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„Lisas Literatur-Likes“: Inspiration zum Abschalten vom Dauerstress

Lisa Mayer, Europameisterin und Olympia-Bronzemedaillengewinnerin mit der 4x100-Meter-Sprintstaffel in Paris, schreibt ab sofort auf der DOSB-Homepage eine monatliche Kolumne über ihre Liebe zum Lesen. Hier schildert sie, warum sie das tut.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

28.01.2025

Das hat man nun davon, dass man mit viel Liebe von seinem schönsten Hobby zu erzählen weiß! Es war Mitte Dezember auf einer Talkrunde im mittelhessischen Lich. Lisa Mayer war eingeladen, um über Sportförderung im Allgemeinen und die Nachwirkungen ihrer olympischen Bronzemedaille von Paris 2024 mit der 4x100-Meter-Sprintstaffel im Besonderen zu referieren. Doch als sie mit demselben Leuchten auf dem Gesicht auch über ihre Leidenschaft zum Lesen sprach, stand unüberwindbar diese Idee im Raum: Dass die 28-Jährige ihre Liebe zur Literatur teilen sollte, zumindest mit Sportdeutschland. Und genau das tun wir nun: An jedem letzten Dienstag eines Monats erscheint künftig auf der Homepage des DOSB und im Newsletter „DOSB-Presse“ die Kolumne „Lisas Literatur-Likes“. Den Anfang macht im Januar 2025 der Thriller „Sturm“ von Uwe Laub.

Wobei das alles natürlich viel früher angefangen hat – und überraschenderweise dann doch deutlich später, als man annehmen würde. Denn eine Leseratte, die schon in der Kindheit alles verschlungen hätte, was ihr in gedruckter Form in die Hände fiel, war die Ausnahmesprinterin nie. „Ich habe als Kind eher Kassetten gehört und dann über ,Die Drei ???‘ den Weg zum Lesen gefunden. Aber weder wurde mir besonders viel vorgelesen, noch habe ich selbst großen Spaß am Lesen gehabt, es war immer eher eine Überwindung“, sagt sie rückblickend.

Selbst nach dem Abitur, das sie 2014 am Weidig-Gymnasium in Butzbach bestand, war der Weg zur Literatur noch nicht freigelegt. „Ich dachte bis einen Tag vor Einschreibeschluss, dass ich Soziale Arbeit studieren würde, bis mir starke Zweifel kamen, ob das wirklich passen würde. Und da ich in der Schule Deutsch als Leistungsfach hatte, kam mir der Gedanke, dass ich Germanistik als Basis wählen könnte, von der aus mir viele Möglichkeiten offenstehen würden“, sagt sie. Also ging es ans Frankfurter Goethe-Institut, wo sie sich für Germanistik und im Nebenfach für Humangeographie einschrieb – und das Studium 2019 mit ihrer Bachelorarbeit zum Thema „Der imperfekte Mensch“ am Beispiel von Büchners „Lenz“ und dem „Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann abschloss.

Dort, so erinnert sie sich, entflammte die Liebe zum Lesen, weil sie zu spüren begann, dass sie mit einem Buch ganz anders abzuschalten in der Lage ist als vor einem Bildschirm. „Ich bin nicht so der Film- oder Seriengucker. Lesen entspannt mich auf eine ganz andere Weise.“ In andere Welten einzutauchen, sich auch Zeit dafür zu nehmen, sich diese in ihrer Fantasie blumig auszugestalten, das sei für ihren Kopf förderlich und wohltuend – auch wenn es bedeute, dass von der Sprinterin, die sie auf der Tartanbahn ist, beim Lesen wenig übrigbleibt. „Ich lese langsam, dafür aber sehr genau.“ Und vier Bücher pro Monat im Schnitt ist ja auch keine so schlechte Bilanz.

Auf die Frage nach ihrem Lieblingsgenre kann Lisa Mayer keine klare Antwort geben. Eingestiegen sei sie mit Krimis, inspiriert durch ihre Mutter, die nichts anderes lese; von Charlotte Link, die sie als Lieblingsautorin bezeichnet, liest sie bis heute jede Neuerscheinung, auch Nele Neuhaus schätzt sie angesichts der Bindung von deren Werken zu der Region, in der sie selbst lebt. Über ein Geschenk habe sie sich für Romane geöffnet, Christian Hubers „Man vergisst nicht, wie man schwimmt“ sei eine Art Erweckungserlebnis gewesen, „das hat mich total abgeholt“. Seitdem ist sie offen für alles, verschlingt Sportbiografien (absoluter Favorit: „Open“ von Andre Agassi) ebenso wie Thriller. „Nur zu Science-Fiction habe ich noch keinen Zugang gefunden.“

Lisa Mayer, die überwiegend auf Deutsch, aber auch auf Englisch liest, kauft ihre Bücher ebenso gern selbst, wie sie welche verschenkt oder geschenkt bekommt. Wenn sie in eine Buchhandlung geht, sind ansprechende Cover ein wichtiger Impuls für die Kaufentscheidung. Wenn sie dann auch noch der Klappentext einfängt, ist es meist ein Match. „Ich bin aber auch schon von Büchern positiv überrascht worden, die ich mir wegen des Covers nie selbst ausgesucht hätte“, sagt sie. Gegen einen E-Book-Reader habe sie sich lange gesträubt, ist mit ihrem Tolino nun aber durchaus glücklich, „weil es auf Reisen einfach praktischer ist“. Die Haptik eines gedruckten Buches zieht sie trotzdem weiterhin vor; auch gegenüber Hörbüchern, „die man oft nur so nebenbei laufen hat und sich dann nicht richtig darauf einlässt.“

Gelesen wird überall da, wo sie freie Zeit verbringt. „Ich kann auch lesen, wenn es um mich herum laut und wuselig ist, gehe aber gern zum Lesen in ein ruhiges Café.“ Zu Hause sind das Sofa oder im Sommer der Liegestuhl bevorzugte Leseorte. Und natürlich das Bett. „Ich lese so gut wie jeden Abend vorm Schlafengehen“, sagt sie – und freut sich darüber, wenn sie, wie zuletzt im Trainingslager auf La Palma, wo sie bis zum 19. Januar an ihrer Form für die Hallensaison arbeitete, eine Zimmerpartnerin wie Sophia Junk hat, die ihre Leidenschaft teilt. In Sportkreisen ist das nicht allzu oft der Fall, „deutlich mehr bei Frauen als bei Männern“, sagt sie.

Vielleicht trägt ihre Kolumne nun dazu bei, dieses Verhältnis zu verändern und vor allem die Leidenschaft fürs Lesen, die unter jungen Menschen durchaus eine Renaissance erfährt, auch im Team D und bei allen, die ein Teil dessen werden wollen, zu verstärken. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es gut für den Kopf ist, sich mit vielen verschiedenen Dingen zu beschäftigen. Lesen ist dafür ein sehr geeignetes Mittel“, sagt Lisa Mayer, die allerdings zugibt, auch nicht zu jeder Zeit die Muße für ein Buch zu finden. „Nach einer intensiven Trainingseinheit ist Lesen das Letzte, was ich will, denn dafür braucht es mentale Energie, die man nicht immer aufbringen kann. Richtig viel lese ich nur an Tagen, an denen das Nervensystem nicht so belastet ist.“

Sie selbst hofft, über die Beschäftigung mit ihrer Kolumne Zugang zu Autoren zu bekommen, die ihr bislang unbekannt sind, und auch mit einem neuen Blickwinkel an Literatur herangehen zu können. Einen Literaturkreis zu gründen, in dem intensiv gemeinsam über Leseerfahrungen diskutiert wird, ist etwas, das sie schon länger erwägt. „Bislang beschränkt sich das darauf, dass ich mit Freundinnen Bücher tausche und man dann kurz darüber redet.“

Nach der aktiven Karriere, die in diesem Jahr zunächst die Hallensaison mit dem Höhepunkt EM in Apeldoorn (Niederlande) Anfang März und im September dann die Freiluft-WM in Tokio (Japan) als Saisonhighlight bereithält, eine berufliche Herausforderung im Literaturbereich zu suchen, kann sie sich aktuell nicht vorstellen, „dafür ist die Liebe zum Sport noch ein kleines Bisschen größer.“ Irgendwann ein eigenes Buch zu schreiben, das ist für Lisa Mayer noch kein Thema. Jetzt startet sie erst einmal mit ihrer eigenen Kolumne, und das ist ein toller erster Schritt.

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