Sport. Geschlecht. Gesellschaft im Wandel – zwischen Aufbruch und Backlash
Wie kann Sport zum Motor für eine gleichberechtigte Gesellschaft werden? Das Fachforum und die Konferenz für Frauen, Vielfalt und Geschlechtergleichstellung am 26. und 27. September in Frankfurt boten rund 80 Teilnehmenden Gelegenheit zum Austausch, um gemeinsam Ideen und Inhalte für eine gerechtere Sportwelt zu erarbeiten.

29.09.2025
Schon zum Auftakt wurde deutlich: Vielfalt, Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit sind keine Nischenthemen, sondern zentrale Querschnittsaufgaben – sportpolitisch wie gesellschaftlich. Gerade in Zeiten, in denen demokratische Grundwerte infrage gestellt werden und Frauen sowie marginalisierte Gruppen weiterhin auf begrenzte Räume stoßen, braucht es klare Haltungen. Der organisierte Sport versteht sich dabei als aktiver Motor für Teilhabe und Gleichberechtigung. Trotzdem gelingt der Wandel innerhalb der Verbandsstrukturen häufig nur in kleinen Schritten, insbesondere bei Entscheidungspositionen, die weiterhin ungleich besetzt sind. Dabei zeigt der aktuelle Sportentwicklungsbericht, dass Sportvereine mit Frauen im Vorstand deutlich resilienter und erfolgreicher darin sind, Engagierte zu gewinnen und zu binden. Daher appellierte Michaela Röhrbein, Vorständin Sportentwicklung des DOSB, mit einem Augenzwinkern: „Frauen sind nicht nur Teil der Lösung. Sie sind die Lösung“.
Moderatorin Mara Pfeiffer, die durch den ersten Veranstaltungstag führte, rückte deshalb immer wieder folgende Leitfrage in den Mittelpunkt: Wie können Rollenbilder aufgebrochen und der Sport als Spiegel der Gesellschaft zukunftsfähig und gerecht gestaltet werden?
Wenn Unterschiede stark machen: Keynote zu gesellschaftlicher Spaltung und Resilienz
Ein besonderer Höhepunkt war der Impuls von Dr. Gilda Sahebi, Ärztin, Journalistin und Autorin. Sie beleuchtete eindrücklich die Dynamiken von Polarisierung, gesellschaftlicher Spaltung und sozialen Ungleichheiten – sowohl in Deutschland als auch global – und welche Verantwortung daraus für Sport, Zivilgesellschaft und gesellschaftliches Engagement erwächst. Ihr Appell: „Polarisierung zieht Mauern in eine Gesellschaft ein. Diese Mauern machen es unmöglich, die Realität anderer Menschen zu sehen oder zu verstehen.“ Aktiv zuhören, verstehen, handeln und Räume schaffen, in denen Unterschiedlichkeit nicht als Bedrohung, sondern als Stärke erlebt wird, seien entscheidend für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ergänzend zum Fachforum boten an beiden Tagen praxisorientierte Workshops die Möglichkeit, die andiskutierten Themen in Kleingruppen zu vertiefen – immer mit dem Ziel, konkrete Impulse für die tägliche Arbeit in Vereinen und Verbänden mitzunehmen.
„Polarisierung zieht Mauern in eine Gesellschaft ein. Diese Mauern machen es unmöglich, die Realität anderer Menschen zu sehen oder zu verstehen.“ - Dr. Gilda Sahebi, Ärztin, Journalistin und Autorin
Auf dem Spielfeld und darüber hinaus: Perspektiven aus der Praxis
In der Podiumsdiskussion berichteten Praktiker*innen aus Verbänden und Vereinen von ihren aktuellen Erfahrungen mit Aufbruch und Backlash. Moderiert von Katja Lüke (DOSB), schilderte Fabienne Michel (DFB-Schiedsrichterin) die Fortschritte in der Schiedsrichter*innen-Community der dritten Liga, wies aber zugleich auf den weiteren Entwicklungsbedarf für die Repräsentation von PoC und FLINTA-Personen hin. Safa Semsary (Berliner Fußballverband) stellte das „Ready-Set-Coach“-Programm vor, das Mädchen und FLINTA-Personen beim Einstieg in den Amateurfußball unterstützt und Vorbilder sichtbar macht. Angelika Ribler (Sportjugend Hessen) berichtete vom Umgang mit dem hessischen Genderverbot und betonte, wie wichtig klare Haltungen in aktuellen Debatten sind. Meike Henning (Sportamt Darmstadt) hob die wachsende Bedeutung von Demokratieförderung in Vereinen hervor und unterstrich, dass mehr Frauen in Vorständen sichtbar werden, aber weiterhin kontinuierlich daran gearbeitet werden muss. Die Beiträge zeigten eindrücklich, wie Austausch, Sensibilisierung und klare Haltung die Basis für eine inklusive Sportpraxis bilden.
Neue Strukturen, neue Stärke: Delegierte beschließen wegweisende Anträge
Am zweiten Tag des Fachforums tagte die Konferenz für Frauen, Vielfalt und Geschlechtergleichstellung unter der Versammlungsleitung von Michaela Röhrbein, DOSB-Vorständin Sportentwicklung des DOSB. Zur Begrüßung richtete und DOSB-Vizepräsidentin Verena Bentele authentische Worte an die Delegierte der Mitgliedsorganisationen: „Ich habe einen persönlichen Wunsch: Für die nächsten Jahre wünsche ich mir für uns, dass wir aus Zusammentreffen wie heute mit Inspiration und einem starken Zusammenhalt hinaus gehen. Wichtig ist das Gefühl, dass wir etwas erreicht haben. Denn was wir alle gut gebrauchen können, ist Empowerment und Rückenwind, um unsere Themen in den Strukturen des organisierten Sports und in der Gesellschaft voranzutreiben.“
„Für die nächsten Jahre wünsche ich mir für uns, dass wir aus Zusammentreffen wie heute mit Inspiration und einem starken Zusammenhalt hinaus gehen. Denn was wir alle gut gebrauchen können, ist Empowerment und Rückenwind, um unsere Themen in den Strukturen des organisierten Sports und in der Gesellschaft voranzutreiben.“ - DOSB-Vizepräsidentin Verena Bentele
Mit viel Energie, klaren Haltungen und spürbarer Motivation diskutierten die Delegierten über mehrere Anträge, welche die künftige Arbeit der Konferenz entscheidend prägen werden. Beschlossen wurde eine Amtszeitbegrenzung auf zwei Wahlperioden für das Amt der Sprecher*innen der Konferenz, sowie die Einführung von Stellvertreter*innen für die Sprecher*innen – ein Modell, das Entlastung bringt, die Flexibilität erhöht und niedrigschwellige Einstiege in Strukturen eröffnet. Mit über 80 Prozent der Stimmen wurde der Antrag deutlich bestätigt. Ebenfalls wegweisend: Die Strukturänderung der DOSB-Delegation im Deutschen Frauenrat. Künftig gibt es eine Personalunion aus Sprecher*innen, deren Stellvertreter*innen und der Delegation in den Frauenrat. Zusätzlich wird eine neue Sprecher*in Deutscher Frauenrat als ehrenamtlich Delegationsleitung eingeführt. Dadurch können Kosten gesenkt und Abstimmungsprozesse vereinfacht werden. Vor allem aber ermöglicht die Personalunion eine noch größere Durchschlagskraft, Dank die Synergieeffekte, die sich aus der Zusammenlegung der beiden Ämter ergeben. Neben den Änderungen an der Geschäftsordnung wurde auch beschlossen, ab nächsten Jahr in einer AG partizipativ eine neue Strategie für das Themenfeld zu erarbeiten – ein Signal für Aufbruch und Mut zur Veränderung.