Wie der Sport zum Klima-Kompetenzraum werden will
Auf der vom Bundesumweltministerium und dem DOSB organisierten Konferenz zur „Klimaanpassung im Sport“ diskutierten rund 130 Gäste in Berlin, wie Sportler*innen und Sportorganisationen die Herausforderungen des Klimawandels bestmöglich bestehen können.

16.05.2025

„Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen, auf ihnen zu surfen.“ Dem US-amerikanischen Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn, der als Dozent für Achtsamkeitsmeditation bekannt wurde, wird dieses Zitat zugeschrieben, und dafür gebührt ihm Dank, denn sein Satz beschreibt perfekt das Gefühl, mit dem am Donnerstagabend die rund 130 Gäste der Konferenz zum Thema „Klimaanpassung im Sport“ den Lichthof des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN) an der Berliner Stresemannstraße verlassen konnten. Die unumkehrbaren Folgen des Klimawandels zwingen zur Anpassung, aber sie ist möglich – das war die Quintessenz des vom Ministerium und dem DOSB gemeinsam veranstalteten Symposiums, die Professor Sven Schneider von der Medizinischen Fakultät der Universität Mannheim in seinen Worten perfekt zusammenfasste: „Das Meiste, was nötig ist, wissen wir längst, wir haben aber ein Umsetzungsdefizit und müssen jetzt ins Handeln kommen.“
Um die dafür notwendigen Impulse zu geben, hatten das BMUKN und der DOSB die Konferenz, die vom Bundesumweltministerium aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert wurde, als Teil eines seit Oktober 2024 und noch bis Juli dieses Jahres laufenden Projekts zur Klimaanpassung im Sport umgesetzt. „Wir arbeiten schon seit vielen Jahren an Themen zum Klimaschutz, aber die Klimaanpassung ist für uns noch ein relativ neues Feld, das sich erst vor zwei Jahren herauskristallisiert hat“, sagte Bianca Quardokus, seit 16 Jahren Referentin im von Christian Siegel geleiteten DOSB-Fachressort „Sportstätten und Umwelt“, die beide für die inhaltliche Planung und die Kooperation mit Michael Kracht und Joachim Hummel aus dem BMUKN-Referat für Nachhaltigkeit im Sport und Tourismus und deren Team verantwortlich waren. „Deshalb sind wir sehr froh, dass wir gemeinsam diese Konferenz auf die Beine gestellt haben.“
In den vergangenen 200 Jahren stieg die Temperatur um drei Grad an
Bevor sich am Donnerstagvormittag jedoch der Optimismus Bahn brechen konnte, mussten die Gäste aus Politik, Umweltorganisationen, Verwaltung und diversen Mitgliedsorganisationen des DOSB die volle Breitseite der Klimarealität verkraften. Nachdem Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im BMUKN, und DOSB-Vizepräsidentin Verena Bentele in ihren Grußworten die Bedeutung der Thematik herausgestrichen hatten, referierte Dr. Marc Olefs, Klimafolgenforscher vom Institut Geosphere Austria, zu den Folgen des menschengemachten Klimawandels. Seine Fakten zur Erderwärmung, die niemanden kalt lassen können: Seit dem Start der Messung der Erdenergiebilanz vor 25 Jahren erhitzt sich unser Planet mit der Energie von elf Hiroshima-Atombomben – und das pro Sekunde. Während seit der letzten Eiszeit bis zur Industrialisierung im 18. Jahrhundert die Temperatur binnen 10.000 Jahren um sechs Grad zunahm, beträgt die Steigung seitdem drei Grad innerhalb von 200 Jahren. „Europa hat sich seit 1980 am stärksten erwärmt, weil die Sonnenscheindauer um 15 Prozent zugenommen hat. Hitze ist hier die tödlichste Naturgefahr“, sagte Olefs.
Die Folgen dieser Veränderung spüren Sportler*innen in vielen Bereichen. Um schneesicher Wintersport betreiben zu können, braucht es immer höhere Berglagen in einem kleiner werdenden Zeitfenster. Aber auch im Sommer nehmen die Belastungen rapide zu. Wettkämpfe müssen wegen zu hoher Temperaturen in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden verlegt oder gar ganz abgesagt werden. Auch Unterbrechungen oder Ausfälle von Veranstaltungen wegen Starkregens oder Gewitters sind immer häufiger zu beobachten. Im April drohte die WM-Qualifikation der Wildwasserkanut*innen in Augsburg auszufallen, weil der Eiskanal zu wenig Wasser führte. Aber aus all diesen Beispielen konnte Marc Olefs den Umschwung ins Positive ableiten. „Der Sport hat eine enorme Anpassungskapazität, die wir bewusst voranbringen können. Sport kann ein Klima-Kompetenzraum werden“, sagte er.
Wie das gelingen kann, sollte im Anschluss an seinen Impulsvortrag in verschiedenen Modulen erarbeitet werden. Unter der so launigen wie fachlich fundierten Moderation des österreichischen Para-Schwimmers Andreas Onea diskutierte Olefs zunächst mit Ralf Roth, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln, über das dringend notwendige Erreichen einer breiten Zielgruppe im Sport für das Thema Klimaanpassung. „Wer nicht versteht, dass der Klimawandel mit unserem Auftrag im Sport, die Gesellschaft in Bewegung zu bringen, zusammengedacht werden muss, hat ein großes Problem“, sagte Roth, „wir müssen den Wandel aber mit den Menschen gemeinsam gestalten. Wir müssen im Netzwerk denken und uns klarmachen, dass wir Teil dieser Transformation sind. Aber wir müssen auch Zuversicht ins System geben, um die Herausforderungen anzugehen.“
Für diese Zuversicht sorgten in einer anschließenden Gesprächsrunde zum Thema „Sportstätten im Klimawandel“ Professorin Anke Schmidt, Freiraumplanerin von der RPTU Kaiserslautern-Landau, und Jens Prüller, Geschäftsbereichsleiter Sportinfrastruktur vom Landessportbund Hessen. Prüller stellte das mit Nachhaltigkeitspreisen dekorierte Projekt „Öko-Check“ vor, mit dem über Vor-Ort-Beratung in den Vereinen gemeinschaftliche Konzepte zur Energieeinsparung und damit verbundener Kostenreduzierung umgesetzt werden. „Wir haben das in unseren 421 Kommunen mit ihren rund 7400 Vereinen bislang 4000-mal umgesetzt und bekommen weiterhin gut 200 Anfragen pro Jahr“, sagte er. Die Vereine seien ein Spiegelbild der Gesellschaft, wo sich die Prozesse manchmal auch in die Länge ziehen können, obwohl die Zeit fehle. „Was wir jetzt falsch machen, wird lange nachwirken“, mahnte er.
Anke Schmidt unterstrich diese Mahnung, zeigte aber auch Verständnis für manch Tempoverschleppung. „Klimakompetenz muss erlernt und ausgebaut werden, aber gewachsene Strukturen zu verändern bedeutet, Verhalten zu verändern, und ist auch technisch herausfordernd.“ Umso mehr wundere sie sich, dass nicht mehr finanzielle und personelle Ressourcen für Um- und Ausbau von Sportanlagen zur Verfügung gestellt würden. „Wir wissen eigentlich, dass es schon fünf nach zwölf ist“, sagte sie.
Katharina Steinruck schildert “Kampf gegen Windmühlen”
Professor Schneider konkretisierte im folgenden Dialog mit Katharina Steinruck, Marathon-Olympiastarterin in Japan 2021, die klimabedingten Gesundheitsrisiken, denen sich Breiten- und Leistungssportler*innen aussetzen: Die Zunahme von Hitzewellen; Unfall- und Verletzungsrisiken durch Extremwetter; UV-bedingte Risiken durch Abbau der Ozonschicht, längere Sonnenscheindauer und Verlängerung der Outdoor-Saison, was das Hautkrebsrisiko erhöht; inhalative Risiken durch mehr und stärkere Allergene (Pollen) sowie Feinstaub; größeres Infektions- und Intoxikationsrisiko durch gefährlichere Zecken- und Mückenarten, die perspektivisch auch tropische Fieberarten einzuschleppen drohen; und nicht zuletzt mentale Risiken. „Hitze, Stickoxide und Ozon erhöhen das Stress- und Angsterleben“, sagte er. Steinruck schilderte aus ihrer Praxis, „dass wir schon seit lange vor Corona gegen die Austragung von Wettbewerben bei zu großer Hitze kämpfen, aber es ist oft ein Kampf gegen Windmühlen. Viele verstehen nicht, dass es für uns um Existenzen geht und wir deshalb bestmögliche Bedingungen benötigen.“
Um nach dem Mittagessen auch die Gäste in Aktion zu bringen, stand der Nachmittag im Zeichen von Workshops, die drei Themenfelder einer tieferen Betrachtung unterzogen. Zur Fragestellung „Klima wandelt Sport – Wie passen wir unsere Sportarten am besten an?“ referierte Dr. Tobias Hipp vom Deutschen Alpenverein zu Herausforderungen und Existenzfragen im Bergsport. Petra Schellhorn, Ressortleiterin Umwelt und Gewässer, und Oliver Strubel, Geschäftsführer Freizeitsport, stellten für den Deutschen Kanu-Verband das spannende Projekt „KanuMorgen“ vor, das sich um die Anpassung an die zu befürchtende zunehmende Wasserknappheit in den Sommermonaten bemüht.
Den Status Quo des DOSB zu den klimatisch bedingten Herausforderungen stellte im Thementeil „Klimaanpassung durch die Gesundheitsbrille“ Projektmanagerin Susanna Hinn vor. Jonas Gerke von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) erläuterte die „Musterhitzeschutzplanung für den organisierten Sport“, die in Kürze allen Mitgliedsorganisationen zugänglich gemacht werden soll. Unter dem Oberthema „Sportstätten im Klimawandel“ lieferte Sara Sittinger, ehemalige Mitarbeiterin vom Fachbereich Raum- und Umweltplanung an der RPTU Kaiserslautern-Landau, Einblicke in Lösungsansätze zur Klimaanpassung am Beispiel des Sportparks Rems in Schorndorf. Torge Hauschild vom Fachamt Bezirklicher Sportstättenbau in Hamburg erläuterte am Beispiel der Sportanlage Möllner Landstraße, wie die Behörden und Vereine in der Hansestadt vorbildlich gemeinsam an der Verwirklichung von Klimaanpassung mit urbaner Sportinfrastruktur arbeiten.
Bestärkt von dieser Fülle an Positivbeispielen konnten Katharina Steinruck, Petra Schellhorn, Sven Schneider und Jens Prüller in einem von Andreas Onea moderierten Abschlusspanel noch einmal wichtige Appelle formulieren, die den fünften Podiumsgast Angelika Siegfried von Swiss Olympic hoffnungsfroh in die Basisarbeit in ihrer Heimat entließen. „Wir sind als Alpenanrainer vom Klimawandel mit am stärksten betroffen. Wir verstehen uns als eins der wichtigsten Wintersportländer der Welt und können noch nicht ganz glauben, dass das künftig nicht mehr so sein soll. Wir sind, was das Thema Klimaanpassung geht, noch weit hinter Deutschland zurück, aber wir beginnen zu verstehen, und ich nehme viele gute Anregungen mit“, sagte sie.
Um auch künftig nicht nur weitere Anregungen, sondern auch klare Handlungsanweisungen liefern zu können, wird der DOSB die begonnene Arbeit in der Klimaanpassung fortführen. Am Freitag tagte man in Berlin auf dem Fachforum „Umwelt und Naturschutz im Sport“ mit 30 Umweltverantwortlichen aus den Mitgliedsorganisationen. Zudem war die Konferenz der Startschuss für das neue DOSB-Projekt „Klima wandelt Sport: Anpassungsstrategien für Sportler*innen, Sportverbände und -vereine“, das im März angelaufen ist. „Im Rahmen des – vorbehaltlich der finalen Projektbewilligung – durch das Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt geförderten Projektes wird der DOSB gemeinsam mit seinen Spitzenverbänden sowie Landessportbünden Klimaanpassungskonzepte und -maßnahmen entwickeln. Neben einer allgemeinen Sensibilisierung für das Thema sollen die Mitgliedsorganisationen des DOSB befähigt werden, die Herausforderungen des Klimawandels angemessen zu bewältigen“, sagte Bianca Quardokus.
Michael Kracht und Christian Siegel war es vorbehalten, das finale Fazit zu ziehen. „Es geht darum, dass wir uns zwischen Umwelt und Sport vernetzen, Erfahrungen austauschen und uns einbringen, um ins Handeln zu kommen. Dieser Startpunkt stimmt mich sehr zuversichtlich“, sagte Kracht, Referatsleiter im BMUKN. Christian Siegel versprach, „dass wir uns im DOSB weiter für Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimaanpassung einsetzen, Wissen bündeln und teilen werden. Der Sport ist nicht nur betroffen, sondern auch bereit, Verantwortung zu übernehmen und Lösungen zu erarbeiten. Die Konferenz hatte das Ziel, den Dialog zu stärken. Das ist gelungen, und wir gehen diesen Weg entschlossen weiter.“ Gemeinsam zu lernen, die Wellen zu surfen, die der Klimawandel aufwirft, macht ja auch viel mehr Freude.
Zwei frühere Veröffentlichungen des DOSB zum Thema „Klimaanpassung im Sport“ findet ihr hier:
DOSB-24014_BRO_Dokumentation_Bodenheimer_Symposium_low__7_.pdf
DOSB_SSU_139_WEB.pdf