„Ohne funktionstüchtige Sportanlagen ist alles nichts.“
Dr. Benjamin Haar Geschäftsführer der Sportvereinigung Feuerbach 1883 e.V. spricht im Interview über den aktuellen Zustand der Sportstätten und erklärt, was einen guten Sportplatz ausmacht.

10.11.2025

DOSB: Benjamin, Sportstätten sind für Vereine unverzichtbar. Was macht einen guten Sportplatz, Schwimmbad oder Halle für die Mitglieder aus?
Dr. Benjamin Haar: Eine Sportanlage ist für Mitglieder dann gut, wenn sie möglichst immer zu den eigenen Trainingszeiten genutzt werden kann und in einem ordentlichen Zustand ist. D.h. die Sportflächen weisen keine Schäden auf und die Sanitäranlagen sind sauber und funktionstüchtig. Die meisten Vereinssportler haben da keine besonderen Ansprüche.
Wie erleben Vereine den aktuellen Zustand der Sportstätten? Wie wichtig sind ökologische Modernisierung, Klimaanpassung und Barrierefreiheit aus Sicht eines Sportvereins und welche Herausforderungen entstehen dadurch?
Viele Sportanlagen sind nun fast 50 Jahre alt. Mit kleineren Sanierungsmaßnahmen konnte bisher ein ordentlicher Zustand einigermaßen erhalten werden. Durch notwendige energetische Sanierungsmaßnahmen als Beitrag zum Klimaschutz oder Anpassungsmaßnahmen wie z.B. ein zusätzlicher Hitzeschutz entsteht aktuell ein sehr großer Handlungsbedarf, den viele Vereine wirtschaftlich nicht stemmen können. Dazu kommt, dass die formellen Anforderungen wie baurechtliche Auflagen usw. stark zugenommen haben. Vor allem Vereinsverantwortliche im Ehrenamt sind da schnell überfordert.
Wie sieht die Situation in Feuerbach aus? Kannst Du uns ein aktuelles Beispiel der Sportvereinigung nennen?
Unsere vereinseigenen Gebäude sind 30, 40 und 50 Jahre alt. Also eigentlich alle über ihrer Lebenszeit. Besonders in der vereinseigenen Dreifeldhalle aus den Siebzigern hat sich eine immenser Sanierungsstau aufgebaut, der einer Investition in Millionenhöhe bedarf. Das ist für uns eine besondere Herausforderung, wenn man zeitgleich auch noch durch eine wachsende Nachfrage an anderer Stelle Neues schaffen muss. Wir sind hierbei auf öffentliche Förderung angewiesen. Ohne dies bräuchten wir eine gänzlich andere Beitragsstruktur.
Zur Person

Benjamin Haar, 45 Jahre. Diplom-Studium Sportwissenschaft an der Universität und anschließend Promotion im Bereich Trainings- und Bewegungswissenschaft. Nach der Promotion erfolgte ein Wechsel zur TSG Reutlingen, wo er fünf Jahre als Geschäftsführer tätig war. Nach Zwischenstationen als Vertretungsprofessor an der PH Gmünd oder als Leiter der Baden-Württembergischen Sportjugend erfolgte 2020 der Wechsel als Geschäftsführer zur Sportvereinigung Feuerbach.
Wie wird das neue Förderprogramm des Bundesbauministeriums „Sanierung kommunaler Sportstätten“ mit 333 Millionen Euro für 2025/2026 aus Sicht der Sportvereine bewertet? Und welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für euren Verein daraus?
Wir haben uns bereits zweimal mit unserem Hallenprojekt leider ohne Erfolg bei diesem Förderprogramm beworben und werden es nochmals versuchen. Die Möglichkeiten, die dieses Programm mit sich bringen, sind groß, da der Förderanteil des Bundes und die Fördersummen pro Projekt sehr hoch sind. Allerdings ist der Weg über die Antragsstellung durch die Kommune sehr (zeit-) aufwändig. Und obwohl das Programm bereits bewusst zweimal für Vereine geöffnet wurde, hatte ich den Eindruck, dass wenige Vereinsprojekte zum Zug kamen. Wenn man diesen Schritt geht, würde ich mir dann auch eine Bevorzugung der Vereine wünschen.
Welche Rolle spielen funktionstüchtige Sportstätten für die Entwicklung junger Talente und den Breitensport?
Ohne funktionstüchtige Sportanlagen ist alles nichts. Im Breitensport können eher noch Abstriche bei der Qualität gemacht werden. Hier ist eher die Quantität gefragt, damit die vielmals bestehenden Wartelisten bedient werden können. Bei steigendem Leistungsniveau kommt es dann eher auf die Qualität an, um ein Training im Spitzenbereich unter Wettkampfbedingungen zu ermöglichen.
Dieser Ansatz könnte sich auch im Bau von Sportanlagen widerspiegeln. Im Breitensport reichen oftmals einfacher gebaute Anlagen aus. Hier steckt ein großes Potential gerade beim kommunalen Sportstättenbau drin. Ich habe den Eindruck, dass bspw. Sporthallen oftmals Prestigeprojekte sind, wo mehr Wert auf die Gestaltung als auf die Funktionalität gelegt wird. Bei einfacher gestalten Anlagen könnte mit dem gleichen Mitteleinsatz mehr geschaffen werden.
Wie wichtig sind funktionierende und moderne Sportstätten als Lern- und Begegnungsorte, um Kinder und Jugendliche für den Vereinssport zu gewinnen und langfristig zu binden?
Wie alle Vereinsmitglieder fühlen sich Kinder und Jugendliche in funktionstüchtigen, sauberen und vor allem sicheren Sportanlagen wohler. Das schafft dann auch mehr langfristige Bindung an den Vereinssport und stärkt gleichzeitig so den sozialen Austausch. Eine Befragung unter Mädchen in Stuttgart hat genau das ergeben: Sicherheit gerade beim Weg zu den Sportanlagen und ein ordentlicher Zustand sind Kriterien, die als besonderes wichtig für eine Teilnahme an Sport- und Bewegungsangeboten angegeben wurden.
Wie können eine mögliche Ausrichtung von Olympischen und Paralympischen Spielen in Deutschland dazu beitragen, die Situation der Sportstätten aus Sicht der Vereine zu verbessern? Welche Chancen siehst Du für die Sportvereinigung Feuerbach darin für Infrastruktur, Nachwuchs und Breitensport?
Hier sehe ich Chancen und Risiken. Die Chance kann darin bestehen, dass im Fahrwasser der Ausrichtung der Spiele schon lange vorher ein stärkerer Fokus auf die Bedeutung des Breiten- und Spitzensports gelegt wird und dann auch mehr und bessere Sportanlagen in der Fläche gebaut werden. Das wäre der wünschenswerte Weg, dass damit eine Art neue Bewegung entsteht. Ein gewisses Risiko besteht darin, dass mehr nur der Austragungsort in den Blick genommen wird und die Sportlandschaft außerhalb dieses „Kerngebiets“ auch wegen begrenzter Ressourcen eher vergessen wird. Das wäre dann für den Sport eine eher kontraproduktive Entwicklung.
Studien zeigen immer wieder: Sportvereine sind die wichtigste Institution für gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Welche Rolle spielen Vereine und ihre Sportstätten Deiner Meinung nach, um Menschen aus unterschiedlichen Generationen, Kulturen und sozialen Schichten zusammenzubringen?
In unseren Sportanlagen kommen tagtäglich viele Menschen unterschiedlichen Alters, aus verschiedenen Kulturen und aus allen möglichen sozialen Schichten zusammen. Das schafft Begegnungen, sorgt für einen Austausch und ein gemeinsames Miteinander. Damit das funktioniert wird Verständnis, ein respektvoller Umgang oder auch gegenseitige Unterstützung verlangt. All das ist für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wichtiger denn je und all das erleben wir jeden Tag in den Vereinssportanlagen.
Wenn Du eine Wunschliste für die Sportstätten der Zukunft hättest - was stünde ganz oben?
Ich bin überzeugt, dass wir die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Sportanlagen noch erheblich unterschätzen. Solange diese nicht klimaneutral betrieben werden, tragen sie aber auch negativ zu dieser Entwicklung bei. Daher würde ich mir einen sehr schnellen Umbau unserer Anlagen hin zur Klimaneutralität wünschen. Gleichzeit sollten diese auf die sich verändernden Umweltbedingungen angepasst werden.
Zum Verein
Die Sportvereinigung Feuerbach ist der größte Breitensportverein im Stuttgarter Norden mit ca. 6.500 Mitgliedern in 18 Abteilungen und verschiedenen Fachbereichen. Auf dem 13 Hektar großen Vereinsgelände mit sechs Fußballplätzen, vereinseigner Sporthalle, Bewegungs- und Gesundheitszentrum einem Funktionsgebäude und diversen weiteren Anlagen. Seit einem Jahr ist die Sportvereinigung Feuerbach zudem als Träger im Ganztag aktiv.
