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Der erste Schritt auf dem langen Weg nach Los Angeles

Die deutschen Flag-Football-Teams starten in dieser Woche mit Medaillenambitionen bei der EM in Paris. Die Heim-WM 2026 in Düsseldorf soll dann den Pfad ebnen für die Teilnahme an der olympischen Premiere des Sports im Jahr 2028.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

22.09.2025

Zwei Flag-Football-Spielerinnen
Mexikos Frauen, hier im Ballbesitz, gewannen bei den World Games in Chengdu im August das Finale gegen die USA.

Der Blick auf das, was passiert ist in den vergangenen zwei Jahren, lässt Kyra Fischer und Benjamin Klever noch immer manchmal staunen. Die beiden 35-Jährigen gehören als Teamkapitäne der beiden deutschen Flag-Football-Nationalmannschaften zu den Pionieren ihres Sports in Deutschland. Aber die Geschwindigkeit, mit der sich die tackle-freie und damit deutlich risikoärmere, aber nicht weniger actionreiche Variante des US-Nationalsports entwickelt, seit sie im Oktober 2023 ins Programm der Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles aufgenommen wurde, beeindruckt die beiden weiterhin. „Flag Football wächst mit Riesenschritten. Überall in Deutschland gibt es neue Teams, in den Landesverbänden tut sich viel“, sagt Benny Klever. „Es ist schön zu sehen, welche Aufmerksamkeit unser Sport erfährt. Der Boom, den es um American Football gibt, strahlt auf uns ab, und die Inklusion ins Programm für Los Angeles hat das verstärkt“, sagt Kyra Fischer.

Die Europameisterschaften in der Variante Fünf gegen Fünf, die an diesem Donnerstag in Paris starten, dürften in puncto öffentlicher Aufmerksamkeit deshalb einen neuen Maßstab setzen. 43 Teams – 24 bei den Männern, 19 bei den Frauen – gehen in Frankreichs Hauptstadt an den Start. Ihr Ziel ist nicht nur der Titelgewinn, sondern auch die Qualifikation für die WM 2026, bei der die ersten Plätze für das Starterfeld der olympischen Premiere vergeben werden. Das Gute ist: Die deutschen Teams haben ihre Startberechtigung für das Weltturnier sicher, denn es wird vom 13. bis 16. August in Düsseldorf ausgetragen. „Für uns ist das natürlich eine komfortable Ausgangslage“, sagt Benny Klever, „trotzdem wollen wir sportlich das Optimum herausholen, und das kann für uns nur lauten, unseren Titel erfolgreich zu verteidigen.“

Vor zwei Jahren hatten die deutschen Männer in Limerick (Irland) EM-Gold gewonnen. Seitdem ist jedoch einiges passiert. Bei der WM 2024 gab es mit Rang zwölf eine herbe sportliche Enttäuschung. Anschließend formierten sich Mannschaft und Trainerstab neu. Der Mexikaner Said Salazar Déciga übernahm im Januar dieses Jahres die Position des zurückgetretenen Headcoaches Florian Berrenberg. Außerdem sind fünf Spieler aus dem Zwölferkader für die EM noch nie bei einem internationalen Großereignis für die Auswahl des American Football Verbands Deutschland (AFVD) aufgelaufen. „Das ist schon ein ziemlicher Umbruch. Aber wir haben eine gute Vorbereitung gehabt und sind zuversichtlich, dass wir um den Titel mitspielen können“, sagt Benny Klever.

  • Kyra Fischer

    Die Professionalisierung ist an vielen Stellen sichtbar. Es gibt mehr Jugendarbeit, die Förderstruktur für die Kaderspielerinnen ist besser geworden. Das sind alles Schritte in die richtige Richtung.

    Kyra Fischer
    Receiver und Team Captain
    Flag-Football-Nationalmannschaft

    Der Investmentfonds-Kaufmann, der als Operations Manager für eine US-Bank arbeitet, ist für den aktuellen deutschen Meister Walldorf Wanderers aktiv und wird das deutsche Team als Quarterback anführen. In der Gruppenphase warten in Dänemark, Slowenien, Finnland, Belgien und Polen Gegner, die allesamt nicht auf dem Niveau der Deutschen anzusiedeln sind. Die zwei besten Teams der vier Sechsergruppen erreichen das Viertelfinale, das wie Halbfinale und Endspiel am Samstag ausgetragen wird. Härteste Konkurrenten um den Titel dürften Frankreich, Österreich und Italien sein. Allerdings, und das gilt auch für das Frauenfeld, ist das aktuelle Leistungsniveau schwer einzuschätzen, da in ganz Europa die Entwicklung des Flag Football rasant angezogen hat.

    Das kann auch Kyra Fischer bestätigen. Die Frankfurterin ist für die Düsseldorf Firecats aktiv und wird hauptsächlich auf der Receiver-Position eingesetzt, kann aber auch Saskia Nühse (Dresden Monarchs) und Lena Rendel (Augsburg Lions) als Quarterback unterstützen. Star-Spielmacherin Mona Stevens (Düsseldorf Firecats) fehlt verletzt. Fischer, die als Gynäkologin an der Uniklinik Heidelberg angestellt ist und aktuell eine Weiterbildung in der gynäkologischen Onkologie absolviert, ist erst seit acht Jahren im Flag Football aktiv, hat die Aufbauphase des Frauen-Nationalteams seit 2021 erlebt und sieht mit Freude, dass die Aufnahme ins Olympiaprogramm wichtige Prozesse beschleunigt hat. „Die Professionalisierung ist an vielen Stellen sichtbar. Es gibt mehr Jugendarbeit, die Förderstruktur für die Kaderspielerinnen ist besser geworden. Ich kann zum Beispiel am Olympiastützpunkt in Heidelberg die Physiotherapie in Anspruch nehmen, wann immer es notwendig ist. Das sind alles Schritte in die richtige Richtung.“

    Einen solchen wollen die deutschen Frauen auch in Paris gehen. 2023 hatten sie EM-Bronze gewonnen. Bei der WM 2024 wurde die Qualifikation für die World Games, die in diesem August in Chengdu (China) stattfanden und von Mexiko gewonnen wurden, mit Rang neun denkbar knapp verpasst. „Wir hatten im Achtelfinale 16:0 gegen Italien geführt und noch 16:19 verloren. Das war extrem bitter“, sagt Kyra Fischer. In der EM-Gruppe – bei den Frauen sind drei Fünfergruppen und eine Vierergruppe am Start, aus denen die jeweils zwei besten das Viertelfinale erreichen – ist ihr Team vor Italien, Dänemark und Irland topgesetzt. Als weitere Medaillenanwärter hat sie Topfavorit Österreich, England und Spanien ausgemacht.

    • Benjamin Klever

      Der Weg zu Olympia ist hart, keine Frage. Aber mit der WM im eigenen Land haben wir ein absolutes Highlight, das uns hoffentlich hilft. Ich habe noch nie eine EM oder WM in Deutschland gespielt und freue mich schon jetzt sehr darauf.

      Benjamin Klever
      Quarterback und Team Captain
      Flag-Football-Nationalmannschaft

      Mit zunehmender Professionalisierung steigt auch die Erwartungshaltung und damit die zeitliche Beanspruchung. Mindestens vier Trainingseinheiten unter der Woche, dazu regelmäßige Trainingslager und Wettkämpfe – für voll berufstätige Menschen wie Kyra Fischer ist das ein anspruchsvolles Programm. Auch deshalb hat sie noch nicht entschieden, ob sie den Weg bis 2028 mitgehen kann. „Ich bin dann 38 Jahre alt und muss schauen, wie dann die Lage ist. Aber natürlich ist das ein riesiger Anreiz“, sagt sie. Benny Klever dagegen hat die kommenden drei Jahre fest eingeplant. Seine Ehefrau Louise war Teamkapitänin in Großbritannien, hat ihre aktive Karriere allerdings beendet und hält ihm in der Betreuung der beiden gemeinsamen Kinder den Rücken frei. „Ich habe alles gewonnen, was realistisch zu gewinnen war. Das letzte realistische Ziel ist jetzt die Olympiateilnahme, und ich denke, dass unsere Chancen bei 50:50 stehen“, sagt er.

      Nach aktuellem Stand nehmen in Los Angeles nur sechs Teams bei Frauen und Männern teil. Ob Goldfavorit USA als Gastgeber automatisch qualifiziert ist, steht noch nicht fest, die sportliche Qualifikation dürfte aber nur Formsache sein. Bei der WM werden weitere Plätze vergeben, ehe 2027 ein letztes Qualifikationsturnier stattfinden soll. „Der Weg zu Olympia ist hart, keine Frage. Aber mit der WM im eigenen Land haben wir ein absolutes Highlight, das uns hoffentlich hilft. Ich habe noch nie eine EM oder WM in Deutschland gespielt und freue mich schon jetzt sehr darauf“, sagt Benny Klever. Kyra Fischer ist ein wenig zurückhaltender: „Wenn die EM nicht gut läuft, können wir praktisch schon aufhören, über Olympia zu reden, und um es nach Los Angeles zu schaffen, müssen wir bei der Heim-WM richtig abliefern. Aber der Motivationsschub ist schon sehr groß.“ Die Aufbruchstimmung im Flag Football ist deutlich zu spüren, und die deutschen Teams wollen in dieser Woche alles dafür tun, um sie weiter anzufachen.

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