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Die Grundidee: Sport für alle

Zum 80. Geburtstag des Hamburger Sportwissenschaftlers Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

29.08.2025

Porträt Hans-Jürgen Schulke
Hans-Jürgen Schulke ist auch mit 80 noch ungebrochen aktiv.

Über die Stationen, Projekte, Ämter und Verdienste im Leben von Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke zu schreiben, ist eine Herausforderung - die Liste ist lang und vielseitig. Der Sportwissenschaftler kennt den Sport in all seinen Facetten nicht nur, sondern hat ihn als Sportler, als hauptamtlicher Mitarbeiter im Verband und in der Kommune, als ehrenamtlicher Funktionär und natürlich als Sportwissenschaftler immer aktiv gelebt. All seine Funktionen und Tätigkeiten basieren auf seiner Grundidee: Sport für alle. „Sport ist ein einzigartiges Kulturgut, das Menschen verbindet und die Gesundheit fördert“, sagt Schulke, „das müssen wir für möglichst viele Menschen attraktiv und zugänglich machen.“ Und das war immer sein Antrieb.

Der Sportwissenschaftler feierte am 28. August seinen 80. Geburtstag und ist ungebrochen aktiv, sportlich als früherer Handballspieler und Marathonläufer sowieso, aber vor allem, um seine Grundidee weiter in die Praxis umzusetzen. Unter anderem führte sie ihn vor 25 Jahren zu einem Thema, das ihm ganz besonders am Herzen liegt: Menschen mit geistiger Behinderung Sport zu ermöglichen. Heute nennt er es eine Offenbarung, als der damalige Bürgermeister ihn ins Boot holte, um 2004 die Nationalen Spiele von Special Olympics in Hamburg zu veranstalten. „Ich wusste damals gar nicht genau, was das war“, sagt er heute, „aber es war ein Riesenerlebnis und für mich der Anstoß, mich für inklusiven Sport zu engagieren.“

Das macht er bis heute, vor allem in seinem Hamburger Herzensprojekt IBI (inklusive Bewegungsinseln), wo Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen auf dem Gelände ihrer Wohn- und Arbeitsorte ihrem Sport nachgehen können. Schulke treibt es um, dass 80 bis 90 Prozent dieser Menschen keinen Zugang zum Sport haben. „Dabei ist Sport gerade für sie so wichtig. Das Hauptproblem ist meist die Mobilität“, sagt er, „viele schaffen es nicht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Sportstätte oder zu einem Verein zu kommen. Deshalb bringen wir den Sport zu ihnen.“ Sechs der Bewegungsinseln sind bereits gegründet, zwei kommen in der nächsten Zeit dazu, und er hofft, dass Anfang kommenden Jahres dann das Ziel zehn erreicht ist.

  • Hans-Jürgen Schulke

    Sport ist ein einzigartiges Kulturgut, das Menschen verbindet und die Gesundheit fördert, das müssen wir für möglichst viele Menschen attraktiv und zugänglich machen.

    Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke
    Sportwissenschaftler

    Es ist immer auch das eigene Erleben, das Hans-Jürgen Schulke anderen auch zukommen lassen will. Als jüngster von fünf Brüdern vaterlos im Nachkriegsdeutschland in einfachsten Verhältnissen aufgewachsen, fand er den ersten großen Halt im Sport. Im Sport erlebte er Gleichberechtigung und Anerkennung und hatte immer wieder Betreuer, sozusagen väterliche Freunde, die ihm das moralische Rüstzeug für sein Leben mitgegeben haben. So zieht es sich durch seine Karriere, dass er immer alle mitgenommen hat. „Es war immer mein Hauptziel, alle an den Sport heranzuführen und auch, die nicht gut werfen konnten, im Handball so mit einzubauen, dass sie mitmachen konnten.“

    Diese Haltung hat ihn schon während des Sportstudiums geprägt. „Ich habe schnell gemerkt, dass das nicht die Realität im Verein und im Schulsport ist. Das war nicht das, was meine Schüler und die Jugendlichen im Verein brauchten“, sagt er, der schon in jungen Jahren den Übungsleiter gemacht und mit 15 als Trainer im Handball und in der Leichtathletik gewirkt hat. Also hat er 1969 mit Kommilitonen die erste Fachschaft Sport in Deutschland gegründet und das Sportstudium umgekrempelt, Sportsoziologie, Sportpsychologie und Bewegungslehre eingeführt. Aber vor allem hat der Hochschullehrer Schulke nie die Praxis aus den Augen verloren: „Wissenschaft hat mich immer nur interessiert, wenn ich daraus etwas entnehmen konnte, was in der Praxis umgesetzt werden kann.“

    Er beließ es nie bei der Theorie: Ob als Bildungsreferent im Hamburger Sportbund noch während des Studiums, später als Renndirektor beim Bremen-Marathon, als Organisator des Deutschen Turnfestes in Hamburg 1994, als Direktor des Sportamts und Landessportreferent der Stadt Hamburg oder als Ausrichter von Kongressen mit zukunftsweisenden Themen, um nur einige Stationen zu nennen.

    Es gäbe noch viel zu berichten: die Gründung des Instituts für Gesundheit, Sport und Ernährung in Bremen, die Stationen Bremen und Hamburg als Hochschullehrer, die Ehrenämter beim Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband, dem Deutschen Turnerbund oder bei Special Olympics Deutschland, für die er auch achtmal Präsident des Organisationskomitees der Nationalen Spiele war. Oder seine Durchsetzungskraft in der Sportministerkonferenz, als er rund um das Sommermärchen 2006 in Deutschland gegen den Widerstand der Politik hartnäckig und erfolgreich für das Public Viewing kämpfte. Oder seine rund 40 Bücher, die er veröffentlicht hat, oder seine Texte für die DOSB-Presse, die er regelmäßig schrieb.

    Und da ist natürlich auch eine große olympische Vergangenheit. Bereits 1972 war Schulke in München im Studentenlager dabei, 1976 erschien sein Buch „Die Zukunft der Olympischen Spiele“, 1980 schrieb er gegen den Olympiaboykott. Und 2002 war er als Sportamtsdirektor verantwortlich für die Hamburger Olympiabewerbung „Spiele im Herzen der Stadt“. Auch wenn damals aus den Spielen trotz breiter Zustimmung der Bevölkerung nichts geworden ist, so war die Bewerbung doch ein Zukunftsmodell, das in Sachen Sport in der Stadt viel bewegt hat.

    Vor allem aber ist er sich und seiner Grundidee „Sport für alle“ immer treu geblieben. Auch deshalb ist er ein großer Fan der Sportvereine, die für ihn „im Grunde das Ideal der Französischen Revolution leben: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Das gibt es in keiner anderen Organisationsform, die wir kennen.“

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