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„Wenn man Druck genießen kann, dann beginnt es, Freude zu machen“

Skirennfahrer Linus Straßer erläutert im „Team Deutschland Podcast“, warum bei ihm noch keine rechte Vorfreude auf die Olympischen Spiele in Italien aufkommt und wieso er keine Medaille braucht, um mit seiner Karriere rundum glücklich zu sein.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

04.11.2025

Ein Skirennfahrer in Aktion
Beim Weltcupauftakt in Sölden Ende Oktober verpasste Linus Straßer im Riesenslalom den zweiten Durchgang.

Der Countdown zu den Olympischen Spielen in Norditalien läuft, in der vergangenen Woche wurde die 100-Tage-Schallmauer bis zum Start der vom 6. bis 22. Februar angesetzten Wettkämpfe durchbrochen. Prächtige Winterspielstimmung ist bei Linus Straßer in der neuen Folge des „Team Deutschland Podcast“, die an diesem Mittwoch auf teamdeutschland.de erscheint, allerdings noch nicht auszumachen. Die Erklärung dafür ist vielschichtig, wie der Skirennfahrer vom TSV 1860 München im Gespräch mit Paul Burba, Podcast-Host von den Team D Studios, erläutert. Und sie liegt keinesfalls darin begründet, dass der Technikspezialist die olympische Idee nicht liebt. „Im Gegenteil, ich bin ein großer Olympiafan. Mein Traum wären Winterspiele in Kooperation von München und Innsbruck“, sagt er.

Was ist es dann, das dem Vater zweier Kleinkinder die Vorfreude auf den Saisonhöhepunkt verhagelt? Zum einen stößt sich Linus Straßer daran, dass die Wettkämpfe in fünf verschiedenen Clustern ausgetragen werden, die so weit voneinander entfernt liegen, dass ein Miteinander mit Sportler*innen aus anderen Disziplinen, das Olympische Spiele von Weltcups oder Weltmeisterschaften unterscheidet, kaum möglich sein wird. „In Cortina, wo das Deutsche Haus eingerichtet wird, gibt es immerhin ein kleines Athletendorf, ebenso in Mailand. Aber in Bormio, wo die Wettkämpfe der Alpin-Männer stattfinden, wohnen wir in normalen Hotels. Wir reisen kurz vorher an, trainieren, haben unseren Wettkampf und reisen wieder ab. Das wird sich anfühlen wie ein normaler Weltcup“, fürchtet er.

Werden die Winterspiele wie ein gewöhnliches Weltcuprennen sein?

Dabei hatte sich Linus Straßer bei der Vergabe der Spiele nach Italien durchaus darauf gefreut, olympisches Flair vor der eigenen Haustür erleben zu können. „Es werden meine dritten Spiele. 2018 in Südkorea gab es auch kein Dorf und keine Stimmung. 2022 in Peking hatten wir immerhin ein kleines Dorf, das einen Eindruck davon vermittelt hat, wie Olympia sein könnte, allerdings war das in der Corona-Zeit“, sagt er. Deshalb habe er gehofft, in Italien Olympische Spiele in Reinform erleben zu können. „Ich hoffe auch weiterhin auf das Beste, aber ich stelle mich darauf ein, dass es wie ein normales Weltcuprennen sein wird.“

Dazu kommt, dass ihm der eher langsame und anspruchsarme Kurs in Bormio weniger zusagt. „Eine steilere, anspruchsvollere Piste würde mir eher taugen, aber es ist verständlich, dass die Präparierung der Strecke bei Olympia anders ist, mit weniger Wasser und entsprechend weniger vereist. Bei den Spielen sind Nationen am Start, die mit alpinen Skirennen nicht allzu viel am Hut haben. Da ergibt es Sinn, vorsichtiger zu sein, damit alle heil runterkommen. Gibt ja kein schönes Bild ab, wenn einer nach dem anderen runterpurzelt“, sagt er. Warum allerdings die Männer nicht in Cortina starten, wie es die Frauen tun, versteht Linus Straßer nicht. „Dort ist der Slalomhang anspruchsvoller, es ist schade, dass wir in Bormio fahren müssen.“

  • Linus Strasser

    Olympiagold kann man nicht planen oder erzwingen, das muss man passieren lassen. Ich laufe in meiner Karriere nichts hinterher.

    Linus Straßer
    Skirennfahrer (Slalom und Riesenslalom)
    TSV 1860 München

    Den sportlichen Wert einer Olympiamedaille stuft der Bayer, der im Slalom vier Weltcuprennen gewinnen konnte und 2022 in Peking mit dem deutschen Team Silber holte, deshalb auch niedriger ein als einen Sieg bei den Klassikern der Skisaison wie Wengen, Kitzbühel oder St. Moritz. Dagegen sieht er den gesellschaftlichen Wert von olympischem Edelmetall als unvergleichlich an. „Man muss das voneinander trennen. Wenn du erzählst, dass du auf der Streif gewonnen hast, wissen das nur Experten einzuschätzen. Wenn du sagen kannst, dass du eine Olympiamedaille hast, weiß jeder Bescheid“, sagt er. Deshalb wäre ein Podiumsplatz im Slalom- oder Riesenslalom-Einzelrennen bei seiner vermeintlich letzten Olympiateilnahme die Krönung seiner Karriere.

    Sich olympisches Gold als Ziel zu setzen, hält Linus Straßer allerdings für vermessen. „Ziele sollten erreichbar sein. Gold will wohl jeder, aber nur einer wird es bekommen. Deshalb bezeichne ich es lieber als Vision, dass ich eine Medaille gewinnen möchte, und setze mir Ziele, die ich auf dem Weg dahin erreichen will, um die Grundlage dafür zu schaffen, dass die Vision Realität werden kann“, sagt er. Dabei helfe ihm neben seiner Erfahrung auch das Gefühl, in seiner Laufbahn nichts verpasst zu haben. „Olympiagold kann man nicht planen oder erzwingen, das muss man passieren lassen. Ich laufe in meiner Karriere nichts hinterher.“

    Gerade in den technischen Disziplinen, wo es im Gegensatz zu den Speedrennen zwei Durchgänge gibt, gebe es viele Möglichkeiten, während eines Wettkampfs auf schräge Gedanken zu kommen und den Fokus zu verlieren. „Manchmal hat man einen falschen Blickwinkel, aber wenn du es schaffst, da rauszukommen und umzuswitchen, dann macht das Spaß und ist das Wertvollste, was der Leistungssport dir mitgibt. Wenn man Druck genießen kann, dann beginnt es, Freude zu machen“, sagt er.

    Über den richtigen Zeitpunkt für sein Karriereende denkt er nach

    Wie lange er diese Freuden noch genießen möchte, kann Linus Straßer nicht sagen. „Was ich machen darf, ist ein Sechser im Lotto, ich habe weiterhin großen Spaß am Skifahren. Aber es gibt nichts Schöneres, als Zeit mit der Familie zu verbringen. Die Kinder sind nur einmal klein, deshalb fange ich schon an, darüber nachzudenken, wann der richtige Zeitpunkt zum Aufhören gekommen ist“, sagt er. Wobei er bezweifle, dass es diesen optimalen Moment wirklich geben kann. „Ich werde es nach Gefühl entscheiden. Aber jetzt freue ich mich erst einmal auf die Saison, dann sehen wir weiter.“

    Das klingt doch schon deutlich mehr nach Vorfreude. Wenn es tatsächlich klappen sollte mit der Krönung der Karriere dank Olympiamedaille, dann wird auch Linus Straßer seinen Frieden mit den Winterspielen 2026 machen. Und wer wissen möchte, welche Rolle das Gehör und das Visuelle bei Skirennen spielen und warum der passionierte Wintersportler seiner Heimatstadt auch Olympische Sommerspiele von Herzen gönnt, muss von Mittwoch an unter https://www.teamdeutschland.de/partner/sparkasse reinhören. Viel Vergnügen!

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