Trendsport made in Germany: Wie Hyrox zur weltweiten Bewegung wurde
Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste skizziert, wie aus der 2017 geborenen Idee eines Fitnesswettkampfs ein Unternehmen mit 130 Millionen Euro Jahresumsatz und 850.000 Teilnehmenden auf allen fünf Kontinenten werden konnte.

09.06.2025

Ob Hyrox noch eine Trendsportart ist, wüsste Moritz Fürste auch gern. „Seit sechs Jahren tauchen wir in den Frühjahrslisten der Fitnessmagazine als ‚Trend to watch out for this year‘ auf. Und wir fragen uns, wie lange das noch so gehen wird“, sagt der Mann, der 2017 mit seinem Geschäftspartner Christian Toetzke den Fitnesswettkampf erfunden und innerhalb kurzer Zeit zu einem weltweiten Phänomen gemacht hat. Zahlen gefällig? Bitte sehr: Im Kalenderjahr 2025 sind weltweit knapp 110 Events mit insgesamt 850.000 Teilnehmenden geplant. Der Umsatz wird bei rund 130 Millionen Euro liegen, fast 8000 Gyms sind global als Lizenznehmer in den Hyrox-Kosmos eingebunden. Für einen Trend sind das durchaus beeindruckende Werte.
Wer Moritz Fürste fragt, was ihn in den vergangenen acht Jahren seit der Firmengründung am meisten überrascht hat, dem antwortet er mit derselben Gewissheit, die ihn als Hockey-Olympiasieger beim Spielaufbau auszeichnete. „Eigentlich gar nichts, wir haben von Beginn an daran geglaubt, dass unsere Idee funktionieren würde.“ Lediglich das Tempo der Entwicklung lasse sein Team und ihn noch manches Mal staunen. „Man erstellt im Lauf der Zeit eine Menge Businesspläne mit mehreren Varianten. Der Best Case, den wir jemals präsentiert haben, war ausgehend von 50 Veranstaltungen im Jahr ein Doppelevent an zwei aufeinander folgenden Tagen mit insgesamt 7000 Teilnehmern. Jetzt machen wir fast 110 Events, die im Schnitt vier Tage dauern, und hatten vor wenigen Wochen in Berlin die Rekordzahl von 20.000 Starterinnen und Startern. Das ist eine sehr schöne Entwicklung“, sagt er.
Premierenevent im November 2017 in Hamburg
Worin das Erfolgsgeheimnis von Hyrox, das bei Gründung noch Curox hieß, liegt? Zum einen, glaubt Moritz Fürste, haben Toetzke, der die Sportszene schon seit vielen Jahren mit seinem Einfallsreichtum begleitet, und er mit der Idee einen Nerv getroffen. „Christian hatte, bevor wir mit unserem Projekt gestartet sind, schon länger darüber nachgedacht, wie sich Fitnesstraining und Wettkampfgeist zu einem Event vereinen ließen, weil ihm in der Sparte ein ‚Mass Participation Event‘ fehlte. Und wir haben sehr schnell gemerkt, dass das vielen Menschen so ging“, sagt er. Nach dem Premierenevent im November 2017 in Hamburg, wo heute rund 50 Mitarbeitende am Hauptsitz des Unternehmens im Stadtteil Ottensen arbeiten, konzentrierte sich der studierte Marketing- und Kommunikationsfachmann, der im Juni 2018 sein letztes Bundesligaspiel bestritt und ein Jahr später vor mehr als 2.000 Fans offiziell verabschiedet wurde, komplett auf Hyrox, „weil wir gemerkt haben, dass das Thema genauso funktionierte wie erhofft.“
Zum anderen sei elementar wichtig, dass Hyrox in seinem Aufbau einfach zu verstehen und vor allem unveränderlich sei. Es gibt keine notwendige Qualifikationszeit und im Wettkampf auch kein Zeitlimit. „Wir erhalten oft Anfragen, ob wir nicht neue Übungen aufnehmen oder längere oder kürzere Distanzen anbieten wollen. Aber das wollen wir nicht. Hyrox bleibt so, wie wir es erfunden haben“, sagt er. Das bedeutet: Es gibt acht verschiedene Fitness Work-outs, an die sich jeweils ein 1000-Meter-Lauf anschließt. Die Übungen sind so konzipiert, dass alle Muskelgruppen und Körperbereiche angesprochen werden: 1000 Meter Ski-Ergometer, Sled Push und Sled Pull (Ziehen und Schieben eines Gewichtschlittens), 80 Meter Burpee-Weitsprünge, 1000 Meter Ruder-Ergometer, 200 Meter Farmers Walk mit schweren Gewichten, 100 Meter Ausfallschritte mit Sandsack und zum Abschluss 100 Wall Balls (Medizinballwürfe an die Wand). Die besten Profis bestehen die Herausforderung in deutlich unter einer Stunde. Der US-Amerikaner Hunter McIntyre brauchte im Dezember 2023 in Stockholm 53:22 Minuten, Lucy Procter aus England stellte im Februar 2024 in Wien mit 58:03 Minuten den weiblichen Weltrekord auf.
Besonders wichtig ist Moritz Fürste, dass die Sportart, an der der zum Verkauf stehende Sportrechtevermarkter Infront seit 2022 die Mehrheitsbeteiligung hält, mittlerweile auf allen fünf Kontinenten angekommen ist. „Der größte Markt sind die USA, aber auch Asien und Australien, von wo in James Kelly und Joanna Wietrzyk die aktuell besten Hyrox-Profis kommen, funktionieren überragend. Europa ist auch weiterhin sehr stabil“, sagt er. Lediglich in Afrika ist bislang nur Südafrika im Boot, Ägypten kommt allerdings bald dazu, mit Marokko gibt es vielversprechende Gespräche. Um den Eigenheiten der regionalen Märkte Rechnung zu tragen, gibt es mehr als ein Dutzend Regionalbüros, die größten in Hongkong mit 45 und in Chicago mit 15 der insgesamt 180 Mitarbeitenden.
Interessant ist zudem, dass immer mehr Vereine dazu übergehen, in ihren eigenen Gyms spezielles Hyrox-Training anzubieten. Ausgelegt ist der Sport zwar auf die Kooperation mit kommerziellen Fitnessstudios, „aber natürlich freuen wir uns, wenn wir über vereinseigene Gyms auch eine Anbindung an die Clubs schaffen. Unser Ansatz ist ja, dabei zu helfen, so viele Menschen wie möglich in Bewegung zu bringen“, sagt Fürste, der selbst in seinem Heimatverein Uhlenhorster HC in der Altersklasse 40 in der höchsten Liga Tennis spielt. Hyrox-Training war zuletzt kaum möglich, da ihn pollenbedingtes Belastungsasthma quälte. Aber er kann auf mindestens 20 aktive Teilnahmen zurückschauen, am liebsten im Double, wo er mit seinem früheren Nationalmannschafts- und UHC-Teamkollegen Oliver Korn die magische Ein-Stunden-Grenze nur um 76 Sekunden verpasst hat.
Als geschäftsführender Gesellschafter ist Moritz Fürste bei allen acht Events der Eliteserie (Preisgeld pro Geschlecht 50.000 Euro) und der WM, die traditionell den Saisonabschluss bildet – in diesem Jahr Anfang Juni in Chicago –, vor Ort, dazu bei den meisten Premieren- und einigen ausgewählten Veranstaltungen. „Auf 15 bis 20 Events im Jahr komme ich locker“, sagt er. Die für ihn bedeutsamste Veränderung sei dabei, dass er immer weniger als ehemaliger Hockeystar und immer öfter als erfolgreicher Unternehmer wahrgenommen werde. „Am Anfang wollte ich, dass ich als aktiver Sportler gesehen werde, jetzt freue ich mich, wenn an erster Stelle meine Rolle bei Hyrox steht“, sagt er.
In London sind für November 32.0000 Teilnehmende angemeldet
Zu dieser Rolle gehört an exponierter Stelle die Weiterentwicklung „seines“ Sports. Dafür hat sich das Team klare Ziele gesetzt. „Wir wollen in den kommenden 18 Monaten bis Ende 2026 in 150 Städten 450 Hyrox-Eventtage mit 2,5 Millionen Teilnehmenden machen. Aber genauso wichtig ist, dass unsere Veranstaltungen höchsten Ansprüchen genügen und die Eliteserie ein Hochklasse-Event ist. Wir verhandeln gerade darüber, die mediale Verbreitung zu optimieren, um unsere Wettkämpfe nach außen noch viel sichtbarer zu machen“, sagt er. Den Teilnahmerekord wird im November dieses Jahres London pulverisieren, wo 32.000 Menschen angemeldet sind. In Sydney im Dezember gehen 22.000 an den Start, in Paris im November sind nur 14.000 möglich, noch einmal so viele stehen auf der Warteliste.
Zahlen über Zahlen, die belegen, dass aus dem Trend eine Massenbewegung geworden ist. Bleibt also die Frage, wann Hyrox den letzten Schritt ins Etablissement gehen und dem olympischen Kosmos beitreten kann. „Wir arbeiten intensiv daran, es in den kommenden zehn Jahren ins Olympiaprogramm zu schaffen. Es gibt verschiedene Ansätze, und wir hoffen, dazu noch in diesem Jahr etwas kommunizieren zu können“, sagt Moritz Fürste, der eins von zwölf persönlichen Mitgliedern des DOSB ist. Dieser Schritt wäre die Antwort auf die eingangs gestellte Frage; die einzige, die er zum Thema Hyrox aktuell nicht beantworten kann.