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„Bei den World Games wird Inklusion gelebt“

Das deutsche Para Ju-Jutsu-Duo Nike Hünecke und Julia Paszkiewicz gewinnt Gold im Duo Visual. Christine Jahn und Alessandro Schober holen Silber im Duo Physical. Wettbewerbe, bei denen Athlet*innen mit und ohne Behinderungen gemeinsam antreten.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

12.08.2025

Para Ju-Jutsu Kämpferinnen gegeneinander

Man könnte die Wettkämpfe im Ju-Jutsu Duo als das „Eiskunstlaufen der Kampfsportarten“ beschreiben. Mit einer vorgeschriebenen Choreografie zeigen die Athlet*innen bestimmte Verteidigungs- und Wurftechniken, die von den Kampfrichtern nach technischer Perfektion, Sauberkeit, Dynamik und Ausdruck bewertet werden.

Im Para Duo hat eine/r der Partner*innen eine oder mehrere Behinderungen, die in drei Kategorien eingeteilt werden: physische, geistige und Seh-Behinderungen. Team Deutschland ist in Chengdu mit zwei Duos vertreten, die jeweils über eine Medaille jubeln durften.

Nike Hünecke(19) und Julia Paszkiewicz (28, SV Niederroth) starteten in der Kategorie Para Duo Visual. Bereits vor 13 Jahren legte Nike beim MTV Rottorf mit dem Ju-Jutsu los, erlitt dann im Laufe ihrer Jugend eine unklare Minderung der Sehschärfe, sodass der Sport, wie sie ihn bisher betrieb, zu gefährlich wurde. Aktuell liegt ihre Sehkraft bei unter zehn Prozent, an manchen Tagen sogar nur bei zwei Prozent. „Aber Aufgeben war nie eine Option für mich.“ Für ihren sportlichen Erfolg stellte sie vieles hinten an – das Abitur musste verschoben werden, die Abifeier fiel wegen der Vorbereitungen auf die World Games aus. Der Fokus machte sich bezahlt. Nach dem Weltmeistertitel im vergangenen Jahr folgte nun Gold bei den World Games. „Es ist alles aufgegangen. Nike hat ein super Turnier gezeigt und genau das abgerufen, was wir trainiert haben“, sagte Paszkiewicz nach dem Finalerfolg, den die beiden bereits auf der Matte emotional feierten. „Einfach unbeschreiblich. Ich habe keine Worte dafür“, ergänzte Hünecke, sichtlich erschöpft, aber überglücklich.

Um Fairness und Chancengleichheit zu gewährleisten, tragen die Athlet*innen mit Sehbeeinträchtigung eine Augenbinde. Die sehbeeinträchtigte Partnerin muss dabei einen Angriff abwehren und sich mit einem Wurf und einer Abschlusstechnik verteidigen.

  • Porträtfoto Julia Paszkiewicz

    „Es ist alles aufgegangen. Nike hat ein super Turnier gezeigt und genau das abgerufen, was wir trainiert haben."

    Julia Paszkiewicz
    Para Ju-Jutsu
    SV Niederroth

    Dass sich die beiden gefunden haben, war nicht selbstverständlich: Julia bringt als klassische Ju-Jutsu-Athletin zwar viel Erfahrung mit. 2017 gewann die Freisingerin die Silbermedaille in der Disziplin Duo Mixed. 2022 hab es mit der Mannschaft Silber. Allerdings liegen ihre Trainingsorte über 1.000 Kilometer auseinander. Doch die Chance bei den World Games an den Start zu gehen, ließen sie sich nicht nehmen. Nike fährt alle zwei Wochen zu Julia nach Bayern, da die Trainingsanlagen dort bessere Bedingungen bieten. Training und gemeinsame Abstimmung sind essenziell im Duo-Wettbewerb, denn der Kampf lebt von Vertrauen. „Nike sieht im Wettkampf nichts, wenn ich zu fest schlage, kann das richtig weh tun.“ Größere Unfälle gab es bisher nicht, nur beim Aufwärmen bei der WM im letzten Jahr hat Nike einmal einen Tritt abbekommen: „Da war die Luft kurz weg, seitdem bin ich vorsichtiger und wachsam.“

    • Porträtfoto Nike Hünecke

      „Inklusion wird hier gelebt und wir leben es einfach mit!“

      Nike Hünecke
      Para Ju-Jutso
      MTV Rottorf

      Bei den World Games wird der inklusive Gedanke gelebt. Neben Para Ju-Jutsu war auch Para Freediving als zweite Para-Sportart in Chengdu vertreten. Allerdings ohne deutsche Beteiligung. Auch die deutsche Rollstuhlrugby-Mannschaft wäre liebend gerne nach China gereist. Vier Jahre zuvor in Birmingham wurde mit ihrem Rollstuhlsport erstmals eine Para-Sportart ins offizielle Programm der World Games aufgenommen – ein historischer Schritt. Dieses Jahr musste Rollstuhlrugby allerdings aus dem Programm genommen werden, da zu wenige Nationen ihre Teilnahme anmeldeten. Das zeigt, dass es noch viel zu tun gibt, um Para-Athlet*innen neben den Paralympischen Spielen auch Teil großer Multisportveranstaltungen werden zu lassen.

      Das deutsche Para Ju-Jutsu-Team wünscht sich eine weiterhin wachsende Integration: „Ich finde es mega gut, dass bei den World Games Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen am Start sind, weil dadurch Inklusion wirklich gelebt wird“, sagt Paszkiewicz. „Aber wenn es irgendwann so groß wird, dass man eigene Para World Games ausrichten könnte, wäre das auch ein starkes Statement für den Para-Sport“, ergänzt sie.

      Die beiden Ju-Jutsu-Athletinnen liegen sich mit der Goldmedaille um den Hals in den Armen.
      Nike Hünecke (rechts, 19) und Julia Paszkiewicz (links, 28) freuen sich über ihre Goldmedaille nach der offiziellen Siegerehrung.

      Die beiden sind dabei nicht nur Vorreiterinnen für Menschen mit Behinderungen in ihrer Sportart, sondern als einziges reines Frauen-Duo im Para Duo Visual möchten sie auch ein Vorbild für andere Sportlerinnen sein. Das die World Games das Programm gelockert haben und Frauen auch gegen Männer antreten können, begrüßen sie daher und sehen es auch als große Chance für die Gesellschaft: „Sport spielt eine zentrale Rolle für Inklusion. Für viele ist er Motivation und bringt soziale Kontakte. Menschen machen gemeinsam Sport. Die World Games sind für Inklusion eine riesige Chance, weil alle davon profitieren,“ sagte Julia und Rike wiederholte nochmal: „Inklusion wird hier gelebt und wir leben es einfach mit!“

      Der Erfolg des zweiten Para-Duos Christine Jahn und Alessandro Schober zeigt, dass Team Deutschland der Para Sport bei den World Games liegt. „Das erste Mal, dass Para Ju-Jutsu bei den World Games war und wir konnten zeigen, dass eine Behinderung nicht gleich ein Hindernis ist, sondern dass man Großes erreichen kann. Wir haben für Team D ein echtes Statement gesetzt“, bekräftigte Jahn. 

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