Ein großes Herz für das Ehrenamt - einfach unbezahlbar
Zum Global Coaches Day spricht die Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Daniela Anschütz-Thoms stellvertretend für alle ehrenamtlichen Übungsleiter*innen über die guten und die herausfordernden Seiten des Engagements in einem Sportverein.

22.09.2025

Über Geld wird viel geredet, auch im Sport. Aber das, was sie für unbezahlbar hält, kann Daniela Anschütz-Thoms derart emotional schildern, dass nicht einmal für eine Sekunde Zweifel daran aufkommen, dass sie ihr Engagement nicht von monetärer Entlohnung abhängig macht. „Wenn Kinder nach langem Üben feststellen, dass sie etwas können, freue ich mich jedes Mal von Herzen mit. Es ist richtig cool, sie dabei zu beobachten, wie stolz sie sind, etwas gelernt zu haben. Und diejenige zu sein, die ihnen das beibringt, ist das, was die Aufgabe so besonders und befriedigend macht“, sagt die 50-Jährige. Weil an diesem Mittwoch (25. September) der Global Coaches Day ansteht, waren wir auf der Suche nach einer Übungsleiterin, die stellvertretend für ihre Zunft die guten und herausfordernden Seiten des Ehrenamts beleuchtet, auf Daniela Anschütz-Thoms gestoßen. Und im Gespräch wird schnell klar, wie passend diese Wahl war.
Als zweimalige Olympiasiegerin in der Teamverfolgung (2006 in Turin und 2010 in Vancouver) hätte die ehemalige Weltklasse-Eisschnellläuferin ohne Frage eine hauptamtliche Karriere im Trainerbereich anschließen können. „Aber ich habe mich bewusst dafür entschieden, aus dem System auszusteigen. Nicht, weil ich den Sport nicht mehr liebe, sondern weil ich noch einmal ein anderes Leben kennenlernen wollte“, sagt sie. Ihr Geld verdient die gelernte Rechtsanwaltsgehilfin deshalb als Angestellte im Thüringer Wirtschaftsministerium. Aber weil der Sport weiterhin eine Herzensangelegenheit für sie ist, übernahm sie, als ihre Tochter Mia (heute 14) 2016 mit dem Eisschnelllaufen begann, bei ihrem Heimatverein ESC Erfurt, dem sie auch nach der aktiven Karriere immer treu geblieben war, eine Übungsleitung im Jugendbereich.
Sport soll Kindern in erster Linie Spaß bringen
Ihre Aufgabe ist es, dreimal pro Woche Kinder der Klassenstufen eins bis vier im Eisschnelllauf auf den Wechsel an die Eliteschule des Sports in der Landeshauptstadt Thüringens vorzubereiten. „Ich mache das sicherlich nicht des Geldes wegen. Die Summen, die ich als Olympiasiegerin fordern könnte, könnte kein Verein bezahlen. Aber darum geht es mir nicht“, sagt sie. Ihr Antrieb sei, ihre Erfahrungen aus dem Leistungssport weiterzugeben und Kinder dabei zu unterstützen, einen ähnlichen Weg einschlagen zu können. „Die Einstellung der Gesellschaft zum Leistungssport hat sich über die vergangenen Jahrzehnte deutlich verändert, er hat längst nicht mehr den Stellenwert, den ich noch zu DDR-Zeiten auf der Sportschule vermittelt bekommen habe. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, den Kindern zu erklären, was Leistungssport ihnen bieten und bringen kann“, sagt sie. Der Sport habe sie zu dem Menschen gemacht, der sie heute sei. „Und ich möchte anderen zeigen, dass es sich lohnt, sich für etwas anzustrengen“, sagt sie.
Dazu gehöre eine gewisse Strenge, die sie jedoch nicht überstrapaziere. „Natürlich klagen Kinder manchmal, dass das Training anstrengend ist und ihnen auch mal etwas weh tut. Dann sage ich: Genau dafür sind wir doch hier! Im Leben bekommt ihr später auch nichts geschenkt, da hilft es nichts, sofort aufzugeben, wenn es mal weh tut.“ Dennoch achte sie darauf, dass die Balance aus Anstrengung und Vergnügen gewahrt bleibe. „Den Kindern soll Sport in erster Linie Spaß bringen, nur dann bleiben sie dabei und können das Beste aus sich herausholen“, sagt sie. Und wenn dann Glücksmomente wie die eingangs beschriebenen gemeinsam erlebt werden, spüre sie, warum die Entscheidung für das Ehrenamt richtig war.
Acht Stunden pro Woche bringt Daniela Anschütz-Thoms für ihren Nebenjob im Durchschnitt auf - im Winter, wenn an Wochenenden Wettkämpfe anstehen, sind es mehr als im Sommer. In ihrem Verein, der von ihrem Ehemann Marian Thoms geführt wird, sei die Wertschätzung für das Personal hoch, und sie fühle sich in der Gemeinschaft wunderbar integriert. Natürlich könne es vorkommen, dass sie angesichts ihrer sportlichen Erfolge von manchen Eltern anders wahrgenommen werde als andere Teammitglieder. „Aber die Kinder wissen nichts über meine Vergangenheit, und ich möchte auch keinerlei Sonderbehandlung, nur weil ich Olympiasiegerin bin. Ich möchte ein normaler Teil des Trainerteams sein und meine Sicht auf die Dinge einbringen, weil ich glaube, dass es diese Mischung aus ganz unterschiedlichen Charakteren braucht, um perfekt auf die Kinder eingehen zu können.“
Die Entwicklungen im Breiten- und Leistungssport sind selbstverständlich auch am ESC Erfurt nicht vorübergegangen. Der wachsende Personalengpass bereitet Daniela Anschütz-Thoms manches Mal Sorgen, auch wenn sie den positiven Auslöser dafür nicht aus dem Blick verliert. „Es werden ja nicht nur weniger Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, sondern es werden auch immer mehr, die sich sportlich betätigen möchten. Diese Nachfrage können viele Vereine nicht mehr bedienen, was bitter ist. Aber ich freue mich, dass immer mehr Menschen organisiert Sport treiben wollen“, sagt sie. Im ESC haben sie auch weniger Probleme mit der Anzahl an Übungsleitenden denn mit der hohen Fluktuationsrate. „Viele ehemalige oder auch noch aktive Sportler steigen bei uns als Trainer ein, aber oftmals bleiben sie nur ein paar Jahre, ehe sie sich beruflich oder räumlich verändern. Da bleibt dann eine gewisse Konstanz im Personalbereich auf der Strecke“, sagt sie.
Auf die Frage, wie es gelingen könne, mehr Menschen für ehrenamtliches Engagement zu begeistern, hat Daniela Anschütz-Thoms eine klare Antwort: „Natürlich ließe sich mit mehr Geld einiges aufwerten, aber das kann niemals das entscheidende Argument sein. Wer an erster Stelle fragt, was im Ehrenamt zu verdienen ist, ist hier nicht richtig. Die Leidenschaft und Begeisterung für das, was man tut, müssen stimmen, damit die Menschen bei der Stange bleiben“, sagt sie. Natürlich helfe es, Wertschätzung über einen guten Teamgeist oder persönliche Belohnungen zu vermitteln. „Aber wenn ich nicht die intrinsische Motivation und den Willen mitbringe, mich für die Sache einsetzen zu wollen, dann wird es nicht funktionieren.“
Politische Maßnahmen stimmen sie zuversichtlich
Zuversichtlich stimme sie, dass die Politik den Eindruck erwecke, das Problem erkannt zu haben und angehen zu wollen. Das im Juni 2024 vom Thüringer Landtag beschlossene Ehrenamtsgesetz sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dass über das Steueränderungsgesetz die Rahmenbedingungen für Ehrenamtliche verbessert werden sollen, zum Beispiel durch höhere Pauschalen oder höhere Grenzen der Haftungsbeschränkung, hält sie für ebenso positiv wie die Einführung einer Staatsministerin für Sport und Ehrenamt im Bundeskanzleramt. Einflussnahme durch antidemokratische Handlungen politischer Extremisten, über die in ostdeutschen Bundesländern mit zahlreicher AfD-Wählerschaft manche Vereine klagen, habe sie noch keine erlebt.
„Alles in allem habe ich das Gefühl, dass wir auf einem guten Weg sind, die Sportvereine in Deutschland zu stärken“, sagt Daniela Anschütz-Thoms. Was sie dazu beitragen kann, wird sie beitragen, ohne aufs Geld zu schauen. Menschen wie sie, und davon gibt es zum Glück noch eine siebenstellige Zahl in Deutschland, sind einfach unbezahlbar.