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„Im Derbypark Klein Flottbek könnte man beeindruckende Spiele veranstalten“

Dressurreiter Matthias Rath (40) zieht Bilanz seiner Premiere als Chef des Deutschen Spring- und Dressurderbys und untermauert seine Unterstützung für die deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

03.06.2025

Ein Reiter überspringt mit seinem Pferd ein Hindernis
André Thieme gewann auf Paule zum vierten Mal das Deutsche Springderby.

Kindermund tut Wahrheit kund, sagt man. Und auch wenn Konstantin Rath als nicht gänzlich unbefangen gelten muss, konnte man dem Neunjährigen nur zustimmen. „Papa hat das gut gemacht“, sagte er, als er das Fazitgespräch seines Vaters mit der DOSB-Verbandskommunikation kurz unterbrach, um zu erfahren, wann denn nun endlich die Siegerehrung stattfände, zu der er mit auf den Derbyplatz im Hamburger Stadtteil Klein Flottbek gehen durfte. Matthias Alexander Rath, als Athlet vor allem in seiner Zeit als Reiter des 2020 verstorbenen „Wunderpferds“ Totilas bekannt geworden, lächelte über das Lob seines Sohnes. Das Fazit, das der 40-Jährige von seinem ersten Auftritt als Turnierchef des Deutschen Spring- und Dressurderbys zog, fiel natürlich deutlich differenzierter aus.

DOSB: Matthias, du hast in diesem Jahr Volker Wulff als Derbychef abgelöst, der die Funktion 25 Jahre innehatte und im Streit mit Rechteinhaber Norddeutscher und Flottbeker Reiterverein (NFR) scheiden musste. Gab es etwas, das dich völlig unvorbereitet getroffen und entsprechend überrascht hat?

Matthias Rath: Völlig unvorbereitet nicht, aber extrem positiv überrascht bin ich vom Zuspruch, den diese Veranstaltung erhält. Es war großartig, zu spüren, welchen Rückhalt wir von den Partnern, den Dienstleistern, vor allem aber von den Fans bekommen haben. Das Derby ist ein ganz besonderes Event, bei dem alle dabei sein wollen. Es geht nicht darum, wer es veranstaltet, es geht um das Derby als Institution. Solch ein Vertrauensvorschuss ist nicht selbstverständlich. Wir haben versucht, ein Stück davon zurückzuzahlen.

Nicht alle Partner sind dabei geblieben, der langjährige Namenssponsor Idee Kaffee ist abgesprungen, mit Al Shira’aa hast du einen Partner aus den Vereinigten Arabischen Emiraten als Nachfolger präsentiert, der auch nicht allen passte. Wie schwierig war die Übergangsphase wirklich?

Es ist ganz normal, dass eine gewisse Fluktuation entsteht, wenn nach 25 erfolgreichen Jahren, in denen Volker Wulff und sein Team das Turnier sehr gut entwickelt haben, der Veranstalter wechselt. Für mein internes Team war hier alles neu, ich bin sehr stolz darauf, wie alle diese Herausforderung angenommen haben. Wir konnten uns aber auf ein bestehendes Netzwerk aus externen Partnern stützen, die es uns leicht gemacht haben. Was den Wechsel des Namenssponsors angeht, bin ich Al Shira’aa sehr dankbar, dass sie es mit ihrem Einstieg ermöglichen, für die kommenden Jahre Planungssicherheit zu haben. Das ist sehr wichtig, um die nächsten Schritte gehen zu können.

Lass uns über diese Schritte sprechen. Es gab Kritik an den Starterfeldern sowohl im Springen als auch in der Dressur, im Springen zum Beispiel war nur ein halbes Dutzend Reiter*innen aus den Top 50 der Weltrangliste am Start. Wie siehst du das?

Die Weltrangliste wird jeden Monat neu erstellt, da ist viel Bewegung drin. Insofern halte ich das Bild für verzerrt. Ein Beispiel: Christian Ahlmann, der am Samstag unser Hauptspringen gewonnen hat, steht aktuell nicht in den Top 50. Er war aber mal Weltranglistenerster und ist weiterhin ein absoluter Topreiter. Das Derby hat zum vierten Mal André Thieme gewonnen, der war immerhin auch schon Einzel-Europameister. Deshalb wünsche ich mir, dass das differenzierter betrachtet würde. Ich bin durchaus zufrieden mit unserem Starterfeld, was nicht heißt, dass wir keine Optimierungsmöglichkeiten sehen. Die Konkurrenz ist groß, aber die Reiter gehen dorthin, wo sie sich wohlfühlen, deshalb bin ich sehr hoffnungsfroh, dass wir das hohe Niveau halten und ausbauen können.

Die finanzstarke Weltserie Global Champions Tour war zwischen 2008 und 2022 Bestandteil des Hamburger Programms, fühlte sich dann hinter dem Derby zu wenig beachtet, was zum Ausstieg führte. Ist eine Rückkehr denkbar und sinnvoll?

Aus meiner Perspektive war der Einstieg der Global Champions Tour 2008 eine Initialzündung für das Hamburger Turnier, weil diese Serie eine sportliche Aufwertung bedeutete. In den vergangenen zwei Jahren haben wir gesehen, dass es auch ohne sie geht. Dabei geht der Dank in erster Linie an unseren Hauptsponsor Longines, dessen finanzielle Unterstützung dafür unerlässlich ist. 

In den vergangenen Jahren sind die Preise für alle Gewerke, die an so einem Großereignis mitarbeiten, gestiegen. Dazu kommen medizinische Herausforderungen zum Beispiel mit Pferdekrankheiten, aber auch Diskussionen um den Umgang mit dem Lebewesen Pferd, der immer wieder Anlass zu Kritik gibt. Wie schwierig ist es für Veranstalter geworden, Turniere zumindest kostendeckend auszurichten, und wie ließe sich die Situation verbessern?

Diese Frage hat mehrere Ebenen. Was die Kostenfrage angeht, muss man sicherlich konstatieren, dass sich die Lage für Veranstalter verschärft hat. Daraus folgt für mich, dass es wichtig ist, dass insbesondere die Traditionsturniere, die wir benötigen, um einer breiten Masse den Pferdesport näherzubringen, enger zusammenarbeiten müssen. Wir können nicht warten, bis andere etwas tun, wir müssen Dinge gemeinsam anschieben und darauf achten, dass alle profitieren. Was die Frage nach der Kritik am Umgang mit dem Partner Pferd angeht: Da hilft nur, dass wir viel offensiver zeigen, was wir alles tun, um unserer Verantwortung gerecht zu werden. Ich gebe mal ein Beispiel. Ich war vorvergangene Woche beim Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum zu Gast und habe mit Interesse gesehen, wie dort die Trainingsplätze vor den Blicken der Fans abgeschirmt werden, weil es die Profis so wünschen, damit niemand spionieren kann, was im Training gemacht wird. So etwas könnten wir uns im Reitsport gar nicht erlauben! Man stelle sich vor, wir würden den Abreitplatz abschirmen, dann käme sofort der Vorwurf, wir würden Dinge verheimlichen wollen. Diese Transparenz müssen wir weiter ausbauen, und wir müssen darüber noch viel mehr berichten.

  • Matthias Rath lächelt

    Ich fände es mega, wenn die Spiele wieder nach Deutschland kommen würden. So ein Ereignis im eigenen Land zu erleben, davon träumen doch alle Sportbegeisterten.

    Matthias Alexander Rath
    Dressurreiter
    Chef des Deutschen Spring- und Dressurderbys

    Ein wichtiges Thema in Hamburg ist auch die Infrastruktur. Seit vielen Jahren wird beklagt, dass die Anlage marode ist und dringend eine Komplettsanierung benötigt. Im Streit darüber, wer dafür zuständig ist, ist leider viel zu wenig umgesetzt worden. Wie gehst du mit diesem Thema um?

    Uns ist bewusst, dass dieses Thema vor allem für die Menschen, die nicht wenig Geld für ein Ticket bezahlen, ein sehr wichtiges ist. Es gibt ohne Zweifel viel Bedarf, wir stehen erst am Anfang. Aber der NFR und wir haben in diesem Jahr schon Geld in die Hand genommen, um Verbesserungen am Richterturm, am Einritt und an der Haupttribüne umzusetzen.

    Das heißt, ihr als Veranstalter seht euch da auch finanziell in der Pflicht?

    Wir schauen gemeinsam mit dem Rechteinhaber NFR und der Stadt, wer für was zuständig ist. Aber ja, wir als Veranstalter sehen uns in der Pflicht, nicht nur Ideen einzubringen, sondern auch Geld. Ein gutes Verhältnis zur Stadt ist unerlässlich, denn ohne die Unterstützung der öffentlichen Hand ist die Umsetzung eines solchen Events wahnsinnig schwierig. Die Stadt sieht aber auch, wie groß die Begeisterung der Menschen für das Derby ist. So etwas nicht zu unterstützen, wäre fahrlässig. Die Gespräche waren von Anfang an sehr angenehm, die Unterstützung ist ebenso groß wie die Sportbegeisterung.

    Hamburg hat am vergangenen Samstag seine Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele für den Zeitraum 2036 bis 2044 vorgestellt. Darin ist der Derbypark Klein Flottbek für Springen und Dressur eingeplant. Was muss passieren, damit olympische und paralympische Wettbewerbe hier möglich werden?

    Ich könnte nun anführen, dass mein Vertrag nur für zehn Jahre gültig ist und ich zu möglichen Olympischen und Paralympischen Spielen gar nicht mehr hier wäre. Aber erstens hoffe ich natürlich, dass wir unsere Kooperation verlängern werden, und zweitens fände ich es mega, wenn die Spiele wieder nach Deutschland kommen würden. So ein Ereignis im eigenen Land zu erleben, davon träumen doch alle Sportbegeisterten. Für das Springen müsste man gar nicht viel verändern, der Derbyplatz hat seinen ganz eigenen Charme. Natürlich müsste die Anlage saniert werden, und mit ein paar temporären Tribünen ließe sich eine angemessene Zuschauerkapazität schaffen. Für die Dressur müsste man ein wenig kreativer werden, um das nötige Flair zu schaffen. Aber ich bin überzeugt davon, dass man im Derbypark Klein Flottbek beeindruckende Spiele veranstalten könnte.

    Hauptkonkurrent für die Pferdesportwettbewerbe ist Aachen, dort würden NRW und auch Berlin die olympischen und paralympischen Wettkämpfe veranstalten. Seht ihr euch dahingehend mit Aachen in Konkurrenz?

    Nein, überhaupt nicht. Am Ende geht es doch darum, das beste Konzept auszuwählen, um für Deutschland größtmöglichen Erfolg zu haben. Darum geht es. Aachen ist ebenfalls ein Weltklasse-Standort für den Pferdesport. Wichtig ist, dass wir in Deutschland nichts neu bauen müssten, um olympischen Reitsport zu ermöglichen. Die Spiele von Paris haben eindrucksvoll gezeigt, wie man mit bestehenden Anlagen oder historischer Kulisse nachhaltige Spiele veranstalten kann. Wir können auf dem, was vorhanden ist, erstklassig aufbauen.

    Als Veranstalter bist du mit deinem Unternehmen Schafhof Connects ja schon länger im Reitsport tätig. Was aber verändert sich an der Herangehensweise, wenn man Chef eines so traditionsreichen Events wie dem Deutschen Spring- und Dressurderby ist?

    Ich verhehle nicht, dass ich die gestiegene Verantwortung durchaus wahrnehme. Das Hamburger Turnier hat einen riesigen Stellenwert, nicht nur im Sportkalender der Stadt, sondern in der gesamten Welt des Pferdesports. Wir haben diese Herausforderung gern angenommen und freuen uns sehr, dass wir diese Tradition fortführen und weiterentwickeln dürfen. Der Pferdesport kann wahnsinnig attraktiv sein, aber man muss heutzutage mehr bieten als nur den reinen Sport. Deshalb ist es super wichtig, dass sich alle Traditionsturniere weiterentwickeln, aber auch ihre Alleinstellungsmerkmale pflegen. In unserer schnelllebigen Zeit muss man rechtzeitig schauen, wo Veränderungen notwendig sind, ohne dabei Tradition zu zerstören.

    Ist das einfacher, wenn man selbst aktiver Reiter war und ist?

    Ich glaube schon, dass es hilft, wenn man das Geschäft mit all seinen Facetten kennt. Aber man darf sich selbst auch nicht zu wichtig nehmen. Ein funktionierendes Team ist viel wichtiger, und das habe ich.

    Und wie hart ist es, bei so einem Turnier die Atmosphäre hautnah mitzuerleben, aber nicht selbst in den Sattel steigen zu können?

    Ich gebe gern zu, dass es mich in den vergangenen Tagen mehrmals gejuckt hat, Hemd und Sakko mit dem Sportdress zu tauschen und die prickelnde Stimmung auch als Athlet aufzusaugen. Ich freue mich schon jetzt darauf, in knapp zwei Wochen bei den Deutschen Meisterschaften in Balve selbst an den Start zu gehen. Aber es macht mir auch große Freude, meinen Kolleginnen und Kollegen als Veranstalter zu ermöglichen, solche Erlebnisse wie in Hamburg genießen zu können. Insofern bin ich mit meiner Doppelfunktion sehr glücklich.

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