Europarekord und Olympia-Vierter
Der Sport hat ihn durchs Leben begleitet als Athlet, Ehren- und Hauptamtler - der frühere Weltklasse-Mittelstreckler Franz-Josef Kemper wird 80 Jahre alt.

30.09.2025

Die zwei Höhepunkte in der sportlichen Karriere des einstigen Weltklasse-Mittelstrecklers Franz-Josef Kemper, der am heutigen 30. September 80 Jahre alt wird, sind schnell ausgedeutet: Der Europarekord über 800 Meter im Jahr 1966 und natürlich der vierte Platz, ebenfalls über 800 Meter, bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Kemper hat das alles noch präsent, wie zufrieden er mit seinem Rennen und der Platzierung war, nachdem ihn im Vorfeld eine Krankheit gebremst hatte, wie er abends noch beim Hochsprung der Frauen den sensationellen Sieg der damals 16-jährigen Ulrike Meyfarth im Stadion erlebte und wie er und einige Sportkollegen noch am gleichen Abend aufbrachen zum Klettern nach Österreich. Als sie nach erfolgreichem Bezwingen der Wildspitze am nächsten Tag nach München zurückkamen, war nichts mehr so wie vorher. Vom Attentat hatten sie erst erfahren, als sie mehrere Stunden vor dem Olympischen Dorf warten mussten, ehe sie wieder eingelassen wurden. Kemper erinnert sich bis heute an die gedrückte Stimmung in den Tagen danach, von der sich die Spiele nicht mehr erholten.
Acht Jahre zuvor hatte die Karriere des jungen Leichtathleten mit einem spektakulären zweiten Platz bei der Deutschen Meisterschaft in Berlin so richtig Fahrt aufgenommen. Kemper war 18 Jahre alt und gemeinsam mit seinem Bruder nach Berlin getrampt. „Wir hatten ja kein Auto. Ich habe von meinem Vater 50 Mark bekommen für diese Reise, aber die wollte ich ja nicht für die Fahrt ausgeben“, sagt er. Spät in Berlin angekommen, klingelten sie bei ihrem Onkel, einem Professor der Angewandten Zoologie in Dahlem, doch entweder schlief er schon oder er hörte die Klingel nicht, jedenfalls machte er den beiden nicht auf. Aber in der Einfahrt stand sein VW. „Wir hatten dann das Glück, dass er so ein bisschen ein zerstreuter Professor war und das Auto nicht abgeschlossen hatte,“ berichtet Kemper, „wir haben dann im Auto geschlafen.“ Am nächsten Tag qualifizierte er sich im Vorlauf für das Finale und am übernächsten lief er völlig überraschend auf Platz zwei. „Das war schon eine kleine Sensation, dass ein völlig Unbekannter hinter dem etablierten Manfred Kinder zweiter wurde.“
Ein Jahr später gewann er bereits den ersten von fünf nationalen Meistertiteln über 800 Meter. Und 1966 wurde er erneut Deutscher Meister in 1:44,9 Minuten - das war Europarekord. Zwei Olympiateilnahmen (1968 und 1972), eine EM-Silbermedaille, je ein Weltrekord über 1.000 und mit der Staffel über 4x800 Meter sowie einige weitere Deutsche Meistertitel in der Halle und in der Staffel gehören zu seiner imposanten Bilanz. Kemper war allseits für seinen Schlussspurt bekannt, sagt aber, dass er eigentlich gar kein schneller Sprinter war: „Ich hatte das Talent, dass ich weniger schnell als andere in die Sauerstoffschuld kam und somit nach 600 oder 700 Metern einfach weniger langsam wurde als andere. Das wirkte dann immer wie ein schneller Spurt.“ Ein Jahr nach den Spielen in München hat er im Alter von 27 seine Karriere beendet, weil er sein Studium voranbringen wollte.
Dem Sport blieb er sein Leben lang treu. Viele Jahre auch im Ehrenamt, zunächst im Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes als Ex-Leistungssportler in der Zuständigkeit für den Breitensport. „Das hat sich so ergeben, weil Manfred Steinbach für den Bereich Leistungssport einfach gesetzt war“, sagt Kemper, der aber zusehends Freude am Thema Breitensport fand. Von 1989 bis 1998 war er Mitglied im Bundesvorstand Breitensport des Deutschen Sportbundes (DSB), vier Jahre lang hatte er in dieser Zeit zudem den Vorsitz der AG Sport und Gesundheit im DSB inne. Nach Gründung der Nationalen Anti Doping Agentur Deutschland 2002 gehörte er einige Jahre deren AG Prävention an und wurde bekannt für seinen Ansatz, die Prävention nicht nur auf die Athleten zu konzentrieren, sondern das Umfeld mit zu bedenken. Bis heute ist er im Leichtathletik-Förderverein Hessen aktiv.
Auch beruflich ließ ihn der Sport nicht los. Nach dem Studium (Germanistik und Sport in Münster, Soziologie in Darmstadt) wurde er 1980, da war er schon längst aus Westfalen ins Rhein-Main-Gebiet gewechselt, an der TH Darmstadt im Fach Soziologie promoviert. Danach begann seine berufliche Laufbahn als Ministerialbeamter im hessischen Sozialministerium in Wiesbaden, wo er für Grundsatzfragen der Sportförderung und Freizeitpolitik zuständig war. 1994 ging er als Leiter der Abteilung Sport und Ehrenamt ins Ministerium des Innern und für Sport in Rheinland-Pfalz, wo er von 2004 bis 2006 auch Beauftragter des Landes für die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland war.
Ursprünglich hatte er eine berufliche Karriere an der Hochschule angestrebt, die er am Sportinstitut in Münster auch begonnen und sie während der Zeit als Ministerialbeamter durch einige Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen auch immer weiterverfolgt hatte. Nach seiner Pensionierung lehrte er bis 2017 an der privaten accadis Hochschule in Bad Homburg im Fachbereich International Sports Management.
Sportlich reizte ihn nach Beendigung der aktiven sportlichen Karriere - wie so viele Leistungssportler - der Marathon, aber er beließ es bei einem (3:14 Stunden). Kemper läuft bis heute regelmäßig, „aber langsam“, und nicht mit seiner Frau, der früheren 800-Meter-Läuferin Sylvia Schenk. „Früher war ich der Schnellere, heute ist sie es.“ Außerdem spielt er Golf und fährt Rad, bis vor wenigen Jahren auch stets bei der „Tour der Hoffnung“, um Spenden zu sammeln für an krebskranke Kinder. Und er ist ein begeisterter Skifahrer - der nächste Skiurlaub im März ist bereits geplant.