Olympic Day: Wo die verbindende Kraft des Sports sichtbar wird
Im Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln lernten 500 Schüler*innen die Werte der Olympischen Bewegung kennen. Am meisten Spaß bereitete allen aber das Ausprobieren verschiedener Sportarten.

18.06.2025
Sollte es noch immer Menschen geben, die Museen für Oasen der Ruhe halten – dann können diese Menschen noch nicht beim Olympic Day gewesen sein. Annika Hufschmidt zumindest kam am Mittwochvormittag stimmlich an ihre Grenzen. Als einer von fünf Guides führte sie Schulklassen durch die Ausstellung im Deutschen Sport & Olympia Museum (DSOM) im Kölner Rheinauhafen. Sie tat dies mit viel Geduld und Fachwissen, und man kann keinesfalls behaupten, dass die Mädchen und Jungs, die ihr lauschen sollten, kein Interesse an der Materie gehabt hätten. Aber der Geräuschpegel, den mehrere Hundert Jugendliche erzeugen, die sich gleichzeitig an Mitmachstationen ausprobieren dürfen, stellt für jede noch so kräftige Stimme eine Herausforderung dar. Anmerken ließ Annika sich das nicht, und das war wichtig an diesem so besonderen Tag, an dem jedes Jahr die Vielfalt des Sports und die dabei erbrachten Leistungen im Mittelpunkt stehen.
Der Olympic Day ist streng genommen der 23. Juni, darf aber auf eine Zeitspanne von ein bis zwei Wochen um dieses Datum ausgeweitet werden – und konnte deshalb fünf Tage früher im DSOM stattfinden. Erstmals offiziell gefeiert wurde er 1948, um an die Gründung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am 23. Juni 1894 in Paris zu erinnern. Gewürdigt werden mit ihm die Werte der Olympischen Bewegung – Exzellenz, Respekt und Freundschaft – und die vereinende Kraft des Sports. Unter dem Slogan „Let’s Move“ wird jedes Jahr ein neues Motto ausgegeben, das in diesem Jahr +1 lautete – Sporttreiben mit Partner*in. In Köln, wo die Deutsche Olympische Akademie (DOA) das zentrale Deutschland-Event im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zum zehnten Mal im Museum ausrichtete, hätte das Motto auch +499 lauten können. 500 Schüler*innen aus den Klassenstufen zwei bis sechs von zehn Schulen aus fünf Städten in Nordrhein-Westfalen erlebten gemeinsam die verbindende Kraft des Sports.
Und wie ginge das besser als beim Ausprobieren neuer Sportarten? Auf dem Dach des Museums, das mit zwei großen Kunstrasenflächen dauerhaft zu Bewegung einlädt, waren sieben Mitmachstationen eingerichtet, die trotz des heißen Sommerwetters extrem gut frequentiert wurden. Ein Hockeyparcours der Deutschen Hockeyjugend war zu durchdribbeln, eine kleine Breaking-Choreografie, angeleitet von No Limits aus Köln, konnte einstudiert werden. Mittels verschiedener Simulationsbrillen war es möglich, Sehenden die Erfahrung Blindenfußball am Stand der FC-Stiftung näherzubringen.
Das Leichtathletik-Team der Deutschen Sporthochschule Köln hatte eine Sprintbahn mit Lichtschranken-Messanlage aufgebaut. Am Ruderergometer hieß es bei der „Et toi“-Challenge des BRSNW, in Zusammenarbeit mit dem DBS und der DBSJ, Vollgas geben. Ein Handballparcours des HV Nordrhein bot fünf unterschiedliche Skill-Tests. Und sehr beliebt bei den Schülerinnen und Schülern: Flag Football, die körperlose Variante des American Footballs, die 2028 in Los Angeles ihre Premiere bei Olympischen Spielen feiert und in Köln vom Flag-Football-Programm der US-Profiliga NFL angeboten wurde. Dieses wird in Deutschland von der Agentur Sportfive in Person von Nationalspielerin Annalena Welter umgesetzt, die die Übungen persönlich anleitete.
Das große Interesse am Flag Football freute Mona Stevens ganz besonders. Die deutsche Nationalspielerin, als Quarterback für die von ihr mitgegründeten Saarland LadyCanes in Spielübersicht geschult, beobachtete die fleißigen Nachwuchsathlet*innen wachsam bei deren Koordinationsübungen. „Mir geht das Herz auf, wenn ich sehe, wie die Kinder hier bei der Sache sind. Flag Football ist zwar für manche noch neu, aber man merkt, dass unser Sport immer größer wird. Und dieser Olympic Day ist eine tolle Chance, Neues auszuprobieren und vielleicht dadurch den passenden Sport für sich zu finden“, sagte die 33-Jährige, die auch für Talkrunden zur Verfügung stand und mehrere Hundert Autogramme schrieb.
Das hatte sich auch Alexander Rauen vorgenommen. Doch der Para-Skirennläufer war der Pechvogel des Tages. Obwohl er um 5.20 Uhr von zu Hause aufgebrochen war, um pünktlich um 9.30 Uhr in Köln am Start zu sein, kam er wegen einer Vollsperrung der Bahnstrecke zwischen Koblenz und Köln erst um 12 Uhr im Museum an. Die gute Laune ließ er sich davon jedoch nicht verderben. Sein Guide Jeremias Wilke hielt die Fahne hoch und berichtete den staunenden Schüler*innen, wie das Skifahren mit Sehbehinderung funktioniert.
Aufgeteilt war der Tag für alle 16 Schulklassen in drei Abschnitte: Selber Sport treiben, Talkrunde mit wechselnden olympischen und paralympischen Athlet*innen – und Museumsführung. Bei den Talkrunden öffnete Moderator Kai Gemeinder nach ein paar Einstiegsfragen das Podium für Fragen aus dem jungen Publikum – und erntete erstaunliche Wissbegierde. So wurde die am rechten Arm amputierte Para-Kugelstoßerin Kim Vaske gefragt, was sie denn täte, wenn sie sich ihren linken Arm brechen würde. „Zum Glück bin ich auch im 100- und 200-Meter-Sprint ganz gut“, sagte sie. Bob-Anschieberin Leonie Fiebig gestand, dass sie sich bei ihrem ersten Training im Eiskanal „fast in die Hose gepinkelt hätte vor Anspannung“. So entwickelten sich Gesprächsrunden, aus denen alle einiges mitnehmen konnten.
Der erfolgreichste Athlet indes saß auf keinem Podium oder leitete Übungen an, sondern war als Sportlehrer mit der Klasse 5f des Landrat-Lucas-Gymnasiums Leverkusen angereist. Jonas Reckermann, 2012 bei den Spielen in London an der Seite von Julius Brink Olympiasieger im Beachvolleyball, war von der Veranstaltung, die er seit Jahren besucht, wieder einmal genauso begeistert wie seine Klasse. „Das Highlight war für alle natürlich, dass sie so viele Sportarten ausprobieren konnten. Aber auch die Führung und die Talkrunde waren gut. So etwas wie diesen Olympic Day hätte ich als Schüler auch gern gehabt“, sagte der 46-Jährige. Seine Kollegin Rita Bednarz, Leiterin einer 4. Klasse der Grundschule Berrenrather Straße in Köln, war ebenfalls sehr angetan. „Unsere Kinder sind alle sportbegeistert, wir mussten niemanden zur Teilnahme überreden. Aber es ist schön zu sehen, wie intensiv alle bei der Sache sind“, sagte sie.
Jan, Schüler in der Klasse von Frau Bednarz, bestätigte den Eindruck seiner Lehrerin. „Es war super, dass wir hier ein paar andere Sportarten ausprobieren konnten. Vor allem den Standweitsprung und das Handball-Zielwerfen fand ich gut“, sagte der Neunjährige, der beim SC Aqua Köln Wasserball spielt und das Museum sogar schon von Besuchen mit seinen Eltern kannte. Liah (11) und Johannes (10) vom Bonner Tannenbusch-Gymnasium, die gemeinsam im Boxring des Museums am Sandsack arbeiten durften, waren dagegen zum ersten Mal im DSOM – anders als ihr Lehrer Sebastian Wagner, der mit seinen Klassen seit vielen Jahren den Olympic Day besucht und im vergangenen Jahr sogar eine eigene Veranstaltung organisiert hat. „Mir hat es gut gefallen, mal außerhalb der Schule etwas über Sport und Olympia zu lernen“, sagte Liah, die früher Kickboxen gemacht hat und nun Fußball spielt.
Die Beschäftigung mit Olympischen und Paralympischen Spielen und deren Werten ist ein wichtiger Nebenaspekt des Olympic Days, den auch die Verantwortlichen herausstrichen. „Dieser Tag ist unsere größte eigene Veranstaltung. Es ist uns sehr wichtig, dass die olympischen und paralympischen Athlet*innen gleichermaßen wertgeschätzt werden. Wir wollen mit diesem Tag einen Impuls dafür geben, dass die Kinder etwas über die Werte des Sports lernen, was für ihr Leben wichtig sein kann“, sagte Wiebke Arndt, kommissarische Direktorin der DOA, die mit ihrem gesamten, aus acht Personen bestehenden Team am Start war und auch die Unterstützung der Partner würdigte: Sportland.NRW, das von Andrea Milz, Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt, sowie Kathrin Seegers, Referentin Leistungssport, vertreten wurde; EDEKA und Netto Marken-Discount, die als Premium Partner von Team Deutschland die Veranstaltung unterstützten; sowie Sparkasse, adidas und Allianz, die als Top Partner von Team Deutschland und Team Deutschland Paralympics das Event förderten.
Die rund 20 Volunteers kamen zum großen Teil von der Deutschen Sporthochschule. Dr. Ansgar Molzberger, der am dortigen Institut für Sportgeschichte forscht und lehrt, war zudem mit Studierenden vor Ort, die die Profilergänzung Olympische Studien gewählt haben, in der es darum geht, kritisch-reflexives Wissen zu generieren, durch das Studierende befähigt werden, die Olympische Bewegung, ihre Prinzipien, Handlungsleitlinien und Institutionen im Wandel der Zeit zu analysieren. Ebenfalls zu Gast waren 24 Schüler*innen und vier Lehrkräfte von der Deutschen Schule Athen und dem Edward-Steichen-Lycée Clervaux aus Luxemburg, die sich über das von Erasmus+ geförderte Projekt „Olympia: Sports and Values“ mit der interkulturellen Verständigung durch die verbindende Kraft des Sports beschäftigen.
Als um 13 Uhr die letzten Gäste das Museum verlassen hatten, konnte Museumsdirektor Dr. Andreas Höfer ein rundum positives Fazit ziehen: „Dieser Tag ist auch für uns ein sehr besonderer, es freut uns immer, wenn wir dazu beitragen können, dass Jugendliche sich mit Sportgeschichte und den olympischen Werten befassen“, sagte er. Am betriebsfreien Nachmittag kehrte Ruhe ein im Deutschen Sport & Olympia Museum. Aber der nächste Olympic Day kommt schneller, als man denkt.