Der letzte internationale Tanz des Mats Grambusch
Der Kapitän der deutschen Hockeyherren beendet nach der Heim-EM in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach seine Karriere im Nationaltrikot. Ein Titelgewinn würde einen Kreis und eine Wunde aus 2023 schließen.

04.08.2025

Niemand, der dabei war, hat diese Bilder vergessen. Wie Mats Grambusch, die Hände über die Augen gelegt, von seinem Teamkollegen getröstet werden muss. Wie sich der Kapitän der deutschen Hockeyherren nach seinem Fehlschuss im Halbfinale der Heim-EM 2023 im Mönchengladbacher Hockeypark in der ihm eigenen eloquenten, ehrlichen Art den Medien stellt und dabei bemerkenswerte Sätze sagt: „Es ist eine Katastrophe. Dass ich es nicht geschafft habe, mein Team ins Finale zu bringen, zerreißt mir das Herz. Ich fühle mich schuldig, und das tut wahnsinnig weh.“ Und wie anschließend das Publikum versucht, ihn mit viel Applaus aufzubauen, was nach einem so tragischen Spielausgang, den Grambusch als einziger Fehlschütze des Penaltyschießens gegen England aus seiner Sicht verantwortete, naturgemäß nur misslingen kann.
Zwei Jahre danach lässt der Mittelfeldregisseur im Gespräch keinen Zweifel daran zu, dass er das Erlebnis rückstandslos verarbeitet hat. „Es ist lange her, die Erinnerung daran kann ich komplett ausblenden, auch weil ich in Penalty-Shoot-outs ausreichend positive Erfahrungen gemacht habe. Wenn es dazu käme, dass ich im Halbfinale erneut als letzter Schütze antreten muss, nachdem alle anderen getroffen haben, dann wäre es sicherlich menschlich, würde ich einen Augenblick daran denken. Aber es belastet mich keineswegs“, sagt der 32-Jährige, der in dieser Woche mit dem deutschen Team vor der kuriosen Gelegenheit steht, das vor zwei Jahren Erlebte an Ort und Stelle vergessen machen zu können. Weil der Europaverband Probleme hatte, für die kontinentalen Titelkämpfe einen Ausrichter zu finden, fragte er nach den sehr positiven Eindrücken aus 2023 erneut beim Deutschen Hockey-Bund (DHB) an. Dieser sagte zu, und so messen sich vom 8. bis 17. August nun erneut die acht besten europäischen Auswahlteams bei Damen und Herren in Mönchengladbach.
Einziger Europameister von 2013 im aktuellen Kader: Mats Grambusch
Für Mats Grambusch hat dieses Turnier aus mehreren Gründen einen noch höheren Stellenwert als jenes vor zwei Jahren. Dass er in Mönchengladbach geboren ist, dort lebt und mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder Tom ein Immobilienunternehmen in der Stadt führt, war auch damals schon so. Nun jedoch spielt er seit seinem nach den Olympischen Spielen von Paris vollzogenen Wechsel von Rot-Weiß Köln zum Gladbacher HTC nicht nur für seinen Heimatverein. Die EM ist auch sein letztes Turnier im Nationaltrikot. „Das ist beschlossen und auch kommuniziert. Ich hoffe also, dass ich mich angemessen von der internationalen Bühne verabschieden kann“, sagt der Vater einer zwei Jahre alten Tochter.
Angemessen wäre für den amtierenden Weltmeister und Olympia-Silbergewinner der Titel, doch auf EM-Gold warten die erfolgsverwöhnten deutschen Herren seit mittlerweile zwölf Jahren. Einziger Spieler im aktuellen Kader, der 2013 in Boom (Belgien) triumphierte: Mats Grambusch. „Keine Frage, wir warten schon lange und es wird wirklich Zeit. Natürlich wäre es eine tolle Story, wenn ich bei meinem ersten und meinem letzten EM-Turnier den Titel holen könnte. Aber allein die Tatsache, dass wir so lange nicht ganz oben standen, zeigt, wie eng die Spitze in Europa beisammen ist“, sagt er. Favorit auf den Titel seien aus seiner Sicht die Niederlande, im Kader des Olympiasiegers hat es nach Paris die geringste Fluktuation gegeben. „Danach kommen Belgien und wir, aber auch mit Spanien und den Engländern muss man immer rechnen.“
Letztere dürften im zweiten Spiel der Vorrunde am 10. August (15.00 Uhr) der härteste Konkurrent um den Gruppensieg sein. Wobei Grambusch vor dem Auftakt gegen Frankreich am 8. August (19.30 Uhr) warnt. „Die Franzosen machen seit Jahren einen guten Job und haben schon einigen Topteams Punkte geklaut. Wir müssen sofort voll da sein.“ Im Gruppenabschluss gegen Polen am 12. August (19.30 Uhr) zählt für die Auswahl von Bundestrainer André Henning, die sich in Düsseldorf in einem Hotel fernab des Turniertrubels einquartiert hat, dagegen nichts als ein klarer Sieg. „Die müssen wir schlagen“, sagt auch Mats Grambusch, der die Parallelgruppe mit Titelverteidiger Niederlande, Belgien, Spanien und Österreich als etwas stärker einschätzt.
Interessant wird sein, wie das deutsche Team die Abgänge und Ausfälle der Leistungsträger Mathias Müller, Marco Miltkau, Niklas Wellen, Martin Zwicker (alle internationales Karriereende) und Christopher Rühr (studienbedingt) verkraftet. „Wenn man auf die Namen schaut, haben wir sicherlich etwas an Substanz eingebüßt. Aber ich hoffe, dass wir das über die Einstellung und den Zusammenhalt kompensieren können“, sagt Mats Grambusch, der insbesondere den vier Turnierneulingen einiges zutraut. „Wir kennen die Jungs seit Jahren aus dem Trainingskader und wissen, was die vier können. Sie werden sportlich keinerlei Anpassungsprobleme haben“, sagt er.
So hält er Michel Struthoff (22/RW Köln) „offensiv für unseren stärksten Einzelspieler, der sich auch athletisch und defensiv deutlich verbessert hat und der X-Faktor werden könnte.“ Raphael Hartkopf (26/Mannheimer HC) könne Miltkau als klassischen Kreisstürmer ersetzen, „er hat erfrischende Laufwege und ist am langen Pfosten immer für eine Bude gut.“ Erik Kleinlein (24/Mannheimer HC) sei auf der Sechserposition ein vielversprechender Ersatz für Zwicker, „er ist sehr spielintelligent und hat mutige Durchbrüche, mit denen er die Gegner durchaus überraschen wird.“ Dem Hamburger Benedikt Schwarzhaupt (24), zuletzt für Real Club de Polo Barcelona aktiv, attestiert er in erster Linie eine starke Strafecke. „Damit entlastet er unsere Hauptschützen, Gonzalo Peillat und meinen Bruder, und er wird sich problemlos in die Innenverteidigung einfügen.“
Damen spielen gegen Frankreich, Niederlande und Irland
Die deutschen Damen, die ebenfalls zuletzt 2013 den EM-Titel holten, müssen sich bereits in der Vorrunde mit Titelverteidiger, Weltmeister und Olympiasieger Niederlande messen, die Partie ist am 11. August um 20.30 Uhr angesetzt. Zum Auftakt spielt das Team von Bundestrainerin Janneke Schopman, für die es das erste große Turnier mit den „Danas“ ist, ebenfalls gegen Frankreich (9. August, 18.00 Uhr). Zum Abschluss wartet am 13. August (20.00 Uhr) Irland. Alle Partien beider deutscher Teams werden kostenlos beim Streamingdienst MagentaSport übertragen.
Die EM markiert zwar Mats Grambuschs internationales Halali. In der Bundesliga, in die er mit dem GHTC im Feld aufgestiegen ist, wird er aber weiterspielen. „Die Rückkehr war eine große Veränderung, weil wir uns mit Rot-Weiß sowohl sportlich als auch finanziell nicht messen können. Emotional war sie aber etwas ganz Besonderes, und ich möchte gern noch etwas dazu beitragen, die angestoßene Entwicklung im Verein weiterzuführen“, sagt er. Als Führungsspieler, der er seit vielen Jahren im DHB-Dress und in seinen Vereinen ist, kann er dem Aufsteiger noch viel geben. Und ein letztes Mal nun der Nationalmannschaft; wenn nötig, auch im Penaltyschießen.