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Nachhaltig ausgerichteter Sport setzt Impulse für die Gesellschaft

Rund 200 Expertinnen und Experten haben in Berlin diskutiert, wie Freizeitaktivitäten, Trendsportarten und Sportveranstaltungen Hand in Hand mit Natur- und Klimaschutz gehen können.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

28.03.2017

Auf dem Dialogforum 2017 „Sport – Impulsgeber für eine nachhaltige Gesellschaft“ standen insbesondere nachhaltige Lösungen für die unterschiedlichen Natur-Nutzungsformen im Fokus. Die Tagung wurde auf Initiative des Beirats der Bundesregierung für Umwelt und Sport vom Bundesumweltministerium (BMUB) und dem Umweltbundesamt (UBA) gemeinsam durchgeführt.

Nachhaltigkeit ist im ökologischen Sinne „das Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren und künftig wieder bereitgestellt werden kann“. So definiert es der Duden. Verschiedene Gesellschaftsgruppen mit unterschiedlichen Interessen können dieses Prinzip empfindlich stören. Verständigen diese sich aber darauf, strategisch enger und effizienter zusammenzuarbeiten, wie das im Falle von Naturschutzverbänden und dem organisierten Sport der Fall ist, kann das Ziel einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen erreicht werden, lautet ein Fazit der Veranstaltung im Berliner „Tagungswerk“ .

Im Jahr 1994 hat die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel mit der Einrichtung eines Arbeitskreises „Sport und Umwelt“ den Grundstein für eine bis heute positive Kooperation gelegt. Aus diesem Arbeitskreis ist im Jahr 2000 der Beirat „Umwelt und Sport“ hervorgegangen.

Gute Zusammenarbeit seit 20 Jahren

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagte zur Eröffnung des Dialogforums: „Seit mehr als 20 Jahren arbeiten wir Umweltschützer gut mit dem Sport zusammen. Das war und ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit – wenn wir zum Beispiel an die Diskussionen ums Klettern oder große Sportevents denken. Heute geht es darum, die sich verändernde Sport- und Freizeitwelt mit Natur- und Klimaschutzanforderungen in Einklang zu bringen. Das betrifft zum Beispiel die Anreise zu Sportveranstaltungen oder den Umgang mit neuen Natursporttrends wie Kitesurfen. Ein nachhaltig ausgerichteter Sport kann auch Impulse für mehr Nachhaltigkeit in anderen gesellschaftlichen Bereichen setzen.“

Millionen Menschen, viele von ihnen organisiert in über 90.000 Sportvereinen, suchen Erholung und Naturerlebnisse in einer intakten Umwelt, verdeutlichte Prof. Ralf Roth, Institutsleiter Natursport und Ökologie an der Deutschen Sporthochschule Köln, in seinem Impulsreferat zur „Spielfeldanalyse“. Die Zahlen und Fakten, die Roth dem Plenum präsentierte, zeigen den Sport als ein „raumprägendes Phänomen“ mit einem erheblichen „ökologischen Fußabdruck“, den es zu verringern gelte: „Wir haben derzeit 231.441 Sportstätten, die wir zu Millionen miteinander teilen. Neben diesen klassischen Sportstätten haben wir noch 360.000 Kilometer in Linienform. Das sind Anlagen und Wege, die wir zum Laufen und z.B. für Loipen nutzen, die aber prioritär zu Transportzwecken beispielsweise im Forst gebaut wurden.“

Unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes seien derzeit 27,8 Millionen Mitgliedschaften organisiert, ein „extrem positives Maß“, das den wichtigen gesellschaftlichen Stellenwert des Sports zeige. Der Organisationsgrad sei aber in den letzten Jahren auf etwa 22 Prozent ge-sunken, so Roth. „Draußen ist ein Mehrfaches an Bewegungssuchenden unterwegs. Es stellt sich die Frage, wie wir den Organisationsgrad in den Vereinen wieder erhöhen können, um wieder stärker Zugang zu haben.“ 

Aktive Sportlerinnen und Sportler in Deutschland geben nach Roths Berechnungen jährlich 77 Milliarden Euro aus, gemessen am Bruttosozialprodukt sind das 3 bis 4 Prozent. Dazu kommen noch 10 Milliarden Euro für den passiven Sportkonsum (z.B. Besuch von Sportveranstaltungen). Fast ein Drittel davon geben Sportler alleine für Fahrten zu und vom Sport aus. „Das ist ein entscheidender Wert, der den Bezug zum Thema Umwelt und Nachhaltigkeit herstellt“, betonte Roth. Die Mobilität sei also ein Faktum, das es zu begrenzen gelte.

Der Sport müsse Menschen in Bewegung setzen, schon allein aus Kostengründen im Gesundheitsbereich. Dafür brauche dieser zunächst grundsätzlich die Unterstützung der Politik und der Gesellschaft, weil „wir wiederum auch den Sport für nachhaltige Entwicklung brauchen“. Treiber für Nachhaltigkeit bei der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gestaltung des Sportsystems seien Bewusstseinsbildung und individuelle Verantwortung, Einsparung von Ressourcen und Kostensenkung. „Die Herausforderung dabei ist die Zielübereinkunft aller Akteure in diesem Prozess“, so Roth. Priorität für die zukünftige Ausrichtung der Sportentwicklung  haben aus Sicht des Beirats „Umwelt und Sport“, dem der Professor ebenfalls angehört, die digitale Transformation (Nutzung der neuen medialen Technologien für einen Wandel in der Kommunikation), die Besucherlenkung bei Sportveranstaltungen und in Naturschutzgebieten, der Klimaschutz und die sogenannte „sharing economy“. Bei letzterer gehe es darum, den Wert des Teilens zu erkennen (z.B. Leihfahrräder). „Reparieren statt wegwerfen“ sei auch ein Gebot für Industrie (z.B. Bekleidung) und Handel. 

Roths Vortrag schloss sich eine Diskussion an, die sich aus verschiedenen Perspektiven den Gestaltungsspielräumen für mehr Nachhaltigkeit annäherte. Die Runde moderierte der Redakteur und Autor verschiedener Bücher über das Wandern, Manuel Andrack:

Plädoyer für intelligentere Stadtplanung

Die Leiterin der Unterabteilung Forschung, Bildung, gesellschaftliche Gruppen im Bundesumweltministerium, Ingrid Müller, plädierte für eine intelligentere Stadtplanung, um „mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, Wege in der Stadt zurückzuerobern“. Als Beispiel nannte sie das Tempelhofer Feld, das ehemalige Flughafengelände mitten in Berlin, das täglich von tausenden Sporttreibenden bevölkert wird. Bei dem Thema komme auch die Bedeutung des Sportvereins mit seiner starken Integrationskraft ins Spiel, denn „kommerzielle Sportanbieter werden keine Kiezkultur entwickeln“.

Karin Fehres, Vorstand Sportentwicklung des DOSB, nannte einige Beispiele, bei denen Kommunen in Kooperation mit Sportvereinen mit guten Beispielen bereits vorangehen, sei es mit dem verstärkten Ausbau von Radwegenetzen wie z.B. in Münster, Bewegungsgärten für Erwachsene oder ausgewiesene Bewegungskitas, wo „wir in der Entwicklung noch am Anfang stehen“. Sie forderte in diesem Zusammenhang  einmal mehr die Ausweitung des Schulsports. „Zwei Stunden in der Woche sind einfach nicht genug!“

Fehres nannte außerdem ein Beispiel, aus der ersichtlich wird, wie zerbrechlich das Zusammenspiel zwischen Sport und Natur gelegentlich noch ist. Die Frankfurterin problematisierte in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes zum Befahrungsverbot für Kanus auf der Nidda.

Karin Fehres teilte auch die Einschätzung der Umweltministerin Hendricks, die der Bewerbung der Stadt Hamburg um die Olympischen Spiele 2024 ein sehr gut durchdachtes, nachhaltiges Olympiakonzept bescheinigte, aber die Bevölkerung dennoch nicht überzeugen konnte. „Mit Olympischen Spielen in Deutschland könnten wir Vorbild sein für nachhaltige Spiele in einer Demokratie“, sagte Fehres. Das müsse aber zum besseren Verständnis für die Menschen erst einmal gut übersetzt werden, bevor man eine erneute Bewerbung überhaupt ins Kalkül ziehen könne.

Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Prof. Dr. Kai Niebert, verteidigte die Ansicht, dass es im Einzelfall berechtigt sei, empfindliche Naturräume zu sperren und forderte ein „intelligentes Wegesystem“ in Naturschutzgebieten. Er sei aber wie viele andere Naturschützer auch Natursportler und „ein ausgewiesener Freund des organisierten Sport mit seiner enormen sozialen Integrationsfähigkeit und weil man hier an Vorbildern lernt“. Von einem Schilderwald mit Verboten hält Niebert nichts und schlägt vor, dass die Verlage auf Karten und in Büchern entsprechende Hinweise für naturverträgliches Verhalten verzeichneten. Verantwortung für nachhaltige Aufklärung sieht er auch bei den Outdoor-Ausrüstern.

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Sport

Die Outdoor-Branche, die durch Hilke Patzwall, Senior Managerin Coporate Social Responsibility beim Unternehmen VAUDE vertreten war, freut sich grundsätzlich darüber, dass „viele Menschen Natursport betreiben“ – mit steigender Tendenz. Für Patzwall stellt sich die Frage von Konflikten zwischen Sportlern und Naturschützern „nicht wirklich“, denn wertvoller Naturraum müsse „ganz klar“ erhalten werden. In ihrer Firma sei Mobilität ein Thema, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden überwiegend mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. „Die Fahrt zum Sport wird ja verkehrstechnisch teilweise zur Katastrophe“, so Patzwall.

Aber auch bei der Herstellung von Produkten in Dritte-Welt-Ländern seien beispielsweise soziale Aspekte wichtig. Grundsätzlich verfolge man bei VAUDE das Ziel, lieber zu reparieren als neu anzuschaffen. Über die Internetseite der Firma würde man den Nutzer zum „learning by doing“ inspirieren: „Der Kunde soll selbst reparieren.“

Peter Gaffert, Oberbürgermeister der Stadt Wernigerode im Harz, schilderte, wie eng verzahnt Sport, Natur und Tourismus sind. Persönlich liebt er als Skilangläufer den Naturgenuss im Nationalpark Harz und gehört einem Bündnis von Kommunen für biologische Vielfalt an. In einem strikten Naturschutz sieht er trotzdem manchmal den „Feind der Menschen“. Als Beispiel nannte er die rigiden Regeln am Brocken, der höchsten Erhebung im Harz. Eine Straße führe hinauf auf den Berg, die auch von motorisierten Fahrzeugen genutzt würde. Ein Antrag des Radsportverbandes für einen Berg-Wettbewerb auf dieser Straße wurde jedoch mit dem Verweis auf den Status als Nationalpark abgewiesen. „So gibt man die Akzeptanz der Menschen für Naturschutz auf“, sagte Gaffert.

Im Anschluss an die Diskussionsrunde hatten die Teilnehmenden in sogenannten Zukunftsforen die Möglichkeit, durch ihre Beiträge an der Entwicklung der künftigen Schwerpunkte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Sport mitzuarbeiten. Zugleich konnten sie aktuelle Beiträge zu den Wechselwirkungen zwischen Sport, Natur und Umwelt und gesellschaftlicher Entwicklung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennenlernen.

Fünf Zukunftsforen standen zur Wahl: Sie beschäftigten sich mit folgenden Fragestellungen: Wie kann die digitale Transformation zu mehr Nachhaltigkeit im Sport beitragen? Wie kann eine umweltverantwortliche Umsetzung von Sportevents erreicht werden? Wie lassen sich Raumnutzungskonflikte zwischen Sport und Natur überwinden? Klimaschutz und Sport: Welche Maßnahmen sollten wir ergreifen, intensivieren oder auch verändern? Und schließlich die Frage, wie können Unternehmen, Handel und Kunden gemeinsam mehr Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit bei der Nutzung von Sportartikeln erreichen?

Das Resultat im Zukunftsforum 1 war, die Kommunikation auf verändertes, digitales Nutzerverhalten anzupassen, die Erkenntnis, dass es ein großes Potenzial von Big Data für Zielgruppenanalyse im Sport- und Umweltbereich gibt, der Sport großes Potenzial besitzt, Nachhaltigkeitsthemen über neue Medien bei jüngeren Zielgruppen zu platzieren, und die Erkenntnis, je intensiver die Digitalisierung, desto wichtiger seien echte Sporterlebnisse.

Mehr Kooperationen und Netzwerke

Zukunftsforum 2 zog das Fazit, die Entwicklung von geeigneten Strukturen im organisierten Sport um das Thema Nachhaltigkeit müsse im gesamten Sport vorangebracht werden, es müssten Kooperationen und Netzwerke (auch Umweltverbände) zwischen Verbänden, Vereinen und Kommunen entwickelt werden und es brauche Sensibilisierung und einen langen Atem, um das Thema Nachhaltigkeit zu verstetigen.

Zukunftsforum 3 stellte fest, es benötige die ministerielle Ressort übergreifende Kommunikation (Naturschutz und Wald), die Mitverantwortung der Produzenten, Hersteller und Besitzer bei der Kommunikation in Bezug auf Sensibilisierung und Verhalten und eine Studie zu Kommunikationsformen für nicht-organisierte Sportler.

Im Zukunftsforum 4 kamen die Beteiligten zu dem Schluss, Klimaschutz sei als Thema und politisches Anliegen im Sport angekommen, die nachhaltige Mobilität im Sport sei Herausforderung; es gebe zu wenige Angebote, fehlende Anreize und ein Kulturwandel sei notwendig. Schließlich müsse die Klimaschutzförderung für Sportstätten weiterentwickelt werden: positive Initiativen des BMUB, Forderung nach systematischer Aufarbeitung und vereinsfreundlichere Ausgestaltung.

Zukunftsforum 5 stellte heraus, dass Nachhaltigkeit für den Kunden verständlich, transparent und einfach zu erkennen sein sollte, Partnerschaften genutzt werden können, um Produkte, Beschaffung und Nutzung nachhaltiger zu gestalten und dass glaubwürdige Vorbilder entscheidend seien, um Nachhaltigkeit im Massenmarkt zu etablieren.

<media 74095 _blank download "TEXT, Rede-Barbara Hendricks-Dialogforum2017, Rede-BarbaraHendricks-Dialogforum2017.pdf, 35 KB">Initiates file downloadRede von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zum Dialogforum 2017</media>

Weitere Infos finden sich auf Webseite des Ministeriums und unter www.klimaschutz-im-sport.de.

(Quelle: DOSB/Markus Böcker)

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