Koalitionsvertrag: Verantwortung für ein fittes Deutschland
Die designierte Bundesregierung hat ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Was ist darin für den Sport enthalten und welche Auswirkungen hat das für Vereine, Verbände und Athlet*innen?

10.04.2025

„Verantwortung für Deutschland“. Unter diesem Titel haben die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Mittwoch, 9. April 2025, ihren 146-seitigen Koalitionsvertrag vorgestellt. Die Koalitionäre präsentierten sowohl eine inhaltliche Einigung als auch die Ressortaufteilung - eine konkrete Besetzung von Ministerämtern steht derweil noch aus. Dem Sport ist in Kapitel 4 „Starker Zusammenhalt, standfeste Demokratie“ der Abschnitt „Kommunen, Sport, Ehrenamt“ gewidmet. Hier finden sich die zentralen Vorhaben der Koalitionäre für die Anliegen des Sports.
Positiv fällt auf: Die Parteien erkennen die herausragende Bedeutung von Sport und Bewegung für das Gemeinwohl an. Sie bekennen sich zur Stärkung des organisierten Sports - in der Spitze und in der Breite.
Der Koalitionsvertrag greift die Kernforderungen des DOSB auf: Die Einführung einer Bundesmilliarde zur Stärkung der Sportinfrastruktur, die Unterstützung für die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland sowie die Installierung eines*einer Staatsminister*in für den Sport im Kanzleramt. Das ist gut und erfreulich. Aber leider schafft der Koalitionsvertrag bei der Förderung der Sport-Infrastruktur - ein zentrales Anliegen des Sports - nicht die gewünschte Deutlichkeit und Verbindlichkeit, die es bräuchte. Es bleibt Aufgabe des DOSB, hier weiter auf die künftige Bundesregierung einzuwirken und deutlich zu machen, dass eine erfolgreiche Politik für den organisierten Sport und unser Land nur durch eine dauerhafte und verlässliche Unterstützung erzielt werden kann.
Vorab zunächst noch eine sehr wichtige Botschaft, die von dieser Wahl ausging: Die Bürger*innen in Deutschland wollen unsere Demokratie mitgestalten! 82,5 Prozent der Wahlberechtigten hatten gewählt - das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Der Grund für die hohe Wahlbeteiligung ist gleichzeitig ein Auftrag an die künftige Regierung: Die Menschen merken, dass wichtige Entscheidungen anstehen und dass die Welt sich verändert. Der Umgang mit den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung ist eine Mammutaufgabe für die Politik. Die zügige Einigung auf einen Koalitionsvertrag innerhalb von gerade einmal 45 Tagen nach der Bundestagswahl zeugt vom klaren Bewusstsein der Verantwortlichen für die Ernsthaftigkeit der politischen Lage. Das sollte man würdigen.
Alle sind sich einig: Unser Land braucht einen umfassenden Ruck nach vorne, um fit für die Zukunft zu werden. Über das „Wie“ wurde viel gestritten. Neben Reformen und Förderungen braucht es aus Sicht des DOSB eine positive Botschaft, die alle Bürger*innen erreichen kann und die Zuversicht und Zusammenhalt in unserem Land stärkt.
Eine einzigartige Chance für eine solche positive Botschaft bietet der organisierte Sport mit seinen über 28 Millionen Mitgliedschaften, 86.000 Vereinen und vielen Millionen Ehrenamtlichen, die sich für unsere Gemeinschaft einsetzen. Der Sport erreicht alle Menschen, egal ob Jung oder Alt, Arm oder Reich, jene, die schon immer hier gelebt haben, oder jene, die aus vielen Ländern zu uns gekommen sind. Der Sport ist vor Ort bei den Menschen, sowohl in der Großstadt als auch auf dem Land.
Und er braucht gute Rahmenbedingungen, damit das so bleibt.
Es ist daher dringend nötig, mit der Unterstützung der neuen Bundesregierung, den Sport auf Bundesebene als Grundlage für Demokratie, Fairness, Integration sowie Inklusion und vor allem auch für gesunden Wettbewerb und Leistungsbereitschaft zu stärken und in zukunftsfähige Bahnen zu lenken.
Kurzum: Wertebildung durch Sport!
Als DOSB haben wir der designierten Bundesregierung hierzu ein Angebot unterbreitet. Mit 10 Kernforderungen haben wir uns eingebracht.
Was steckt nun in dem 146-seitigen Papier insgesamt für den Sport? Die zentralen Ergebnisse des Koalitionsvertrages für die 21. Legislaturperiode mit Blick auf den Sport:
Wir begrüßen die politische Rückendeckung für eine Olympiabewerbung und das überzeugende Bekenntnis zur Autonomie des Sports. Eine Bewerbung und die letztliche Durchführung von Olympischen und Paralympischen Spielen soll als Motor für einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr körperlicher Aktivität im ganzen Land dienen - in den Vereinen, in den Schulen und im Alltag. Die „nachdrückliche Unterstützung“ der Koalitionäre für dieses Projekt gilt es auch in den Haushaltsplänen zu zementieren.
Wir wollen Deutschland im Spitzensport wieder an die internationale Weltspitze bringen. Den notwendigen Paradigmenwechsel haben auch die Koalitionäre erkannt und sehen vor, die Förderung effizienter, flexibler und weniger bürokratisch zu gestalten. Dies - sowie das Bekenntnis zu einer wettbewerbsfähigen Struktur der Olympia- und Bundesstützpunkte - ist uneingeschränkt zu begrüßen. Weniger Bürokratie wäre ein Segen für alle Beteiligten im Spitzensport in Deutschland, um sich mehr auf das Kerngeschäft, nämlich das Schaffen von sportlichen Höchstleistungen, konzentrieren zu können. Prämien für gewonnene Medaillen sollen für Athlet*innen von der Steuer befreit und die soziale Absicherung - u.a. durch Mutterschutz für Leistungssportlerinnen - verbessert werden. Aufbauend auf den eingeleiteten Prozessen werden wir die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage mit verbindlichen Vorgaben zu Aufgaben und Zielstellungen des Spitzensports, zu strukturellen und fördertechnischen Rahmenbedingungen sowie zu Vereinfachungen bei der finanziellen Förderabwicklung in diesem Kontext forcieren.
Mit der vorgesehenen „Traineroffensive“ und der Verbesserung der Vergütung und den arbeitsrechtlichen Bedingungen für Trainer*innen verbindet der DOSB auch die Erwartung einer Bildungsoffensive. Die Aus- und Fortbildung von Übungsleiter*innen und Trainer*innen stellt einen zentralen Erfolgsfaktor im Sport dar. Wenn wir wieder mehr Erfolg im Spitzensport erzielen wollen, dann benötigen wir auf Weltniveau ausgebildete Trainer*innen im Spitzenbereich und in der Breite gut qualifizierte Übungsleitende für einen großen Talentpool. Um als Gesellschaft wieder mehr in Bewegung zu kommen und insbesondere unsere Kinder und Jugendliche ans lebenslange Sporttreiben und auch Spitzenleistung heranzuführen, brauchen wir erstklassig ausgebildete Übungsleiter*innen.
Mit der Bereitstellung einer „Bundesmilliarde“ greifen die Koalitionäre eine der zentralen Herausforderungen des organisierten Sports auf. Nur mit einer funktionierenden und attraktiven Infrastruktur kann unserer Gesellschaft die Wende zu mehr Bewegung, Lebensqualität und damit Optimismus gelingen. Investitionen in Sport-Infrastruktur kommen direkt bei den Menschen vor Ort an. Der DOSB begrüßt die Förderung der Modernisierung und Sanierung von Sportstätten i. H. v. mindestens einer Milliarde Euro. Wir begreifen diese Investition als Grundlage, die es zu verstetigen gilt. Auch wenn wir uns im Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zu einer jährlichen Milliarde für die Sport-Infrastruktur gewünscht hätten, sehen wir hier die deutliche Bereitschaft zu Investitionen. Sport-Infrastruktur umfasst für uns dabei nicht nur bauliche Maßnahmen, sondern ebenso die gut qualifizierte personelle und digitale Aufstellung der Sportorganisationen und Vereinsstrukturen und damit Investitionen in Bildung, Qualifizierung und Digitalisierung. Mit Blick auf das geplante 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur sehen wir noch Potenzial für weitergehende Maßnahmen seitens der neuen Bundesregierung.
Durch die Festschreibung der Verantwortlichkeiten des Bundes sowie die Konzentration von Zuständigkeiten und Aufgabenbereichen in einer Funktion kann die Bundespolitik ein noch verlässlicherer - und vor allem effizienterer - Partner des organisierten Sports und der Länder werden. Wir sind davon überzeugt, dass die exklusive institutionelle Verankerung in Form eines*einer Staatsminister*in im Kanzleramt unerlässlich ist, um der Komplexität dieser Querschnittsaufgabe gerecht zu werden. Die Koalitionäre betreten hiermit Neuland und lassen ihren Gestaltungswillen im Bereich des Sports deutlich erkennen. Nun gilt es, dieses Potenzial zu nutzen und das Amt mit klaren Verantwortlichkeiten, den notwendigen Kompetenzen sowie den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten.
Ehrenamtliches Engagement ist ein Fundament für eine gerechte und offene Gesellschaft. Knapp acht Millionen Menschen engagieren sich ehrenamtlich im Sport. Die Gewinnung, Qualifizierung und langfristige Bindung von Engagierten stellen jedoch eine der größten Herausforderungen für Sportvereine dar - für viele sogar eine existenzielle. Mit der Schaffung eines „Zukunftspakts Ehrenamt“, der Anhebung der Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale sowie der Entbürokratisierung im Vereinswesen und der Anerkennung der Vereine als Bildungsorte gehen die Koalitionäre den richtigen Schritt. Auch damit greifen die Parteien langjährige Forderungen des DOSB auf, die unmittelbar auf unsere Vereinslandschaft wirken und die Arbeit vor Ort unterstützen.
Abseits dieser Kernbotschaften finden sich im gesamten Koalitionsvertrag weitere relevante Vorhaben, die den organisierten Sport berühren. Als Beispiele sind insbesondere die Einigungen im Bereich Ehrenamt und Gemeinnützigkeit (Zeile 1486) sowie Entbürokratisierung für das Ehrenamt (1985), Kinder- und Jugendschutz (3179) sowie Kinder- und Jugendplan (3197) und der Freiwilligendienste (3326) positiv hervorzuheben.
Eine erste Übersicht der sportrelevanten Themen aus dem Koalitionsvertrag findet ihr hier.
Auffällig ist die Betonung der „tragfähigen Staatsfinanzen“ und der „soliden Haushaltspolitik“. Gemeint ist damit: Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Fakt ist aber auch, dass in Zeiten multipler Krisen und wachsender Politikverdrossenheit die Förderung des organisierten Sports einen immensen Hebel für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bietet - eine vergleichsweise kleine Investition in den Sport führt zu einer großen gesellschaftlichen Rendite.
Aus Sicht des DOSB stellt dieser Koalitionsvertrag insgesamt eine hoffnungsvolle Grundlage dar, um in den kommenden vier Jahren gemeinsam mit der neuen Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag sportpolitische Akzente zu setzen.
Natürlich gilt es nun, die Versprechen stellenweise zu konkretisieren und in die Tat umzusetzen. Als Dachverband und Interessenvertreter des organisierten Sports wollen wir dies gemeinschaftlich - auf Augenhöhe und unter Wahrung der Autonomie des Sports - mit der Bundespolitik tun, so wie wir es in unseren Wahlforderungen angeboten haben.
Gemeinsam wollen wir Verantwortung für ein fittes Deutschland übernehmen.