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„Gleiches Geld für gleiche Leistung - das sollte selbstverständlich sein!“

Im Rahmen des Diversity-Monats sprechen wir mit Testimonials aus dem Leistungssport zu den Vielfaltsdimensionen des DOSB. Die Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann (44) erläutert, warum sie sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzt und welche Hürden sie in diesem Bereich überspringen musste.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

13.05.2025

Eine Reiterin sitzt auf ihrem Pferd und überspringt ein Hindernis
Janne Friederike Meyer-Zimmermann und ihr Paradepferd Messi in Aktion beim Global-Champions-Tour-Wettbewerb in Rom 2024.

DOSB: Janne, du hast im Jahr 2022 die Initiative „Equal Equest“ mitgegründet, in der du dich mit vielen weiteren Größen des Pferdesports für Geschlechtergerechtigkeit einsetzt. Was war der Auslöser für die Gründung? 

Janne Friederike Meyer-Zimmermann: Im Januar 2022 hatte ich meinen Sohn Friedrich zur Welt gebracht und wollte dann im Mai wieder in den Turnierbetrieb zurückkehren. Was ich nicht wusste: Die Regelung, dass 50 Prozent der Weltranglistenpunkte für sechs Monate nach der Geburt eingefroren werden, um den Wiedereinstieg zu erleichtern, galt nicht für den Fall, wenn man früher zurückkehrt. Das bedeutete, dass ich all meine Punkte verlor. Ich habe das damals notgedrungen akzeptiert, aber anschließend dieses Gefühl der Ungerechtigkeit und Falschbehandlung nicht abstellen können. Das war der Impuls dafür, etwas zu tun, damit Schwangerschaft und vor allem ein selbst bestimmter Wiedereinstieg keinen Nachteil mehr darstellen können. 

Welchen Erfolg habt ihr mit dem Bündnis erreicht? 

Noch im Jahr 2022 wurde die Regelung des ,Maternity Leaves’ auf internationaler Ebene angepasst. Das war ein Meilenstein, dennoch sind wir weiterhin dabei, mit den Verbänden im Dialog zu bleiben und Aufklärungsarbeit zu betreiben. Das Anliegen, Mutterschaft und Spitzensport besser zu vereinen, bleibt ein wichtiges. Gerade im Pferdesport sind Karrieren bis in ein höheres Alter möglich. In anderen Sportarten ist es vielleicht einfacher möglich, die Familienplanung in die Zeit nach der aktiven Karriere zu verschieben. Im Pferdesport haben viele Frauen ihre beste Zeit aber erst Mitte 30, deshalb ist die Vereinbarkeit von Familie und Sport noch wichtiger. 

Tatsächlich kann eine Schwangerschaft auch heutzutage noch karrieregefährdend sein. Die Paraschwimmerin Elena Semechin hat kürzlich davon berichtet, dass ihr wichtige Sponsoren abhandengekommen sind, als sie ihre Schwangerschaft öffentlich gemacht hat. Wie denkst du darüber? 

Die Schere geht wirklich weit auseinander, was dieses Thema betrifft. Der Fall Elena Semechin ist traurig, zum Glück habe ich diese Erfahrung mit meinen Partnern nicht machen müssen. Aber es ist auch ein schwieriges Feld. Wer Verträge hat, die an das Erbringen einer Leistung gebunden sind, muss damit rechnen, dass diese in der Zeit ruhen, in der die Leistung nicht erbracht werden kann. Ich bin grundsätzlich eine klare Verfechterin des Leistungsprinzips. Aber was ich mir wünschen würde: Dass gemeinsam mit den Sponsoren eine Lösung gefunden werden kann, wie eine Ersatzleistung aussehen könnte, zum Beispiel über das Halten von Vorträgen oder die Teilnahme an Events. Schwangere Frauen sind ja nicht weg, sie können nur nicht sportliche Höchstleistung bringen. 

Grundsätzlich scheint das Reiten in all seinen Ausprägungen eine der gleichberechtigtsten Sportarten zu sein, schließlich treten Männer und Frauen - abgesehen von Deutschen Meisterschaften - im gleichen Wettbewerb gegeneinander an. 

Das stimmt, Frauen verdienen auch dasselbe Preisgeld wie Männer, und diese Gleichberechtigung finde ich richtig und wichtig. Das Ungleichgewicht entsteht eben dann, wenn eine Reiterin schwanger wird. Wir sind in der Forschung leider noch nicht so weit, dass auch die Männer Kinder kriegen können. Und deshalb braucht es, gerade wenn die Karrieren länger andauern, für Frauen ein Zeitfenster der Unterstützung. Ich sage ehrlich, dass ich darüber nie nachgedacht hatte, bevor ich selbst Mutter wurde. Deshalb werfe ich das auch keinem Mann vor, der sich mit dem Thema nicht befasst, weil es oftmals eben die eigene Betroffenheit braucht, um sich dessen bewusst zu werden. Aber ich merke, dass wir mit unserer Initiative auch bei den männlichen Reitern viel in Bewegung gesetzt haben, und ich freue mich sehr, wenn ich meinen Teil dazu beitrage, eine Art Vorbild sein zu können. 

Der Sport scheint beim Thema Geschlechtergerechtigkeit weiter als die Gesellschaft zu sein. Es gibt in vielen Sportarten zunehmend gleich große Teilnehmendenfelder, bei den Olympischen Spielen in Paris waren erstmals genauso viele Frauen wie Männer am Start. Preisgelder werden angeglichen. Wie schätzt du das ein, und wo siehst du noch dringenden Handlungsbedarf? 

Ich habe ebenfalls das Gefühl, dass im Sport vieles in die richtige Richtung geht. Handlungsbedarf ist dennoch in vielen Bereichen. Besonders wichtig bleibt für mich die Frage, wie man es besser schafft, Frauen - und auch Männer, denn die betrifft das auch, wenngleich meist nicht so stark wie Frauen - die Teilnahme am Leistungssport zu ermöglichen, wenn sie kleine Kinder zu betreuen haben. Eine ganzheitliche Unterstützung ist noch nicht überall möglich, aber jeder Turnierveranstalter muss heute mitdenken, was für Kinder getan werden kann, um erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler bestmöglich darin zu unterstützen, auch als Eltern erfolgreich zu bleiben. 

Du bist mit deinem Ehemann Christoph Zimmermann selbst Turnierveranstalterin. Wie sensibel geht ihr mit diesem Thema um? 

Da gebe ich zu, dass das anfangs, als wir damit begannen, auf unserer Anlage in Pinneberg selbst ein Turnier auszurichten, nicht unser erster Gedanke war. Aber mit der Zeit kommen einem solche Dinge immer öfter in den Kopf. Toiletten mit Wickelmöglichkeiten, ein Kinderland mit professioneller Betreuung - all das sind Dinge, über die ich erst nachgedacht habe, als ich selbst gemerkt habe, dass sie fehlen. Das ist ähnlich wie bei der Barrierefreiheit, auch da habe ich interessante Erfahrungen gemacht, wenn ich mich in die Perspektive von zum Beispiel in der Bewegung eingeschränkten Menschen versetzt habe. Ich fände es sehr gut, wenn solche Dinge von den Verbänden vorgeschrieben und dadurch im Vornherein geregelt werden würden, so dass Veranstalter daran gebunden sind. Es gibt so viele Vorschriften; auf diesem Gebiet wären sie wirklich sinnvoll. 

Als du von deiner Schwangerschaft erfahren hast, wie war deine erste Reaktion im Hinblick auf deine Karriere? Wusstest du, was auf dich zukommt, und wie waren die Reaktionen aus deinem Umfeld? 

In die riesige Freude über die Elternschaft hat sich bei mir durchaus die Sorge gemischt, wie ich es schaffen würde, schnell wieder erfolgreich sein zu können. Ich wollte niemanden von meinen Sponsoren und Pferdebesitzern enttäuschen. Ich möchte nicht das Wort Existenzangst benutzen, denn das wäre im Vergleich zu vielen anderen Menschen, die wirklich um ihre Existenz bangen, unsensibel. Aber ich habe mir viele Gedanken gemacht. Umso glücklicher war ich über die sehr positiven Reaktionen. Alle haben sich mit Christoph und mir gefreut, niemand ist abgesprungen. Auch die Gründung von Equal Equest wurde rundum positiv aufgenommen. Es gab tatsächlich einige verblüffte Kommentare, weil viele von dem Thema keine Ahnung hatten. Aber ich bin bis heute sehr dankbar dafür, wie mein Umfeld reagiert hat und wie viel Unterstützung ich bekommen habe, um meine Karriere weiterführen und Friedrich trotzdem eine hoffentlich gute Mutter sein zu können. 

  • Janne Meyer lächelt

    Ich glaube, Frauen sind gerade im Bereich, Erfahrungen weiterzugeben und andere anzuleiten, sehr gut. Aber sie müssen sich nach der aktiven Karriere an mancher Stelle deutlicher einbringen, anstatt sich zurückzuziehen.

    Janne Friederike Meyer-Zimmermann
    Springreiterin und Turnierveranstalterin
    Gründerin von Equal Equest

    Woran liegt es aus deiner Sicht, dass im Bereich Trainerpersonal und vor allem auf leitender Funktionärsebene Frauen im Leistungssport weiterhin deutlich unterrepräsentiert sind, und wie ließe sich das verbessern? 

    Da ich Funktionärsjobs persönlich als furchtbar langweilig empfinde, denke ich eher an die armen Männer, die diese Posten ausüben müssen. Aber Spaß beiseite: Die Frauen, die Lust haben, sich in diesen Bereichen engagieren, sollten aus meiner Sicht noch aktiver diese Bereitschaft zum Ausdruck bringen. Ich glaube, Frauen sind gerade im Bereich, Erfahrungen weiterzugeben und andere anzuleiten, sehr gut. Aber sie müssen sich nach der aktiven Karriere an mancher Stelle deutlicher einbringen, anstatt sich zurückzuziehen. Aktiv die Modernisierung mitgestalten zu wollen, das ist eine Voraussetzung dafür, auch gehört und gesehen zu werden. Es gibt viele tolle Frauen, die tolle Ideen haben. Aber sie müssen diese auch mit Nachdruck äußern. 

    Frauen machen allerdings auch noch immer die Erfahrung, trotz mindestens gleicher Qualifikation gegenüber Männern benachteiligt zu werden. Die Frauenquote bleibt ein viel diskutiertes Thema – worin siehst du Vor- und Nachteile einer solchen? 

    Ich bin gegen eine Frauenquote, das war ich schon immer und stehe auch dazu. Mein Anspruch war und ist, dass wir Frauen durch Leistung zeigen, warum es wichtig ist, Frauen auch auf Führungsebene angemessen einzubinden. Bei uns im Unternehmen wählen wir immer die am besten befähigte Person, unabhängig von Geschlecht oder sonstigen Faktoren. Ich empfände es vielmehr als diskriminierend, wenn ich wüsste, dass ich nur auf eine Führungsposition gekommen bin, weil damit eine Quote erfüllt wird. Ich sage das allerdings mit Vorbehalt und aus der Perspektive einer Frau aus einem Land und einer Sportart, in denen heute in puncto Gleichberechtigung vieles möglich ist. Dass es anderswo ganz anders sein kann, sehe ich natürlich, und ich respektiere jede andere Meinung zum Thema Frauenquote. Ich sehe wirklich beide Seiten, aber mein Grundprinzip ist, dass Leistung das entscheidende Kriterium sein sollte. 

    Wie ist aus den vielen weltweiten Turnierreisen dein Eindruck, wo Deutschland im weltweiten Vergleich beim Thema Geschlechtergerechtigkeit steht, und gibt es ein Land, das du als Vorreiter auf dem Gebiet bezeichnen würdest? 

    Ich bin sicherlich keine Expertin auf diesem Gebiet. Aber ich denke, dass Deutschland nicht nur im Sport, sondern auch in anderen Bereichen der Gesellschaft weltweit gut dasteht. Wir sind durch Frauen auf vielen Ebenen sehr gut repräsentiert. Einen weltweiten Vorreiter zu nennen, fällt mir schwer, aber mein Gefühl ist, dass Skandinavien das sehr gut macht.

    Wie schätzt du die durch Donald Trump zugespitzte Lage der Gender Equality im Weltsport ein, welche Probleme fürchtest du durch das Ausscheren der USA? 

    Bei Donald Trump gibt es Dinge, die mir noch größere Sorgen machen als seine Aussagen zu Transgender und anderen Themen, die natürlich dennoch ein absolutes No-Go sind. Ich halte ihn für einen politischen Totalausfall, aber seine Gesamteinschätzung der Lage für noch viel gefährlicher als seine Ansichten zu Genderthemen. Meine Hoffnung ist, dass wir ihn bald loswerden, und dass in den USA noch ausreichend gesunder Menschenverstand herrscht, um auch die Themen, die im Sport wichtig sind, in angemessener Form zu behandeln. 

    Deutschland hat erstmals eine Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, die im Bundeskanzleramt die für den Sport wichtigen Themen adressieren kann. Welche Erwartung hast du an Christiane Schenderlein? 

    Dazu bleibt erst einmal abzuwarten, ob das Ganze nur ein zusätzliches Amt oder wirklich eine Position ist, aus der heraus etwas verändert werden kann. Ich wünsche es mir sehr. Und wenn es Frauen im Sport noch mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung ermöglicht, freue ich mich umso mehr. Mir macht diese Veränderung erst einmal Mut, aber nun muss Frau Schenderlein das Amt mit Leben füllen. Dafür wünsche ich ihr alles Gute! 

    Wenn sie dich anriefe und dir anböte, eine politische Entscheidung für das Thema Geschlechtergerechtigkeit zu treffen, welche wäre das? 

    Ich würde gleichberechtigte Bezahlung umsetzen. Wobei für mich auch da wichtig ist, dass das Leistungsprinzip gilt und Transparenz herrscht. Dass im Frauenfußball nicht so viel verdient wird wie bei den Männern, halte ich für verständlich angesichts der viel höheren Vermarktungserlöse. Allerdings müssen auch alle Frauen die Plattform und Chance bekommen, sich und ihren Sport zu zeigen. Wenn das gilt, dann wäre gleiche Bezahlung das, was mir am wichtigsten ist. Gleiches Geld für gleiche Leistung, das sollte im Deutschland der 2020er-Jahre selbstverständlich sein.

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