Europäische Spiele
Das EOC (European Olympic Committee), die Organisation der Europäischen Olympischen Komitees, hat in diesen Tagen eine besondere Expertise in Auftrag gegeben.

09.03.2011

Fachleute sollen prüfen, ob in Europa zukünftig Europäische Spiele stattfinden können. Besonders aktiv ist dabei Patrick Hickey, derzeitiger EOC-Präsident und Präident des irischen Nationalen Olympischen Komitees (NOK). Diese Expertise ist längst überfällig.
Der Gedanke kontinentaler Spiele ist naheliegend und verlockend
Panamerikanische Spiele, Asienspiele, Afrikaspiele, Kontinentalwettkämpfe als sportliche Großveranstaltung haben ohne Zweifel bereits eine sehr lange Tradition und nicht zuletzt die Panamerikanischen Spiele haben sich dabei als äußerst erfolgreich erwiesen. Sie wurden bereits 25mal durchgeführt. Die Asienspiele fanden 16 Mal und die Afrikanischen Spiele neun Mal statt.
Der Gedanke, dass jeder Kontinent seine eigenen Spiele aufzuweisen hat, die in der Struktur den Olympischen Spielen ähneln, ist naheliegend und verlockend. Aus der Perspektive eines Sportinteressierten ist die Frage naheliegend, warum es diese Europäischen Spiele nicht schon längst gibt.
Immerhin ist Europa jener Kontinent, aus dem die Gründungsväter des modernen Sports stammen, und die große Mehrheit der olympischen Sportarten sind europäischen Ursprungs. Gleiches gilt für die Olympischen Spiele selbst und für die Commenwealth Games. Ja, so könnte man vermuten, hätte man sie rechtzeitig eingerichtet, bevor der Kalender der sportlichen Wettkämpfe explodiert ist, so wären diese Spiele ein unverzichtbarer Baustein in der Welt des Sports geworden.
Ob Europäische Spiele in der näheren Zukunft möglich sind, scheint hingegen zweifelhaft zu sein. Will man Europäische Spiele im überfüllten globalen Sportkalender auf Dauer positionieren, so geht dies nur zu Lasten anderer Sportereignisse, und es wird vermutlich dieser Schritt auch dann nur möglich sein, wenn sich diese Spiele ab der ersten Stunde durch höchste Qualität und Attraktivität auszeichnen.
Spiele müssten ein Alleinstellungsmerkmal haben
In der mittlerweile in der ganzen Welt entstandenen äußerst komplexen Sporteventkultur müsste sich dieses Ereignis durch ein Alleinstellungsmerkmal auszeichnen. Dies könnte zur Folge haben, dass Fernsehen und Sponsoren eine Partnerschaft mit diesem Ereignis als dringend erwünscht bewerten würden. Angesichts der Höhe der Qualitätshürde, die von den Europäischen Spielen zu überwinden ist, stellt sich die Frage, wer für derartige Spiele verantwortlich zeichnen könnte.
Gewiss macht es wenig Sinn, wenn die Europäischen Olympischen Komitees sich als mögliche Veranstalter sehen, ohne dass sie selbst über Athleten und Sportarten verfügen. Es macht auch wenig Sinn, ohne die Athleten und die wichtigsten Verbände ein Sportereignis zu kreieren, das sich sehr schnell im Widerspruch zu Athleteninteressen und Verbandsinteressen befinden kann.
Die entscheidende Frage in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit Europäischer Spiele stellt sich jedoch über die Finanzen. Eine Teilnahme europäischer Spitzenathleten und deren europäischer Verbände an Europäischen Spielen ist nur dann wahrscheinlich, wenn sie unter finanziellen Gesichtspunkten attraktiv genug ist, um auf eine andere Veranstaltung verzichten zu können.
Ohne Athleten und Verbände geht es nicht
Es stellen sich somit zwei Fragen: Wer kommt für die Kosten Europäischer Spiele auf? Und, nicht weniger bedeutsam, wie werden die Gewinne, die durch diese Spiele erzielt werden können, verteilt? Beide Fragen hängen auf das Engste zusammen. Dabei wird allerdings auch sehr schnell ein sehr schwieriges Dilemma sichtbar.
Ohne die Athletinnen und Athleten, aber auch ohne die Europäischen Sportverbände, – allen voran die der Leichtathletik und des Schwimmens – wird es keine Europäischen Spiele geben. Beide sind nur dann bereit, an den Spielen teilzunehmen, wenn es für sie finanziell attraktiv ist, das heißt, sie können nicht an den Kosten beteiligt sein. Die notwendigen Finanzen müssen somit von Dritten aufgebracht werden, die möglicherweise bei erfolgreichen Spielen ebenfalls Gewinne erzielen können, deren finanzielles Risiko jedoch erheblich ist.
Bei der Suche nach Investoren wird man sehr schnell erkennen müssen, dass Europäische Spiele nur dann möglich sein werden, wenn sich die Metropolen der Europäischen Nationen die Europäischen Spiele zu ihrer eignen Sache machen. Europäische Spiele müssen gewollt sein.
Neue Sportpolitik der EU wäre nötig
Sie sind nur dann möglich, wenn die Europäische Union mit einer neuen qualitativen Sportpolitik den Weg zu diesen Spielen bereitet. Die europäischen Hauptstädte müssen in einem durchdachten Turnus Ausrichter dieser Spiele werden. Auf bestehende Infrastrukturen könnte dabei zurückgegriffen werden. Die Spiele bilden damit einen Anlass zur notwendigen Modernisierung veralterter Strukturen. Das europäische Fernsehen, das heißt die EBU und große europäische Konzerne müssen für die Finanzierung dieser Spiele gewonnen werden.
Sportfachverbände müssen mit einer Stimmer sprechen
Für den politischen Integrationsprozess Europas, den die EU politisch zu verantworten hat und deren Beteiligung dadurch dringend geboten ist, wären Europäische Spiele ohne Zweifel äußerst reizvoll. Der Sport als besonderes Ausdrucksmittel einer europäischen Kultur hat in der Entwicklung des Weltsports große Verdienste erreichen können. Heute ist der Sport in Europa mehr denn je gefragt, wenn es um den Integrationsprozess Europas geht.
Eine Konferenz der europäischen Sportfachverbände wäre somit mehr als wünschenswert. Sprechen sie mit einer Stimme und vertreten sie dabei glaubwürdig die Interessen der Athletinnen und Athleten, so könnten sie durchaus Gehör innerhalb der Europäischen Union finden, wenn es zukünftig um die Frage der Ausrichtung Europäischer Spiele zu gehen hat.
Autor: Helmut Digel