Anpfiff für die Kampagne „Abpfiff- Schluss mit Zwangsprostitution“
Anlässlich des Internationalen Frauentages hat der DEUTSCHE FRAUENRAT zusammen mit Schirmherr Dr. Theo Zwanziger und Vertreterinnen von Netzwerkpartner-Organisationen offiziell die bundesweite Kampagne „Abpfiff-Schluss mit Zwangsprostitution“ gestartet.

27.03.2006

Sie will die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 als Bühne nutzen, um mit zahlreichen Aktionen vor der WM und während der Spiele die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema „Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung“ zu lenken. Gleichzeitig sollen die politisch Verantwortlichen zu mehr Engagement gegen diese schwere Form der Menschenrechtsverletzung aufgefordert werden. Die zentralen Forderungen der Kampagne lauten: wirksamere Maßnahmen zur Verhinderung und Verfolgung von Menschenhandel und Zwangsprostitution in nationaler und internationaler Zusammenarbeit, größerer Schutz potenzieller und tatsächlicher Opfer dieser Verbrechen, insbesondere für Betroffene ein gesicherter Aufenthaltsstatus in Deutschland.
Großereignisse leisten Zwangsprostitution Vorschub
„Zwangsprostitution ist ein schändlicher, krimineller Akt, der Menschen verachtend ist. Deshalb sollten im Kampf gegen die Zwangsprostitution alle dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft und die Täter konsequent ermittelt werden, damit sie zur Rechenschaft gezogen werden können. Bedauerlicherweise leisten Großereignisse, wie auch die Fußball-WM, diesem schändlichen Treiben entsprechenden Vorschub, so dass alle Verantwortlichen in der Gesellschaft sich verpflichtet fühlen müssen, die Arbeit der Sicherheitsorgane durch aufklärende Maßnahmen zu unterstützen“, sagte Dr. Theo Zwanziger, Geschäftsführender Präsident des Deutschen Fußball-Bundes und einer der beiden Schirmherren der Kampagne „Abpfiff“.
Wenig Beachtung in der Öffentlichkeit
„Das Geschäft mit Frauen boomt. Es findet direkt in unserer Mitte statt - und bis hinein in die so genannten guten Kreise. Es ist daher ein Skandal, dass das Thema in der Öffentlichkeit so wenig Beachtung findet und der Kampf dagegen so hilflos, so erfolglos ist“, sagte Brunhilde Raiser, Vorsitzende des DEUTSCHEN FRAUENRATES. Die Kampagne „Abpfiff“ nutze die Fußball-WM, um mit zahlreichen Aktionen die massenhafte Zustimmung und Unterstützung für die erhobenen Forderungen zu erhalten. „Nach der WM, so haben wir uns geschworen, muss das Thema deutlich höher auf der gesellschaftlichen und politischen Agenda stehen als bisher“, so Brunhilde Raiser.
Menschenhandel ähnlich einträglich wie Drogenhandel
Uta Ludwig, Vorstandsmitglied des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V. (KOK) berichtete aus der Praxis als Beraterin für Betroffene: „Die jungen Frauen kommen nach Deutschland, weil das Leben ihnen zu Hause keine Perspektive bietet, weil es von Armut und Entbehrung geprägt ist. Sie verbindet die Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie geraten in Situationen, in denen sie gezwungen werden, sexuelle oder strafbare Handlungen vorzunehmen, die sie nicht wollen. Sie werden mitunter vergewaltigt, um sie gefügig zu machen, werden eingesperrt, bis die blauen Flecken nicht mehr sichtbar sind. Sie erleben ein extremes Wechselbad der Gefühle und der Angst. Solange sie 10 Euro pro Tag für ihre Arbeit erhalten, können sie wenigstens etwas nach Hause schicken und denken, dass ist viel Geld, da sie in der Heimat im Monat vielleicht 40 bis 100 Euro verdienen. Sie haben keinen Überblick, wie viel ihr Zuhälter durch sie verdient. Unseren Schätzungen zufolge wird durch ein Opfer täglich ein Umsatz von 100 Euro bis 300 Euro erzielt. Dies entspricht in einem Monat bis zu 9.000 Euro Umsatz.“
„Menschenhandel entwickelt sich weltweit zu einem ähnlich einträglichen Geschäft wie der Drogenhandel. Allein in Europa werden rund eine halbe Million Frauen im Netz organisierter Banden festgehalten und sexuell ausgebeutet. Ein Anstieg des Menschenhandels und der Zwangsprostitution ist im Hinblick auf die Fußball-WM zu erwarten. Der moderne Sklavenmarkt stellt sich auf die Befriedigung der Nachfrage ein. Da in diesem Kriminalitätsbereich fast nur durch Initiative der Ermittler Straftaten aufgedeckt werden, weil sich die Opfer kaum gegen ihre Peiniger wehren können, ist das Dunkelfeld unendlich groß“, sagte Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.
Zu wenig Schutz und Hilfe für Opfer
Heike Rudat, Leiterin des frauenpolitischen Bereichs des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und Expertin für Menschenhandel, betonte: „Zwangsprostitution findet nicht nur zur Fußball-WM 2006 statt, sondern entwickelt sich seit Jahren zu einem immer lukrativeren Geschäft mit der wirtschaftlichen Not von Frauen. Die Bundesrepublik und die Innenminister der Länder sind aufgefordert, dem nachhaltig Kapazitäten bei der Strafverfolgung entgegenzusetzen und diese entsprechend personell auszustatten, um dem nicht unerheblichen Dunkelfeld entgegenzutreten.“
„Menschenhandel und Zwangsprostitution verletzen - unter anderem - das Recht auf Freiheit, das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit, das absolute Sklavereiverbot und das Verbot unwürdiger und erniedrigender Behandlung. Staatliche Stellen sind verpflichtet, Zwangsprostitution zu verhindern und potenzielle Opfer zu schützen. Da passiert bisher zu wenig. Ein erster Schritt wäre, den Status von Zwangsprostituierten in Deutschland zu verbessern, ihnen medizinische, juristische und finanzielle Unterstützung und einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu gewähren“, sagte Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von amnesty international Deutschland.