Zum Inhalt springen

„Ich habe mich wirklich in die World Games verliebt“

Birte Steven-Vitense (44), Ressortleiterin Games Management im DOSB, zieht zum Abschluss der World Games in Chengdu (China) eine Bilanz ihrer ersten Sportgroßveranstaltung in der Funktion der Chefin de Mission.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

18.08.2025

Eine Frau spricht mit Sportlern
Birte Steven-Vitense im Gespräch mit der Finswimming-Staffel um Fahnenträger Max Poschart (2.v.l.).

DOSB: Birte, deine ersten World Games als Chefin de Mission liegen hinter dir. Was war so wie erwartet und was hat dich überrascht?

Birte Steven-Vitense: Dadurch dass ich schon einige Multisportevents in anderen Funktionen erlebt hatte, war es an vielen Stellen so wie erwartet. Es gibt zwischen den World Games und anderen Sportgroßveranstaltungen grundsätzlich aus organisatorischer Sicht kaum Unterschiede. Es gibt aber immer ein paar Themen, auf die man sich nicht vorbereiten kann, weil sie erst vor Ort entstehen. Deshalb war es wichtig und richtig, dass wir mit einigen Tagen Vorlauf angereist sind, um uns an die Begebenheiten in Chengdu anpassen zu können.

China hat einige Eigenheiten, mit denen man umzugehen hat. Was hast du als die größte Herausforderung empfunden?

Für unsere Sportlerinnen und Sportler war das Klima sicherlich die größte Herausforderung, vor allem, wenn sie Outdoor-Sport betreiben mussten. Das war an mancher Stelle mindestens grenzwertig. Dieses Thema haben wir aber in der Vorbereitung antizipiert und alle Team-D-Mitglieder im letzten Call dafür aus medizinischer Sicht sensibilisiert. Ich persönlich habe das Thema Kommunikation als besonders herausfordernd wahrgenommen. Es gibt in China zwar ausreichend Menschen, die Englischkenntnisse haben, aber nur weil beide Seiten in englischer Sprache kommunizieren, heißt das nicht, dass sie einander auch verstehen. Wenn sich zwei Parteien in einer Fremdsprache unterhalten und es unterschiedliche Kulturen der Kommunikation gibt, gehen Nuancen und Facetten, die wichtig sind, manchmal unter. Ich kann aber sagen, dass beide Seiten stets bemüht waren, Lösungen zu finden, auch wenn das seine Zeit gebraucht hat. Und wir hatten immer großes Vertrauen in unsere Flexibilität und Improvisationskunst.

Das sportliche Abschneiden liegt nicht direkt in deinem Verantwortungsbereich. Dennoch: Wie zufrieden dürfen wir mit der Bilanz des Team D in Chengdu sein?

Vollumfänglich zufrieden! Unser Ziel war, die Position unter den Top drei abzusichern. Das haben wir sowohl im Medaillenspiegel als auch in der Anzahl der gewonnenen Medaillen geschafft. Aber wir schauen nicht nur auf Medaillen. Unsere tiefe Wertschätzung gilt allen, die sich für die World Games qualifiziert und im internationalen Wettkampf gestellt haben, nicht wenige zum ersten Mal in ihrer Karriere. Natürlich gibt es in einem so großen Team mit 212 Athletinnen und Athleten auch Enttäuschungen, weil persönliche Zielstellungen nicht erreicht werden konnten. Da fühlen und leiden wir mit, weil wir die Geschichten der Menschen kennen, die dahinterstehen. Aber alles in allem sind wir als DOSB mit dem sportlichen Abschneiden sehr, sehr zufrieden.

Eine Delegation, die im Ausland antritt, hat immer auch eine Botschafterfunktion. Wie hat das Team D diese aus deiner Sicht in China erfüllt?

Bei den World Games haben wir als DOSB die Sonderrolle, dass nicht wir das Team sportfachlich nominieren, sondern die Weltverbände. Damit sind wir nicht für alle Prozesse zuständig, sondern legen den Fokus auf die Bildung und Unterstützung der deutschen Gesamtmannschaft, dem Team D. Dieses Zusammenspiel mit den anderen verantwortlichen Stakeholdern ist manches Mal eine kleine Black Box und muss immer wieder gut austariert werden. Aber unser Anspruch war, dass wir ein Team bilden, das als Gemeinschaft auftritt. In meiner Wahrnehmung ist uns dies sehr gut gelungen. Wir haben eine sehr sympathische, authentische und leidenschaftliche Seite von uns gezeigt, und diesen Spirit habe ich im gesamten Team wahrgenommen. Darüber bin ich sehr glücklich.

Du hast vor den Spielen gesagt, dass eine Chefin de Mission nur so gut sein kann wie ihr Team, das ihr den Rücken freihält. Welches Zeugnis stellst du dem Funktionsteam aus?

Ich möchte meinem Team von Herzen für den Auftritt danken, den wir hier gemeinsam hingelegt haben. Meiner Meinung nach ist es uns sehr gut gelungen, die vielen kleinen Einheiten, die das große Ganze ergeben, als Team zusammenzubringen. Alle haben sich eingebracht, das hat fantastisch funktioniert und dazu geführt, dass ich mich von meinem Team extrem professionell unterstützt gefühlt habe.

  • Birte Steven-Vitense

    Es hat mich total begeistert, mit welch ehrlichem Interesse und sehr wachem Blick auf das, was das Team hier geleistet hat, Frau Schenderlein und Frau Schopper aufgetreten sind. Mir scheint, dass diese beiden Politikerinnen eine hohe Identifikation mit dem Themenfeld Sport in seiner gesamten Bandbreite mitbringen.

    Birte Steven-Vitense
    Chefin de Mission
    Team D World Games 2025

    Gibt es einen Moment, den du ganz besonders hervorheben möchtest, der deine Erinnerung an diese Spiele entscheidend prägen wird?

    Nein, ich kann keinen einzelnen Moment nennen, mich hat einfach das Gesamtpaket total begeistert. Ich habe mich wirklich in die World Games verliebt! Ich bin über die gesamten zwei Wochen mit einem sehr positiven Gefühl an die Arbeit gegangen, weil ich gespürt habe, dass nicht nur ich begeistert war, sondern das gesamte Team. Wir sind in einen Flow gekommen, der Verbindungen geschaffen hat. Ich habe mich dem Event und dem Team sehr verbunden gefühlt und habe das als sehr wertvoll empfunden.

    Mit den Erfahrungen dieser Wochen: Was würdest du bei deinem nächsten Einsatz als Chefin de Mission anders machen?

    Die Rolle des DOSB bei World Games weiter zu schärfen, ist die entscheidende Frage. Ich würde versuchen, noch frühzeitiger Herausforderungen zu identifizieren und deren Bedeutung für die Zukunft noch besser zu erfassen. Das ist etwas, das ich stärker forcieren würde.

    Möchtest du in vier Jahren, wenn Karlsruhe Ausrichter der nächsten World-Games-Ausgabe ist, als Chefin de Mission in die Heimspiele gehen? Und welche Aufgaben stehen nun an, damit diese Spiele ebenso erfolgreich werden wie die in Chengdu?

    Ich hätte auf jeden Fall Lust, in Karlsruhe diese Aufgabe zu übernehmen, auch wenn mir in China noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt wurde, dass wir einen Berg an Arbeit vor uns haben. Die Chinesen waren sehr gute Gastgeber, es war herausragend, was sie auf die Beine gestellt haben. Nach allem, was ich in den vielen Gesprächen mit Athletinnen und Athleten, Trainerinnen und Trainern und Funktionären gehört habe, kann ich sagen, dass diese Spiele einen neuen Maßstab gesetzt haben. Die Organisation verlief reibungslos, alle waren mit dem Standard sehr zufrieden. Wir wollen in Karlsruhe auch Akzente setzen. Aber dazu müssen alle begreifen, was für ein unfassbar großer Aufwand dafür nötig sein wird. Die Dimension der World Games ist auch weiterhin vielen nicht bewusst. Die Karlsruher Delegation, die hier einige Tage vor Ort war, hat sicherlich eine Menge mitgenommen. Die Uhr läuft jetzt, und wir müssen nun die Komplexität des Projekts begreifen und allen verständlich machen, wie wichtig dieses Event für den gesamten deutschen Sport sein wird. Da ist noch viel Luft nach oben.

    Die politische Unterstützung dafür scheint gegeben. Die neue Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Christiane Schenderlein, war ebenso in China vor Ort wie die Vorsitzende der Sportministerkonferenz, Theresa Schopper. Wie hast du diese Besuche wahrgenommen?

    Es hat mich total begeistert, mit welch ehrlichem Interesse und sehr wachem Blick auf das, was das Team hier geleistet hat, Frau Schenderlein und Frau Schopper aufgetreten sind. Mir scheint, dass diese beiden Politikerinnen eine hohe Identifikation mit dem Themenfeld Sport in seiner gesamten Bandbreite mitbringen. Beide haben sicherlich eine Menge an Eindrücken gewonnen, die sie in ihre künftige Arbeit einfließen lassen werden. Ihre Bodenständigkeit und das ernsthaft spürbare Interesse an den Menschen und ihren Geschichten hat mich absolut beeindruckt. Am Ende können wir die Aufgaben, vor denen wir stehen, nur gemeinsam mit der Politik meistern, und auf diesen Weg haben wir uns gemacht. Ich möchte aber auch die Zusammenarbeit mit der International World Games Association hervorheben, die ich als stets positiv und lösungsorientiert wahrgenommen habe. Auch das macht Mut für die anstehenden Aufgaben.

    Aufgaben gibt es viele, aber nach einem solchen Erlebnis ist auch Entspannung sehr wichtig. Wie wirst du in den kommenden Tagen die vielen Eindrücke verarbeiten?

    Tatsächlich ist es eine der Aufgaben einer Chefin de Mission, darauf zu achten, dass die Balance aus Anspannung und Entspannung gewahrt bleibt. Unsere Gesundheit ist das wichtigste Gut, das sollten wir nie aus dem Blick verlieren. Die viele Eindrücke müssen jetzt erst einmal sacken, und der Schritt aus so einer Blase, in der wir in den vergangenen Wochen gelebt haben, ist nicht einfach. Mein Vorteil ist, dass es mir gut gelingt, Rollen anzunehmen, aber ebenso auch wieder abzulegen. Mir ist aber auch bewusst, dass das einige Tage dauern wird. Die Eindrücke müssen und dürfen nachwirken. Ich glaube, dass man ein Multisport-Event erlebt haben muss, um das verstehen zu können. Wenn einen dieses Fieber einmal gepackt hat, will man es immer wieder erleben, auch wenn man vorher schon weiß, dass enorme Anstrengungen und ein immenses Schlafdefizit warten. Ich fahre am Mittwoch mit meiner Familie in den Urlaub an die Nordsee. Dort wird es mir gelingen, abzuschalten, zu verarbeiten und Kraft zu tanken für das, was vor uns liegt. Und darauf freue ich mich sehr.

    Dann wünschen wir beste Erholung und danken für das Gespräch, aber vor allem für deinen Einsatz für das Team D!

    Title

    Title