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„Im Ehrenamt können Sie nichts anweisen, da können Sie nur überzeugen“

Das DOSB-Ehrenmitglied Rainer Brechtken wird am 15. August 80 Jahre alt.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

01.08.2025

Rainer Brechtken am Rednerpult bei einer DOSB-Mitgliederversammlung zeigt den Daume nnach oben
Rainer Brechtken spricht auf einer DOSB-Mitgliederversammlung.

Rainer Brechtken hat seinen ganz eigenen Grundsatz für ehemalige Sportverbands-Präsidenten an der entscheidenden Stelle in schönstem Schwäbisch ausgegeben: „Beobachten, sich wundern und mal d`Gosch halten.“ Für die aktive Zeit des früheren Präsidenten des Deutschen Turner-Bundes (DTB), der am 15. August seinen 80. Geburtstag feiert, galt das allerdings nicht. Brechtken war bekannt und geschätzt für klare Worte und scheute auch Diskussionen nicht. Im Rückblick auf seine Amtszeit im DTB (2000 bis 2016) lag das durchaus auch an den Gegebenheiten. Doch genau die haben damals den SPD-Politiker am Präsidentenamt eines der größten deutschen Spitzenverbandes gereizt: „Im Turnerbund haben wir auf der einen Seite das gesundheitliche, soziale Miteinander vom Kinderturnen bis zum Präventionssport für Ältere und auf der anderen Seite den Spitzensport. Für mich war es eine spannende und erfüllende Aufgabe, dieses Spannungsfeld auszuhalten und Entwicklungen in Gang zu setzen, die beiden Teilen gerecht werden.“

Entsprechend hat er den Verband strukturell neu aufgestellt, den Spitzensport professionalisiert und den Gesundheits- und sozialen Bereich ebenfalls gestärkt. Man ahnt, dass das nicht ohne weitreichende Diskussionen abgegangen war, und sich einiges nicht nur im Verband, sondern vor allem in den Köpfen verändern musste. „Es waren früher große ehrenamtliche Gremien, die zum Beispiel über Nominierungen entschieden haben. Da saßen engagierte Leute am Tisch, aber es waren eben nicht die Profis.“ Keine einfache Aufgabe, das zu ändern. Aber Brechtken brachte seine ganze politische Erfahrung aus zwei Jahrzehnten als Mitglied des baden-württembergischen Landtags mit. „Da geht es ja auch um Überzeugungsarbeit“, sagt er. „Und im Ehrenamt können Sie nichts anweisen, da können Sie nur überzeugen. Das ist das Schwierige, aber gleichzeitig auch das Erfüllende.“ Diese Balance hinzubekommen, alle mitzunehmen in teilweise sicher schmerzhafte Reformen, war seine große Leistung, mit der er den DTB zu einem modernen Spitzenverband für Spitze und Breite geformt hat.

Der „Vollzeit-Ehrenamtler“

Das hätte nicht funktioniert, wenn er sich nicht als „Vollzeit-Ehrenamtler“ quasi rund um die Uhr für den Verband eingesetzt hätte. Deshalb nahm er 2001 auch seinen Abschied aus der Politik: „Es wäre nicht gegangen, Wahlkreisarbeit zu machen und gleichzeitig Präsident von so einem großem Verband zu sein.“ Dabei war Brechtken zu 100 Prozent Ehrenamtler, hat aber durchaus auch Fragen gestellt bekommen, was man denn so als Präsident des zweitgrößten deutschen Spitzenverbandes verdient, als bekannt wurde, was zum Beispiel ein Präsident des Deutschen Fußball-Bundes bekommt. Das brachte ihn manchmal zum Schmunzeln, denn, nein, er hat sein Vollzeit-Amt ohne jegliche Entschädigungen, außer Reisekosten nach dem Bundesreisekostengesetz, ausgeübt.

Dabei sind die Anforderungen an ein hohes Ehrenamt hoch. Allein durch die modernen Kommunikationswege werden natürlich auch Ehrenamtliche mit allen möglichen Geschichten überladen. „Sie müssen alle Mails anschauen“, sagt Brechtken, „sonst kommt jemand nach ein paar Monaten und sagt, das hab ich Ihnen doch geschrieben. Und bei echten Konflikten wollen die Leute dann halt doch mit dem Chef reden, egal, wie groß der Aufwand ist.“ Dabei kann es schon mal eine dreitägige Reise zum Beispiel in den Nordosten des Landes werden, um ein zweistündiges Gespräch zu führen.

Bei all dem blickt DTB-Ehrenpräsident aber zufrieden auf seine Zeit als Sportfunktionär zurück. Bei den wichtigsten Events des DTB lässt er sich gerne mal blicken, etwa beim Deutschen Turnfest, dem DTB-Pokal oder diversen Meisterschaften. Dort trifft er oft Menschen, mit denen er jahrelang unterwegs war. Und es ist ja auch nicht so, dass er ganz aufgehört hätte. Bei seinem Heimatverein SG Schorndorf ist er im Vorstand, ebenso wie in der Deutschen Kinderturn-Stiftung, außerdem im Stiftungsrat der Baden-Württembergischen Kinderturn-Stiftung. Es ist ihm nach wie vor ein großes Anliegen, Kindern ein Bewegungsangebot zu machen, eine Grundlagenausbildung jenseits einer Fixierung auf eine Sportart, aus der sich dann eine Spezialisierung irgendwann entwickeln kann.

Daneben bleibt genügend Zeit, um selbst Sport zu treiben. Mit seiner Frau geht er gerne mit Stöcken in den Wald, er trainiert im Studio, um Knochen und Muskeln zu stärken und läuft regelmäßig. Es ärgert ihn zwar ein bisschen, dass er heute nach einer Dreiviertelstunde schon ziemlich kaputt ist - schließlich hat er rund 30 Marathonläufe erfolgreich hinter sich gebracht. Als Funktionär war er Seiteneinsteiger, zunächst beim Schwäbischen Turnerbund (STB), dann beim DTB. „Ich habe in meinem Leben nie geturnt“, sagt er, „als Schüler habe ich das Turnen gehasst.“ Er war ein sehr guter Leichtathlet, der bei den Bundesjugendspielen im Sommer schon mit zwei Übungen die Ehrenurkunde sicher hatte, aber im Winter im Geräte-Mehrkampf nie eine Urkunde bekam. Dafür hat er das Turnen viele Jahre aus anderer Perspektive vorangebracht.

Den 15. August hat er unter die Überschrift „Danke“ gestellt. Er wird mit all denen feiern, die in besonderer Weise in Politik und Sport und darüber hinaus mitgewirkt und ihn in hervorragender Weise unterstützt haben. „Ich hatte immer großes Glück mit sehr engagierten Geschäftsführern, Generalsekretären, Sportdirektoren und vielen anderen, sowohl in Stuttgart als auch beim DTB. „Denn so eine Tätigkeit funktioniert nur im Verbund mit Menschen, die die entsprechende Verantwortungen in ihrem Teilbereich tragen.“

Rainer Brechtken - die wichtigsten sportlichen Stationen

  • Präsident Deutscher Turner-Bund 2000 - 2016
  • Vizepräsident Deutscher Turner-Bund 1996 - 2000
  • Präsident Schwäbischer Turnerbund 1994 - 2012
  • Vizepräsident Württembergischer Landessportbund 1995 - 2003
  • Mitglied Nationales Olympisches Komitee 2002 - 2006
  • Vorsitzender der Konferenz der Spitzenverbände im DOSB 2008 - 2014
  • Ehrenpräsident DTB seit 2016
  • Ehrenmitglied im DOSB seit 2016

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