Olympia-Blues ist ausgestanden, die Heim-EM kann kommen
Deutschlands bestes Beachvolleyball-Duo Nils Ehlers und Clemens Wickler hatte nach Silber in Paris mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen und zudem einen Trainerwechsel zu verarbeiten. Nun sind die beiden zur EM in Düsseldorf in dieser Woche wieder auf Kurs.

28.07.2025

Gespräche mit Nils Ehlers und Clemens Wickler zählen zu den angenehmen Dingen des Lebens. Nicht nur, weil Deutschlands bestes Beachvolleyball-Duo allürenfrei, eloquent, höflich und dabei immer mit einer angemessen Portion Schalk im Nacken daherkommt. Sondern auch, weil Ausreden für sie auf dem Index stehen und stattdessen schonungslos ehrliche Selbstkritik Programm ist. Wer sich also darüber wundert, dass die Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Paris 2024 in die Heim-EM, zu der von diesem Mittwoch bis Sonntag in Düsseldorf aufgeschlagen wird, „ohne Erwartungen starten“, bekommt die Begründung dazu sofort mitgeliefert.
„Wir haben in der Nachbereitung von Paris ein paar Fehler gemacht“, sagt Clemens, „wir haben die Pause danach zu kurz gestaltet, zu viele Turniere noch mitgenommen und uns zu wenig Zeit zur Verarbeitung genommen.“ Er sei, sagt der 30 Jahre alte Abwehrspezialist, auf einer Euphoriewelle geschwommen, die sich super angefühlt habe. „Dieses Gefühl wollte ich in die neue Saison hinüberziehen, habe mir dadurch Ergebnisdruck gemacht, dem ich nicht standhalten konnte.“ Nils, der in Paris seine Olympiapremiere gleich mit Edelmetall krönen konnte, hatte ähnliche Emotionen. „Ich habe mich extrem mit dem Abschneiden in Paris identifiziert und von mir erwartet, nun immer oben zu sein. Aber so ein Mindset ist schädlich, denn jedes Turnier startet bei 0:0. Erfolge aus der Vergangenheit sind schön, aber irrelevant für Gegenwart und Zukunft. Das haben wir beide nun verstanden und daraus gelernt“, sagt der 31-Jährige.
Fast ein wenig philosophisch klingt das, doch die Landung auf dem harten Boden der Tatsachen hat das Duo, das am Hamburger Bundesstützpunkt trainiert und für den Eimsbütteler TV startet, nachhaltig geerdet. Der verpatzte Saisonstart, auch begründet durch eine starke Grippe und Probleme mit der Patellasehne, die Clemens überwinden musste, hatte Fragen aufgeworfen. Die Trennung von ihrem langjährigen Trainer Thomas Kaczmarek hatten einige Beobachter*innen der Szene nicht verstanden, und unter dem Eindruck der schwachen Ergebnisse des Frühjahrs nahmen die Diskussionen Fahrt auf. Allerdings nicht bei Nils und Clemens. „Wir haben Katsche wahnsinnig viel zu verdanken und können verstehen, dass die Trennung von außen schwer zu begreifen war. Aber man darf nicht vergessen, wie intensiv die vergangenen Jahre waren“, sagt Clemens, „es hat sich in der Vorbereitung abgezeichnet, dass wir uns ein wenig aufgerieben hatten und uns nicht vorstellen konnten, noch einmal vier Jahre gemeinsam durchzuziehen.“
Veränderung erschien notwendig, und diesem Impuls stellten sich die beiden, indem sie in Alexander Prietzel (37) und Helke Claasen (48) ein neues Trainerduo anheuerten. Zudem ist Thorsten Weidig (51) als renommierter Sportpsychologe neu im Team. „Ein Trainerwechsel bringt inhaltlich, aber auch von der Ansprache her neue Impulse. Es sind viele Kleinigkeiten, die sich verändern“, sagt Nils, „der wichtigste Aspekt aber ist der, dass wir unsere Eigenverantwortung stärken und unsere interne Kommunikation auf dem Feld dadurch verbessern wollen.“ Aktuell ist der Österreicher Prietzel, der bislang sein Augenmerk vorrangig auf den Nachwuchs und die Nationalteams aus der zweiten Reihe gelegt hatte, als Turnierbegleiter mit der Spielvorbereitung befasst, während Claasen, die eine 50-Prozent-Stelle und familiäre Verpflichtungen hat, hauptsächlich am Stützpunkt mit den beiden arbeitet.
„Wir haben das Gefühl, dass diese Aufteilung für uns alle gut passt und wir uns mittlerweile wieder in der richtigen Spur befinden“, sagt Clemens. Rang fünf beim Elite-16-Turnier in Gstaad (Schweiz) Anfang Juli habe ihnen Mut und Selbstvertrauen gegeben. „Wir wissen dank der Silbermedaille von Paris, welches Potenzial wir haben, und wir arbeiten daran, dieses wieder optimal abzurufen“, sagt Nils. Dazu gehöre neben der Verbesserung der internen Kommunikation auch die Stabilisierung der Annahme und eine Erhöhung der Variabilität im Blockspiel, um weniger ausrechenbar zu sein.
Was zusätzlich helfe, sei die gewachsene interne Konkurrenz. Nachdem sie in Paris einziges deutsches Männerteam gewesen waren, sind in der aktuellen Weltrangliste, in der sie auf Position 18 rangieren, Paul Henning und Lui Wüst als 13. an ihnen vorbeigezogen, Philipp Huster und Max Just folgen auf Platz 22. „Wir wussten schon länger, wie stark die nachrückenden Teams sind, weil wir uns aus dem Training kennen. Es ist schön zu sehen, dass das nun auch international auffällt. Die gewachsene Konkurrenz erhöht die Trainingsqualität, das hilft uns allen“, sagt Clemens.
Sichtbar werden soll das in dieser Woche im Rochusclub Düsseldorf. Gleich 13 deutsche Teams - sechs Männer- und sieben Frauenduos – gehen bei der EM ans Netz. Gespielt wird in der Vorrunde in acht Vierergruppen, die Sieger der ersten Duelle spielen um den Gruppensieg, der direkt ins Achtelfinale führt, die Verlierer um einen Platz in der Zwischenrunde, in der die acht weiteren Achtelfinalisten ausgespielt werden. Alle 13 deutschen Duos sind schon am Mittwoch gefordert, für Ehlers/Wickler geht es gegen die englischen Brüder Javier und Joaquin Bello. „Die sind eine Wundertüte, weil sie länger verletzt waren, aber wir wissen, dass sie Topteams schlagen können, und sind entsprechend gewarnt“, sagt Clemens. Im weiteren Verlauf könnten die Niederländer Stefan Boermans/Yorick de Groot oder die Schweizer Yves Haussener/Julian Friedli warten. Letzte deutsche Europameister bei den Männern waren 2012 Julius Brink/Jonas Reckermann, Ehlers/Wickler unterlagen im Finale im vergangenen Jahr den Letten Martins Plavins/Kristians Fokerots. Bei den Frauen sind Svenja Müller/Cinja Tillmann Titelverteidigerinnen.
Die EM ist in dieser Saison sportlich hinter der WM in Adelaide (Australien/14. bis 23. November) angesiedelt, wird angesichts des Heimvorteils und der damit verbundenen emotionalen Wertigkeit aber in der Planung der Olympiazweiten gleichrangig betrachtet. „Man kann wegen des zeitlichen Abstands hervorragend beides priorisieren“, sagt Nils, „wir freuen uns sehr auf das Heimspiel und die WM.“ Und ein wenig geht der Blick auch schon wieder in Richtung Olympische Spiele, und das aus zweierlei Gründen. Zum einen, weil sie bis Los Angeles 2028 auf jeden Fall zusammenspielen „und dort noch einmal auf höchstem Niveau performen“ wollen. Zum anderen, weil sie mit Interesse den nationalen Wettstreit um die deutsche Bewerbung um die Ausrichtung der Spiele verfolgen. Angesichts ihres Wohnorts Hamburg und ihrer Herkunft - Nils stammt aus Berlin, Clemens aus Starnberg nahe München - sind zwar gewisse persönliche Vorlieben nicht zu verhehlen, einig sind sie sich aber dennoch: „Die Hauptsache ist, dass die Spiele wieder nach Deutschland kommen!“ Sie sind eben Männer der klaren Worte, die beiden.

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