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Verbandsautonomie: Was das ist und wofür sie gut ist

Verbandsautonomie schützt Sportverbände vor staatlicher Kontrolle und sichert ihnen weitgehende Unabhängigkeit zu. Welche Auswirkungen das auf das Handeln der Verbände und die Rolle des DOSB als Dachverband hat: Fragen und Antworten in der Übersicht.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

29.09.2025

In einem Beitrag der Sportschau vom Wochenende (28. September) wird die Verbandsautonomie im organisierten Sport anhand der Vorkommnisse im Deutschen Verband für Modernen Fünfkampf (DVMF) adressiert. Dabei wird auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Dachverband des deutschen Sports angesprochen. Es wird kritisiert, dass wir bei vermeintlichem Fehlverhalten, Zerwürfnissen oder Problemen in Sportverbänden, die bei uns im DOSB Mitglied sind, untätig seien und nicht eingreifen würden.

Was es damit auf sich hat und was die Verbandsautonomie an Eingriffen erlaubt und was nicht, erklären wir deshalb hier.

Was bedeutet „Verbandsautonomie“?

Verbandsautonomie bedeutet, dass Sportverbände in Deutschland sich per Grundgesetz (Art. 9) selbst verwalten und organisieren dürfen. Also ohne dass der Staat in ihre Arbeit eingreifen darf. Das ist wichtig, weil aus der Zeit des Nationalsozialismus gelernt wurde, dass ohne solche klaren Regelungen der Staat, wenn er wollte, durch die ihm zur Verfügung stehende Macht Verbände und Vereinigungen gleichschalten und kontrollieren könnte. Das schadet einer starken, unabhängigen, demokratischen Zivilgesellschaft. Deshalb haben Verbände per Grundgesetz festgeschriebene Rechte, die nicht verletzt werden dürfen.

Die Verbandsautonomie hat aber auch Grenzen. Verbände haben durch ihre Autonomie nicht die Freiheit, alles zu tun ohne Konsequenzen, sondern sind an geltendes Recht gebunden. Dazu zählt zum Beispiel, dass ein Sportverband nicht grundlos eine bestimmte Gruppe von Menschen von seinem Sport ausschließen darf, denn das könnte gegen das Antidiskriminierungsgesetz verstoßen. Genauso muss ein Verband sich an das Anti-Doping-Gesetz halten und an die Bestimmungen aus der eigenen Satzung. Werden Recht und Gesetz gebrochen, darf sich der Staat als zuständige Instanz einschalten und tätig werden.

Gilt die Verbandsautonomie nur für staatliche Eingriffe?

Nein, die Verbandsautonomie gilt auch innerhalb des Systems. Das bedeutet, dass ein Sportverband nicht in die Organisation und Arbeit eines anderes Verbandes eingreifen oder diese unzulässig beeinflussen darf. Denn auch das könnte dazu führen, dass ein mächtigerer Verband einen kleineren Verband zu seinen Zwecken instrumentalisiert. Die Verbandsautonomie soll diese Art von Machtmissbrauch verhindern.

Wie betrifft das den DOSB als Dachverband des deutschen Sports?

Auch für uns als Dachverband gelten diese Regeln. Wenngleich wir an der Spitze des organisierten Sports in Deutschland stehen, bedeutet das nicht, dass wir unsere 102 Mitgliedsorganisationen kontrollieren oder sie zu etwas zwingen können. Die Mitgliedsorganisationen im DOSB sind eigenständig und autonom organisiert. Wir sind als Dachverband weder dafür zuständig, gegen unsere Verbände zu ermitteln, noch sie zu sanktionieren, da wir durch die entsprechenden rechtlichen Vorgaben keine Durchgriffsmöglichkeiten auf innere Angelegenheiten unserer Mitgliedsorganisationen haben.

Unsere Mitgliederversammlung, auf der alle unsere Mitgliedsorganisationen vertreten sind, ist das höchste Gremium des DOSB und steht noch über unserem Präsidium und unserem Vorstand. Hier kann in besonderen Fällen gemeinsam zum Beispiel über Sanktionen gegen einen Verband bis hin zu seinem Ausschluss entschieden werden. Wir als DOSB haben aber kein Recht, das eigenständig zu tun.

Kann der DOSB Richtlinien vorgeben?

Ja, das können wir, und das tun wir auch. Denn auch wenn wir bei organisatorischem Fehlverhalten nicht direkt ein- oder durchgreifen können, haben wir als Dachverband natürlich ein großes Interesse daran, dass die Verbände gut organisiert sind und Probleme durch eine gute Verbandsführung möglichst von vornherein vermieden werden. Dazu setzen wir Standards und geben Richtlinien heraus.

Wir erwarten, dass sich unsere Mitgliedsverbände im Rahmen der rechtlichen Vorgaben und entsprechend der Grundsätze des deutschen Sports eigenständig organisieren und dabei einen angemessenen Grad an Professionalität entwickeln. Dazu bieten wir vielfältige Unterstützung an, beispielsweise durch Vereins-, Steuerrechts- oder Good-Governance-Schulungen, die Bereitstellung eines Muster-Ethikcodes, von Guidelines, Checklisten und vielem mehr.

Zudem unterstützen wir unsere Verbände bei der Einführung geeigneter Good-Governance-Strukturen. Schon seit 2023 gibt es außerdem das Angebot der sogenannten Zentralen Hinweisstelle, die durch eine unabhängige Anwaltskanzlei besetzt ist und bei der Hinweise entgegengenommen und hinweisgebende Personen über das Verfahren beraten werden. Die Verbände können sich dieser Stelle anschließen. Letztendlich liegt es in der Entscheidungshoheit der Verbände, ob sie diese Angebote annehmen wollen und wie sie sie umsetzen. Als DOSB stellen wir diese Ressourcen zur Verfügung und werben bei den Mitgliedsverbänden dafür, sie wahrzunehmen und Standards umzusetzen.

Was passiert, wenn Betroffene, z.B. Athlet*innen, aus einem Verband sich an den DOSB wenden und um Hilfe bitten?

Dann versuchen wir zu helfen. Niemand wird einfach abgewiesen. Jede Person kann sich jederzeit an uns als Dachverband wenden und Probleme melden. Das bedeutet nicht automatisch, dass wir auch dafür zuständig sind und helfen können. Wir werden uns aber jede Meldung gewissenhaft und detailliert anschauen und bei Bedarf das Gespräch mit der Person suchen, die uns den Fall gemeldet hat.

Wenn wir wegen verbandsrechtlicher Vorgaben nicht in der Lage sind, direkt helfen zu können, dann erklären wir das und unterstützen gleichzeitig bei der Suche nach den passenden zuständigen Stellen und Ansprechpersonen, damit die hilfesuchende Person nicht einfach abgewiesen und mit dem Problem allein gelassen wird.

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