahnung nach Norwegen vom EOC (European Olympic Committees) EU-Büro in Brüssel unterstützt. Zusammen mit den Kolleg*innen vom NIF haben wir dann über virtuelle Vorbereitungstreffen gemeinschaftlich ein Arbeitsprogramm sowie den Zeitplan für die Aktivitäten festgelegt.  

Bei der Antragsstellung wurde ich darüber hinaus von JUGEND für Europa, welche als Nationale Agentur das Programm in Deutschland umsetzt, unterstützt. Bei digitalen Informationsveranstaltungen und Antragssprechstunden wurde zu den generellen Fördermöglichkeiten und -bedingungen informiert sowie auch auf konkrete Fragen zu den Projektanträgen eingegangen. Diese Unterstützung war großartig – trotz allem darf man den Umfang und Aufwand eines Antrags nicht unterschätzen und sollte sich genug Zeit einplanen.  

Nun aber zur Durchführung: wie sah deine Hospitation vor Ort aus? 

Lukas: Vor Ort war ich beim Norges idrettsforbund der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Sportpolitik zugeordnet. Dies ist eine recht große Abteilung, welche neben der politischen Interessenvertretung auch Themen wie u.a. Internationale Beziehungen, Safe Sport und Entwicklungszusammenarbeit beinhaltet. Neben einem generellen Einblick in die Arbeitsabläufe konnte ich mich auch zusammen mit den jeweiligen Fachkolleg*innen zu gemeinsamen Herausforderung austauschen und unsere Ansätze vergleichen – z.B. in der Entwicklung der Sportinfrastruktur oder der Förderung von ehrenamtlichem Engagement. Besonders beeindruckend war die Digitalisierung im organisierten Sport und Vereinswesen in Norwegen – definitiv ein Vorbild für uns. 

Zusätzlich zu den fachlichen Erkenntnissen habe ich auch die norwegische Gastfreundschaft und die gute Arbeitsatmosphäre bei NIF sehr geschätzt. Unsere norwegischen Kolleg*innen haben mich sehr nett, kooperativ und offen empfangen.  

Weitere Einblicke in das norwegische Sportsystem habe ich – fast schon beiläufig – durch meine Unterbringung im Olympiatoppen Sportshotel bekommen.

Und was ist Dir in Norwegen insbesondere im Sport aufgefallen?  

Lukas: Besonders beeindruckend war der Stellenwert von Sport und Bewegung in der Gesellschaft: 93 % der norwegischen Kinder und Jugendlichen waren oder sind Mitglied in einem Sportverein. Dabei werden Kinder im Verein ermutigt, so viel Sport wie möglich zu treiben und sich in vielen Disziplinen auszuprobieren – zunächst nur spielerisch mit einem Fokus auf Spaß und Gemeinschaft.  

Die Grundlage des norwegischen Kinder- und Jugendsportsystems bilden die sogenannten „Kinderrechte im Sport“ und die „Kindersportbestimmungen“: individuelle Entwicklung statt Leistungsvergleich sowie eine breite Grundlagenausbildung statt früher Spezialisierung – diese Schlagworte beschreiben einige Aspekte, die der norwegische Sport auf 12 Seiten beschlossen hat. So dürfen Vereine z.B. keine Leistungstabellen oder Ergebnislisten für Kinder bis zum Alter von elf Jahren führen und die Teilnahme an nationalen oder internationalen Meisterschaften ist erst ab 13 Jahren gestattet. In Summe gilt es, dass „Kinder jedes Mal, wenn sie am Sport teilnehmen, eine positive Erfahrung machen sollten“. 

Mit diesen Eindrücken vor Ort in Norwegen war es umso spannender, die parallel aufkommende Debatte um Leistungsbereitschaft in Deutschland zu verfolgen.

Gute Stichwörter: Leistung und aktuelle Debatten. Gab es denn auch Anknüpfungspunkte für die Gedanken zu einer möglichen deutschen Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele? 

Lukas: Im Rahmen der Hospitation hatte ich auch die Gelegenheit mich mit den Kolleg*innen im Lillehammer Olympic Legacy Sports Centre (LOLSC) auszutauschen. Mit nur etwas über 28.000 Einwohner*innen stellt Lillehammer – als Gastgeber der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 1994 – ein Gegenentwurf zum häufig vorgeworfenen Gigantismus dar. Die Spiele hatten darüber hinaus weitreichende und nachhaltige Auswirkungen auf die Stadt und die örtlichen Strukturen des Breitensports. 

Noch heute werden die Wettkampfstätten genutzt – sei es täglich durch die lokalen Vereine und Einwohner*innen oder aber auch für Sportgroßveranstaltungen wie den Olympischen Jugend-Winterspielen in 2016. Darüber hinaus steht das LOLSC als Kompetenzzentrum für diverse Wintersportarten für junge Athlet*innen, Trainer*innen sowie Führungskräfte aus dem Sport zur Verfügung. Beim letzten „Lillehammer Young Leaders Programme“ kamen z.B. 50 junge Führungspersönlichkeiten aus 17 verschiedenen Nationen zusammen. Der „Olympische Fußabdruck“ ist omnipräsent in der kleinen Stadt.  

Hast du noch Empfehlungen oder Ratschläge für Interessenten? 

Lukas: Wie bereits gesagt, ist der Umfang und Aufwand eines Antrags nicht zu unterschätzen und man sollte sich genug Zeit einplanen. Hier sollte man definitiv von den Beratungs- und Unterstützungsangeboten der Nationalen Agentur Gebrauch machen. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, früh genug mit der Suche und Ansprache einer Aufnahmeorganisation zu beginnen, um gegenseitige Erwartungen und Anforderungen zu klären. Um möglichst viel aus der Hospitation und Auslandserfahrung herauszuholen, ist es meiner Meinung nach wichtig, vorab das Themenfeld klar einzugrenzen und dahingehend spezifische Aktivitäten oder sogar gemeinsame Projekte zu vereinbaren.  

Zuletzt sollte man aber auch den sozialen Aspekt einer Auslandshospitation nicht vergessen und Zeit einplanen, um Land, Kultur und Leute vor Ort kennenzulernen – beim gemeinsamen Sporttreiben geht das sowieso am besten!

 

Über Erasmus+ 

Erasmus+ Sport bietet Haupt- und Ehrenamtlichen in Organisationen des Breitensports, egal ob Trainer*innen, Übungsleiter*innen oder Mitarbeitende in Vereinen, Verbänden oder Institutionen, die Möglichkeit, ihre Kompetenzen und Qualifikationen durch einen europäischen Auslandsaufenthalt zu erweitern und zur Weiterentwicklung des Breitensports in Europa beizutragen. 

Es gibt zwei Antragsfristen pro Jahr. Die nächste Frist endet am 04.10.2023 um 12:00 Uhr. 

Als Nationale Agentur setzt JUGEND für Europa das EU-Programm Erasmus+ Sport in Deutschland verantwortlich um. Weitere Informationen unter www.erasmusplus-sport.de

Neben der Mobilität des Sportpersonals für Einzelpersonen fördert das Erasmus+ Programme auch die europäische Zusammenarbeit von Sportorganisationen im Rahmen von Kooperationspartnerschaften. Mehr Infos finden Sie hier.    

Der DOSB und das EOC EU-Büro beraten Vereine und Verbände aus Sportdeutschland gerne zur Erasmus+ Sport Antragstellung. Kontakt: Andreas Bold – bold(at)dosb.de.

(Quelle: DOSB)


  • DOSB-Mitarbeiter Lukas Wiese hat im Rahmen des Erasmus+ Programms für mehrere Wochen beim Norwegian Olympic and Paralympic Committee and Confederation of Sports (NIF) hospitiert. (Fotos: DOSB)
    DOSB-Mitarbeiter Lukas Wiese hat im Rahmen des Erasmus+ Programms für mehrere Wochen beim Norwegian Olympic and Paralympic Committee and Confederation of Sports (NIF) hospitiert. (Fotos: DOSB)